
Eltern, die ihre Kinder wegen Kita- oder Schulschließungen in der Coronapandemie zu Hause betreuen müssen, hatten, solange noch eine epidemische Lage von nationaler Tragweite bestand, einen Anspruch auf Krankengeld für jedes Kind sowie parallel einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Diese Regelungen sind nun erneut verlängert worden.
Die Coronapandemie stellt berufstätige Eltern weiterhin vor Herausforderungen. Schulen und Kitas bleiben immer wieder geschlossen. Beschäftigten bleibt oftmals keine andere Möglichkeit, als ihre Kinder selbst zu Hause zu betreuen. Wie lange dürfen sie der Arbeit fernbleiben? Was ist mit der Entgeltfortzahlung? Und was gilt, wenn das Kind selbst erkrankt? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.
Dürfen Arbeitnehmer bei einer Schul- oder Kitaschließung für die Kinderbetreuung zu Hause bleiben?
Wenn bei Schließung der Kita oder der Schule die Betreuung eines Kindes, das aufgrund seines Alters betreut werden muss, nicht anders sichergestellt werden kann, dann haben die Eltern als Arbeitnehmer in der Regel ein Leistungsverweigerungsrecht, weil ihnen die Erbringung ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag unzumutbar ist (§ 275 Abs. 3 BGB). Voraussetzung hierfür ist es, dass keine anderweitige Betreuung möglich ist, also etwa durch Nachbarn, den Ehepartner oder eine eingerichtete Notbetreuung.
§ 45 SGB V wurde 2021 dahingehend geändert, dass Eltern, die wegen Kita- oder Schulschließungen in der Coronapandemie ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, die Möglichkeit bekamen, Kinderkrankengeld zu beziehen. Das hat der Gesetzgeber rückwirkend zum 5. Januar 2021 umgesetzt.
Im April 2021 hat der Gesetzgeber eine weitere Ausweitung und Verlängerung der Kinderkrankentage beschlossen. Das vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage vom 22. April 2021 schuf pro Elternteil und Kind einen Anspruch von zehn zusätzlichen Tagen, für Alleinerziehende 20 Tage. Jedes Elternteil hat seither also Anspruch auf 30 Kinderkrankentage, Alleinerziehenden werden 60 Tage im Jahr gewährt. Diese Regelung wäre mit dem Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite zum Jahresende ausgelaufen. Ihre Weitergeltung für 2022 wurde vom Gesetzgeber mit dem "Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" im November 2021 beschlossen. Die Geltungsdauer der Regelung wurde durch das Gesetz zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen vom 18. März 2022 bis zum 23. September 2022 begrenzt.
Kinderbetreuung: Was ist mit dem Anspruch auf Lohnfortzahlung?
Ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht prinzipiell nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 616 BGB: Dort steht, dass der Vergütungsanspruch bestehen bleibt, wenn die Verhinderung nur eine "verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" andauert. Dies sind nach allgemeiner Auffassung höchstens zehn Tage. Der Anspruch aus § 616 BGB kann zudem von vornherein durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder sogar vollständig ausgeschlossen sein.
Wer zahlt bei längerer Schul- und Kitaschließung?
Wenn Schulen und Kitas nicht nur kurzzeitig schließen, sondern einen Betreuungsbedarf über mehrere Wochen entstehen lassen, entfällt der Anspruch nach § 616 BGB auf Lohnfortzahlung komplett. Arbeitnehmer wären zunächst darauf angewiesen, Überstunden oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen. Doch der Gesetzgeber hat das Problem gesehen und für eine Lösung gesorgt.
Coronakrise: Erhalten Arbeitnehmer Entschädigung wegen Kinderbetreuung?
Um diese Problematik in der aktuellen Coronapandemie aufzufangen, wurden die gesetzlichen Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausgeweitet: Arbeitnehmer haben seit dem 30. März 2020 gemäß 56 Abs. 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie während einer Schul- oder Kitaschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen.
Der Arbeitgeber muss einem Arbeitnehmer nach dieser Regelung den Verdienstausfall in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens begrenzt auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro erstatten. Diese Verdienstausfallentschädigung kann für maximal zehn Wochen pro Elternteil gezahlt werden. Alleinerziehende haben einen Anspruch auf bis zu 20 Wochen. Arbeitgeber müssen die Entschädigung längstens sechs Wochen für die zuständige Behörde auszahlen, danach ist der Antrag bei der Behörde selbst zu stellen. Die Unternehmen können sich das ausgezahlte Geld von der zuständigen Behörde zurückholen.
Was sind die Voraussetzungen für eine Entschädigung?
Die Regelungen betreffen Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren oder behinderten Kindern, die hilfebedürftig sind. Hier gibt es keine Altersgrenze. Die Entschädigung wird nur gezahlt, wenn Eltern keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit haben und ihnen kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.
Was gilt, wenn das Kind des Arbeitnehmers in Quarantäne muss?
In Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Kind - nicht aber die Eltern - unter Quarantäne stellt, hat das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" (in Kraft getreten am 19. November 2020) durch eine Änderung des § 56 IfSG klargestellt, dass die Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung haben.
Verlängerung der Entschädigungsregelung
Durch das "Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" war die Entschädigungsregelung für Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG angepasst worden. Damals wurde klargestellt, dass bei einem unter Quarantäne gestellten Kind ebenfalls eine Entschädigungszahlung möglich ist. Diese Änderungen sind am 19. November 2020 in Kraft getreten. Ende März 2021 hatte der Bundesrat einem Bundestagsbeschluss zugestimmt, der die Fortgeltung zahlreicher Regelungen vom Bestehen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite abhängig machte. Damit wurde der Entschädigungsanspruch zunächst entfristet und musste nun nicht mehr alle drei Monate verlängert werden. Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch war nun jedoch die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
Mit Auslaufen der epidemischen Lage zum 25. November 2021 wäre die Regelung außer Kraft getreten. Die Weitergeltung des Entschädigungsanspruchs bis zum 19. März 2022 wurde vom Gesetzgeber mit dem "Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" im November 2021 beschlossen. Durch das "Gesetz zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen" vom 18. März 2022 wurde eine erneute Weitergeltung bis zum 23. September 2022 geregelt.
Erweitertes Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V
Die Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld setzt eigentlich voraus, dass Eltern ein krankes Kind betreuen müssen. Erwerbstätige Eltern dürfen grundsätzlich zehn Arbeitstage im Jahr frei nehmen, um ein krankes Kind zu betreuen, und erhalten dafür Kinderkrankengeld. Aufgrund der Coronapandemie wurde der Anspruch bereits mehrmals erhöht.
Mittlerweile ist gesetzlich geregelt, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch ohne Erkrankung eines Kindes für die Fälle gilt, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten beziehungsweise die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt beziehungsweise der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Geregelt wurde, dass das Kinderkrankengeld im Jahr 2021 für zehn zusätzliche Tage pro Elternteil (20 zusätzliche Tage für Alleinerziehende) gewährt wird. Diese Änderung des § 45 SGB V wurde bereits im Januar 2021 verabschiedet. Während der dritten Coronawelle im April 2021, in der Kitas und Schulen bundesweit ab einer Inzidenz von 200 verpflichtend geschlossen werden mussten, wurden die zusätzlichen Kinderkrankentage auf den Weg gebracht.
Diese Regelung in § 45 SGB V wäre nun mit dem Ende der epidemischen Lage ausgelaufen. Ihre Weitergeltung für 2022 wurde vom Gesetzgeber mit dem "Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite" im November 2021 beschlossen. Durch das "Gesetz zur Verlängerung des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes und weiterer Regelungen" vom 18. März 2022 wurde die Weitergeltung bis zum 23. September 2022 festgelegt. Mit Ablauf des 23. September läuft die Regelung aus.
Wichtig: Für die Dauer der Zahlung des Kinderkrankengeldes nach § 45 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 45 Abs. 2a Satz 3 SGB V ruht für beide Elternteile der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Lesen Sie dazu mehr in unserer News "Kinderkrankengeld: Erweiterter Anspruch auch im Jahr 2022".
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Ob der Fall, dass das Kind nicht zur Schule geht, weil es (bzw. die Eltern) einen für den Schulbesuch erforderlichen Coronatest verweigert und deswegen Homeschooling machen muss, sich einer dieser Fallgruppen zuordnen lässt, ist schwierig zu beurteilen.
Zu dieser Frage haben sich bisher weder die Gesundheitsministerien des Bundes und der Länder noch die für die Bewilligung des Kinderkrankengeldes zuständigen Krankenkassen geäußert. Es bleibt abzuwarten, wie diese Fälle behandelt werden.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe-Online-Redaktion
Konkret: Meine Kita öffnet nur noch 7 Stunden, normalerweise arbeite ich 8 pro Tag. Inklusive Fahrtzeit und Mittagspause fehlen mir 1,5-2 Stunden täglich. Gibt es hier die Möglichkeit, eine Art Teilentschädigung zu beantragen? Oder gilt das wirklich nur für volle Tage? Das geht an der Lebensrealität ziemlich stark vorbei.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe-Online-Redaktion
Eigentlich sollen aber nach der Gesetzesbegründung zu § 56 Abs. 1a IfSG andere gesetzliche, dem Entgelt vergleichbare Geldleistungen gegenüber dem Entschädigungsanspruch nach IfSG vorrangig sein. Deshalb ist derzeit noch unklar, ob die zuständigen Entschädigungsbehörden sich der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes anschließen werden. Insgesamt ist der Anspruch auf Kinderkrankengeld der umfassendere (besteht z.B. anders als der Anspruch nach § 56 IfSG unabhängig davon, ob die geschuldete Arbeitsleistung nicht auch grundsätzlich im Home-Office erbracht werden kann) und der finanziell für Eltern bessere, so dass es sich - sollte sich die Nachrangigkeit des § 56 IfSG-Anspruches nicht erhärten - normalerweise empfiehlt, zunächst das Kinderkrankengeld in Anspruch zu nehmen.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
Bei § 56 IfSG gibt es eine Deckelung in Höhe von 2.016 EUR pro Monat als Höchstbetrag, bei § 45 SGB V gibt es eine Begrenzung auf maximal 112,88 EUR (Wert 2021) pro Tag.
Mit freundlichem Gruß
Ihre Haufe Online-Redaktion
In Fällen, in denen das Gesundheitsamt ein Kind - nicht aber die Eltern - unter Quarantäne stellt, könnte ein Anspruch für die Eltern nach § 56 Absatz 1a IfSG in Betracht kommen, wenn man davon ausgeht, dass insoweit das Betreten untersagt wird."
Bei diesem Sachverhalt sind mir Erstattungen nicht bekannt - ich habe lange Recherche betrieben und dann zu der Überzeugung gekommen, dass der Fall von
Kita-Schließung abzugrenzen ist.
In einem anderen Beitrag schreibt Lexware selbst übrigens hierzu:
"Nur im Falle einer behördlichen Quarantäne-Anordnung wird ein Verdienstausfall erstattet" Nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sei bei Kontaktpersonen zweiten Grades(in diesem Fall die Eltern) eine behördliche Quarantäne-Anordnung nicht angezeigt. (aus dem Haufe Letter: Lohnfortzahlung nicht in jedem Corona-Verdachtsfall). Auch die befragte Krankenkasse der Mitarbeiterin war dieser Auffassung.
Wir sind auf Leistungsverweigerungsrecht gegangen. Bei uns ist der § 616 BGB jedoch vertraglich ausgeschlossen und die Mitarbeiterin musste ihre Überstunden opfern. Sollte es hierzu eine klare Entscheidung geben, die besagt dass wir das Gehalt auszahlen dürfen und der Sachverhalt durch IfSG erstattet wird, wäre ich froh dies zu erfahren.
Letztlich eine Auslegungsfrage, ob die Quarantäneanordnung für das Kind ein Betretungsverbot der Kita/Schule darstellt.
Offizielle Stellen sind sich da keineswegs einig. Während beispielsweise der Landschaftsverband Rheinland keine Entschädigungspflicht sieht ("Nein. Es besteht wegen der notwendigen Betreuung des Kindes kein Anspruch auf Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG"), bejaht die Landesdirektion Sachsen für Inneres, Soziales und Gesundheit einen Entschädigungsanspruch ("Sobald ein Gesundheitsamt gegenüber einzelnen Klassenverbänden, Kita-Betreuungsgruppen oder einzelnen Kindern bzw. behinderten Kindern eine Quarantäne anordnet, unterliegen diese faktisch einem Betretungsverbot für die jeweilige Einrichtung. Die sorgeberechtigten Eltern können im Falle eines betreuungsbedingten Verdienstausfalles eine Entschädigung nach § 56 Abs.1a IfSG beantragen.").
Uns erscheint die sächsische Rechtsauslegung die einleuchtendere zu sein.
"Es kann sich um eine zumutbare Betreuungsmöglichkeit handeln, soweit die Möglichkeit des ortsflexiblen Arbeitens (zum Beispiel Homeoffice) besteht und die Nutzung zumutbar ist. Ob die Nutzung zumutbar ist, ist im Einzelfall zu entscheiden. Kriterien hierfür sind die sind Art und Dauer der Tätigkeit. Arbeitgebern wird empfohlen, mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu besprechen, in welchem Umfang die Arbeit im Homeoffice neben der Kinderbetreuung realisiert werden kann. Sofern dies aufgrund der Doppelbelastung unzumutbar ist, muss dies vom Arbeitgeber bei der Antragstellung bestätigt werden. Es besteht dann der Anspruch aus § 56 Absatz 1 a IfSG".
Das führt in der Praxis zu Diskussionen, wann eine Kinderbetreuung im Homeoffice noch zumutbar ist. Bei einem 1 Jahre oder 2,5 Jahre alten Kind fallen mir jedoch wenig Argumente ein, die ein Arbeitgeber ins Feld führen kann, um gleichzeitiges Arbeiten noch als zumutbar zu erklären. Diese Diskussion sollte man also durchaus führen und darauf hinweisen, dass es den Entschädigungsanspruch für genau diese Fälle gibt und dass Homeoffice eben nicht bedeutet, gleichzeitig sein Kind betreuen zu können.
MfG
Frank Bollinger
Haufe Online-Redaktion
Mein Partner ist selbstständig und ich arbeite 5 Tage in Vollzeit. Meine Tochter ist knapp 2 1/2 und braucht natürlich noch Betreuung. Keine Kurzarbeit. Großeltern weit weit weg.
Beide im Home Office in Vollzeit plus Kind bedeutet bei uns 5 Uhr Arbeitsbeginn, halb 2 abklatschen, Kind übernehmen, der andere arbeitet bis abends 22 Uhr. Zwischendurch mal fix was essen.
Ist auch schön, dass sowas als zumutbar angesehen wird ;-)
Und nirgends wird darauf eingegangen. Es heißt nur Lohnfortzahlung, Entschädigung blabla.... die kriegt man aber nur im absoluten Notfall, wenn Home Office als Option ebenfalls ausgenutzt wurde.
Dass 2 Leute in Vollzeit im Home Office mit kleinem Kind und ohne Betreuung aber keinen Spaß macht, dürfte jeder wissen.
Mich ärgert nur, dass diese "Möglichkeit" nie erwähnt wird und es immer nur heißt es gibt Möglichkeiten der Lohnfortzahlung.
Vielen Dank!