Kein Schadensersatz für ehemaligen Kirchenmusiker

Seit 20 Jahren streitet sich ein Kirchenmusiker mit seinem Ex-Arbeitgeber: Die Kirchengemeinde hatte ihn wegen einer außerehelichen Beziehung gekündigt. Trotz eines zwischenzeitlichen Erfolgs vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Schadensersatzklage nun endgültig abgewiesen.

Von Mitarbeitern der katholischen Kirche wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens‐ und Sittenlehre anerkennen und beachten. Inwieweit die Kirche als Arbeitgeber dies voraussetzen kann, beschäftigt immer wieder die Gerichte - in diesem Fall seit über 20 Jahren. 

Schadensersatz wegen entgangener Vergütung?

Damals kündigte die Kirche einem Kirchenmusiker, weil er sich von seiner Ehefrau getrennt hatte und mit einer neuen Partnerin und dem gemeinsamen Kind zusammenlebte. Was folgte war ein langer erfolgloser Rechtsstreit des ehemaligen Chorleiters und Organisten gegen seinen Arbeitgeber, die katholische Kirchengemeinde. 

Nach mehreren Zwischenstationen beim Bundesarbeitsgericht (BAG), Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) hat nun das letzte Kapitel erneut vor dem BAG in Erfurt stattgefunden. Hier verlangte der Kirchenmusiker erfolglos Schadensersatz von der Kirchengemeinde für die ihm – über all die Jahre – entgangene Vergütung.  

Rechtskräftige Kündigung aufgrund Kirchenrecht 

Ganz am Anfang stand ein Kündigungsschutzprozess, über den das BAG bereits in einem früheren Verfahren zu entscheiden hatte. Hier unterlag der Kirchenmusiker und die Richter stellten damals rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis des Kirchenmusikers 1998 durch Kündigung seitens der Kirche rechtmäßig beendet worden war.

Der Grund laut BAG: Die Aufnahme einer neuen Beziehung sei eine persönliche sittliche Verfehlung im Sinne der Grundordnung (GrO) des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Als Organist und Chorleiter habe der Arbeitnehmer eine große Nähe zum Verkündigungsauftrag der katholischen Kirche gehabt. Die daraufhin eingelegte Verfassungsbeschwerde des Arbeitnehmers nahm das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung an.

EGMR bestätigt Verstoß gegen Menschenrechtskonvention und Schadensersatz

Doch damit war die Reise des Kirchenmusikers durch die Instanzen der Gerichte noch nicht beendet. Er klagte erneut, dieses Mal vor dem EGMR in Straßburg, der – anders als der für das Recht der EU zuständige Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg – auf die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention achtet.

Seine Klage vor dem EGMR hatte dann 2010 auch Erfolg. Das Gericht stellte einen Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der das Privat- und Familienleben schützt, fest. Zwar sei es laut EGMR an sich kein Problem, dass die deutschen Arbeitsgerichte den Standpunkt des kirchlichen Arbeitgebers für maßgeblich erachtet hätten und von einer schwerwiegenden Pflichtverletzung i.S.v. Art. 5 GrO ausgegangen seien. Allerdings sei die Nähe des Kirchenmusikers zum Verkündigungsauftrag nicht ausreichend geprüft und die konkurrierenden Rechte und Interessen nicht ausreichend abgewogen worden, argumentierte der Gerichtshof. 

Auf dieser Grundlage war auch die darauffolgende Schadensersatzklage des gekündigten Chorleiters vor dem EGMR erfolgreich. Das Gericht urteilte 2012, dass dem Arbeitnehmer eine Entschädigung von 40.000 Euro zusteht.

Trotz EGMR-Entscheidung kein Erfolg vor deutschen Gerichten

Dass sich diese Entscheidungen jedoch nicht zwingend auf nationale Verfahren auswirken, musste der Kirchenmusiker im Anschluss erfahren. Zwar versuchte er vor den nationalen Gerichten alles, um die Wiederaufnahme des Kündigungsverfahrens und seine Wiedereinstellung zu erlangen. Tatsächlich scheiterte er damit regelmäßig – auch, weil ein in das deutsche Recht eingeführter Wiederaufnahmegrund (Konventionsverletzung aufgrund einer Entscheidung des EGMR) auf sein Verfahren zeitlich noch nicht anwendbar war.

Ganz aktuell blieb nun auch seine Klage auf Schadensersatz vor dem BAG erfolglos. Das höchste deutsche Arbeitsgericht konnte keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch den Arbeitgeber erkennen und bestätigte das klageabweisende Urteil der Vorinstanzen. Nur eine anderslautende Entscheidung des BAG hätte dazu führen können, erneut inhaltlich in die vergangenen und rechtskräftigen Urteile einzusteigen, also die Rechtskraft der Urteile zu durchbrechen. Ein Schadensersatzanspruch wäre nur möglich gewesen, wenn die Kirche im damaligen Kündigungsschutzverfahren bewusst falsch behauptet hätte, dass der Arbeitnehmer als Kirchenmusiker eine Nähe zum Verkündigungsauftrag gehabt habe. 

Strenge Voraussetzungen an Durchbrechung der Rechtskraft

Bereits die Vorinstanzen hatten erkannt, dass es vertretbar gewesen sei, dass die katholische Kirche an den Kirchenmusiker – und somit Mitarbeiter im liturgischen Dienst – gesteigerte Loyalitätsanforderungen gestellt habe. Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Mitarbeiters sei nach kirchenrechtlichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet gewesen. Zur Begründung war auch das Chefarzturteil des EuGH herangezogen worden. Darin hatte der EuGH festgestellt, dass sich prinzipiell eine berechtigte berufliche Anforderung einer Kirche aus der Tätigkeit ergeben kann.

Auch unter Berücksichtigung der EGMR-Entscheidung kam eine Durchbrechung der Rechtskraft der bisherigen Entscheidungen auf Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nicht in Betracht.

Hinweis:  BAG, Urteil vom 19.12.2019, Az: 8 AZR 511/18; Vorinstanz: LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2018, Az: 12 Sa 757/17


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Schlagworte zum Thema:  Schadensersatz, Kündigung, BAG-Urteil