Arbeitsvertragsgestaltung: Lieber den Arbeitsrechtler fragen

Der Arbeitsvertrag ist das rechtliche Fundament im Arbeitsleben. Einfach nebenbei einen Arbeitsvertrag zu gestalten, kann nach hinten losgehen. Das zeigt unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller: Er analysiert einen Arbeitsvertrag, der gut gemeint, aber schlecht gemacht ist.

Ein guter Bekannter hat mir vor kurzem einen Arbeitsvertrag überreicht, der ihm angeboten wurde. Seine Bitte: "Sieh den doch mal an." Nach kurzer Draufsicht war mir klar, dass sich da ein kleiner Mittelständler von jemandem, der im Arbeitsrecht nicht so recht firm war, hat beraten lassen.

Nachweisgesetz nicht vergessen

Erfreulich ist: der Vertrag ist knapp. Zwei Seiten, zehn Paragraphen. Grundsätzlich bin ich mit solchen schmalen Verträgen sehr befreundet, denn eigentlich steht ja alles im Gesetz. Allerdings, ein Gesetz hat der Ersteller offenbar nicht gesehen: das Nachweisgesetz. Denn von den dort genannten Anforderungen an einen Arbeitsvertrag finden sich gerade einmal vier in dem mir übergebenen Dokument.

Eine der wesentlichen Bedingungen, die laut Nachweisgesetz im Arbeitsvertrag festgehalten sein müssen, sind die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, § 2 Abs. 1 Nr. 7 NachwG. Diese sind genannt – ich lese: "Für die Einarbeitungs- und Probezeit von drei Monaten wird die gesetzliche Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende vereinbart.“ Ich sehe also in § 622 BGB, vielleicht habe ich ja eine der letzten Gesetzesänderungen (freilich in irgendeinem Artikelgesetz) überlesen, doch vergeblich:  ich finde diese Frist nicht. Vier Wochen zum 15. oder Monatsende ja, aber sonst – Fehlanzeige. Auch von der möglichen verkürzten "Probezeitenkündigungsfrist" ist nicht Gebrauch gemacht worden.

Folgen unklarer Regelungen

Also enthält der Arbeitsvertrag insoweit eine unklare Regelung. § 305c Abs. 2 BGB hilft meinem Freund weiter,  bei Unklarheiten kann er die für sich günstigere Frist aussuchen. Im konkreten Fall hieße das: will er schnell kündigen, gilt die die kürzere Frist von vier Wochen (also zum Beispiel schon zum 15. des Monat); wird ihm gekündigt, kann er sich auf die Frist bis Monatsende berufen. Was ich den Vertragsautor übrigens gerne fragen würde: Warum schreibt er eigentlich, dass für die Probezeit die gesetzliche Kündigungsfrist gelten soll? Und regelt das dann anders? (Notabene: zu den Kündigungsfristen nach der Probezeit ist geregelt "Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.")

Zum Thema Mehrarbeit findet sich, dass diese "durch Freizeit oder zusätzliche Vergütung ausgeglichen" werde. Nach welchem Maßstab?  Der Autor vergaß  "nach billigem Ermessen des Arbeitgebers" einzufügen. So aber ist die Klausel – wenn der Arbeitgeber das Wahlrecht haben soll – zumindest eine unangemessene Benachteiligung, da offenbar Billigkeitserwägungen keine Rolle spielen sollen. Nach der Inhaltskontrolle in § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Klausel somit unwirksam.

Auch eine  Rückzahlungsverpflichtung findet sich im Vertrag: "Erfolgt die Kündigung seitens des Mitarbeiters, verpflichtet er sich die Schulungskosten in Höhe von 50 Prozent zu übernehmen, wenn die Schulung weniger als zwölf Monate zurückliegt.“ Das geübte Arbeitsrechtsauge sieht sofort: unwirksam mangels Konkretisierung und Angemessenheit insbesondere bei sogenannten "Kleinkosten".

Tödliche Klauseln

Den Vogel abgeschossen hat der Autor - oder Verursacher - mit einer tödlichen Klausel: "Dem Mitarbeiter wird untersagt, für zwei Jahre nach Ende seines Arbeitsverhältnisses mit Kunden Geschäftsbeziehungen aufzubauen. Im Falle einer Widerhandlung ist eine Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 Euro zu zahlen." Dass die Vertragsstrafe unwirksam ist – der junge Mann bekommt im Monat gerade einmal etwa 3.000 EUR – ist nach der Inhaltskontrolle (unangemessene Benachteiligung) fraglos. Dass dieses Wettbewerbsverbot unverbindlich ist, ergibt sich aus § 74 Abs. 2 HGB. Nun muss man noch dazu wissen, dass der Vertrag befristet ist. Also eine recht gute "Arbeitslosenversicherung" für zwei Jahre nach Ende der Befristung. Das kann schon (fast) als großes Los bezeichnet werden.

Was wir aus dem Vorfall lernen

In wenigen Zeilen also kann der nichtgeübte Vertragsersteller sehr viele und sehr gravierende Fehler begehen. Für oder gegen was spricht dies eigentlich? Und vor allem: Für wen hat das Folgen?

Nun, ich habe zunächst einmal den jungen Mann gefragt, ob er verstehe, was denn im Vertrag stehe und ob er damit einverstanden sei. Das bejahte er und meinte, ehrliche Haut, die er ist, dass das doch selbstverständlich und fair sei. Nach dieser kleinen Diskussion muss ich mich einfach fragen, warum wir nicht an der Vertragsfreiheit festhalten und stattdessen AGB-Recht vorschieben (für alle die nun meinen, es sei kein Standardvertrag: Doch, er war nicht individuell ausgehandelt, die Kollegen haben die gleichen Klauseln, AGB-Recht ist also anzuwenden).

Arbeitsvertragsgestaltung braucht Arbeitsrechtler

Also, von der Vertragsfreiheit sind wir weiter weg denn je. Seit Jahren geht der Gesetzgeber in die Richtung, dass der Arbeitnehmer auch vor sich selbst geschützt werden müsse. Und was ist aus dieser Erkenntnis abzuleiten?

Erstens: Sollte der Verwender den Vertrag nicht entworfen haben, sondern sein Steuerberater oder gar Anwalt – dann kann sich der Ersteller über dessen Haftpflicht schadlos halten, feine Sache; sollte er die Klauseln von einem Freund bekommen haben – nun ja, ich sehe diese Freundschaft schwer gefährdet.

Zweitens: Kein Weg führt am Arbeitsrechtler vorbei. Arbeitsrecht ist – und gerade beim so viele Weichen stellenden Arbeitsvertrag - zu komplex und umfassend, als dass sich ungeübte Anwender damit befassen sollten. Ach ja: das gilt auch für das Aussuchen von Klauseln aus leider zu beliebten Arbeitsvertragsmustern. Denn es gilt: "No one fits all".

 

Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.

Schlagworte zum Thema:  Arbeitsvertrag, Arbeitsrecht