Interview: Worauf Arbeitgeber bei Kurzarbeit achten müssen

Die Corona-Krise zwingt viele Unternehmen zur Einführung von Kurzarbeit. Was ist bei der Beantragung, Beschäftigungsverboten, Mutterschutz, Urlaub oder Feiertagen zu beachten? Im Interview beantworten die Rechtsanwältinnen Nina Springer und Natalie Schirmer aktuelle Fragen zum Kurzarbeitergeld.

Haufe Online Redaktion: Wie erfolgt die Beantragung von Kurzarbeitergeld und was ist bei dieser zu beachten?

Dr. Nina Springer: Die Beantragung von Kurzarbeitergeld erfolgt in zwei Schritten. Zunächst zeigt der Arbeitgeber den Arbeitsausfall schriftlich an. In einem zweiten Schritt wird das Kurzarbeitergeld beantragt. Beim Ausfüllen der Dokumente ist darauf zu achten, dass detaillierte Angaben zum Arbeitsausfall gemacht werden und diese wahrheitsgetreu sowie vollständig sind. Denn auch unvollständige Angaben können zu einem Strafbarkeitsrisiko bezüglich eines Subventionsbetrugs führen, sofern wesentliche Informationen weggelassen werden.

Haufe Online-Redaktion: Demnach reicht die Corona-Krise als pauschale Begründung nicht aus?

Springer: Die Angabe "Arbeitsausfall aufgrund Corona", wie sie vielfach erfolgt, ist nicht ausreichend. Insofern sollte beispielsweise auch ein geplanter Personalabbau, der unter Umständen auch zum gänzlichen Ausschluss von der Gewährung von Kurzarbeitergeld führen kann, angeben werden. Zwar erfolgt die Zahlung des Kurzarbeitergeldes durch die Agentur für Arbeit derzeit relativ zeitnah, jedoch handelt es sich hierbei zunächst um eine vorläufige Entscheidung. Die abschließende und auch ausführliche Prüfung sowie endgültige Entscheidung über die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfolgt erst weit nach Ende des Bezugszeitraums im Rahmen eines Audits.

Kein Anspruch auf Mutterschutzlohn während Kurzarbeit

Haufe Online Redaktion: Wie verhält sich die Kurzarbeit zu bestehenden Beschäftigungsverboten für Schwangere im Hinblick auf die Höhe des zu zahlenden Entgelts?

Natalie Schirmer: Grundsätzlich ist während eines Beschäftigungsverbots Mutterschutzlohn zu zahlen. Dieser berechnet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn besteht jedoch nur, wenn das Aussetzen mit der Arbeit und die dadurch bedingte Verdienstminderung durch ein Beschäftigungsverbot verursacht wurden. Besteht für diesen Zeitraum Kurzarbeit, so fehlt es an einer solchen Kausalität, da die Entgelteinbuße nicht ausschließlich durch das Beschäftigungsverbot veranlasst ist, sondern auch durch die betrieblich bedingte Kurzarbeit. Insofern besteht während der Kurzarbeiterzeit kein Anspruch auf Mutterschutzlohn. Sofern die Kurzarbeit wirksam mittels Individual- oder Betriebs­vereinbarung eingeführt wurde, ist für den Zeitraum des Beschäftigungsverbots das Kurzarbeitergeld zu zahlen.

Haufe Online Redaktion: Gilt dies auch für den Mutterschutz, also für den Zeitraum von sechs Wochen vor beziehungsweise acht Wochen nach der Entbindung?

Schirmer: Nein. Während des Mutterschutzes hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf Mutterschaftsgeld, welches bei gesetzlich Versicherten von der Krankenversicherung gezahlt wird, sowie Anspruch auf einen Zuschuss des Arbeitgebers. Ein Vorrang dieser Ansprüche vor der Zahlung des verminderten Kurzarbeitergelds ist gesetzlich nicht explizit geregelt. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Zahlung von Mutterschaftsgeld und Zuschuss Vorrang hat vor dem Kurzarbeitergeld. Der Zuschuss des Arbeitgebers berechnet sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist. Hierbei ist grundsätzlich das regelmäßige Entgelt der Arbeitnehmerin und nicht das verminderte Entgelt während der Kurzarbeit zugrunde zu legen.

Urlaubsanspruch während der Kurzarbeit

Haufe Online Redaktion: Ist es möglich, den Urlaubsanspruch für Zeiten der Kurzarbeit zu kürzen?

Schirmer: Diese Frage ist umstritten und es existiert hierzu keine abschließende Rechtsprechung. Im Hinblick auf eine Rechtsprechung des EuGH und einen Beschluss des Arbeitsgerichts Passau sprechen gute Gründe dafür, dass im Falle einer Verringerung der Arbeitstage pro Woche aufgrund rechtmäßig vereinbarter Kurzarbeit eine automatische, zeitanteilige Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs möglich ist. Eine Kürzung kann aber nur dann erfolgen, wenn die Kurzarbeit dazu führt, dass an ganzen Tagen nicht gearbeitet wird, nicht jedoch, wenn sich lediglich die tägliche Arbeitszeit reduziert. Aufgrund der nicht abschließenden Rechtslage hinsichtlich der Kürzungsmöglichkeit des gesetzlichen Urlaubsanspruchs würden wir empfehlen, mit dem Mitarbeiter eine Zusatzvereinbarung über eine (teilweise) Kürzung des vertraglichen Urlaubsanspruchs abzuschließen.

Feiertage während der Kurzarbeit

Haufe Online Redaktion: Wie verhalten sich Feiertagsvergütung und Kurzarbeitergeld?

Springer: Fällt ein Feiertag in den Kurzarbeitszeitraum, so ist die Feiertagsvergütung ausschließlich vom Arbeitgeber zu zahlen; Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht nicht. Der Anspruch auf Arbeitsverdienst entsteht in der Höhe, die er ohne den Arbeitsausfall aufgrund des Feiertages hätte, also im vorliegenden Zusammenhang in Höhe des "Kurzlohnes" soweit an diesem Tag ansonsten gearbeitet worden wäre, und im Übrigen in Höhe des fiktiven Kurzarbeitergeldes. Der zuletzt genannte Betrag ist – selbstverständlich – zu versteuern; die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung sind vom Arbeitgeber grundsätzlich allein zu tragen. Die Lohnsteuer ist vom Arbeitnehmer zu tragen.

Haufe Online-Redaktion: Werden die Sozialversicherungsbeiträge in diesem Fall erstattet?

Springer: Zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2020 werden Arbeitgebern aufgrund der Corona-Krise Sozialversicherungsbeiträge, die Arbeitgeber für die Beschäftigten in Kurzarbeit allein zu tragen haben, durch die Bundesagentur für Arbeit erstattet. Dies gilt jedoch nicht für auf das Feiertagsentgelt entfallende Sozialversicherungsbeiträge. Zwar finden sich in der neuesten Literatur auch Stimmen, die angesichts der Begründung des Gesetzes zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld einen Erstattungsanspruch des Arbeitgebers auch für auf das Feiertagsentgelt entfallende Sozialversicherungsbeiträge fordern. Die Arbeitsagenturen fahren aber eine ganz klare Linie und erstatten diese Beiträge nicht. ​


Zu den Interviewpartnern: Dr. Nina Springer und Natalie Schirmer sind Rechtsanwältinnen der Kanzlei Eversheds Sutherland (Germany) LLP. Dr. Nina Springer, LL.M. ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin im Hamburger Büro. Natalie Schirmer ist auf Arbeitsrecht spezialisiert und Senior Associate im Münchner Büro.


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Schlagworte zum Thema:  Kurzarbeit, Kurzarbeitergeld, Coronavirus