Zulässige Differenzierung bei Inflationsausgleichsprämie

Liegen sachliche Gründe für eine Differenzierung vor, muss die Inflationsausgleichsprämie nicht allen Arbeitnehmern gleichmäßig gewährt werden. Eine Gruppenbildung bei der Gewährung der Prämie ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Das entschied das Arbeitsgericht Paderborn.

Die Inflationsausgleichsprämie, welche bis zu einem Maximalbetrag von 3.000 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei von Unternehmen an ihre Mitarbeitenden ausgezahlt werden kann, ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, mit welcher die gesteigerten Lebenshaltungskosten teilweise kompensiert werden sollen. Grundsätzlich gilt für die Zahlung der Prämie der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Soll die Prämie nicht an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgezahlt werden, stellt sich die Frage, ob eine Differenzierung zulässig ist und welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen.

Inflationsausgleichsprämie nur an bestimmten Beschäftigtenkreis

In dem vom Arbeitsgericht Paderborn zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber allen Mitarbeitenden eine Inflationsausfallprämie in Höhe von 1.000 Euro gewährt, sofern diese zuvor noch keine Sonderzahlungen erhalten oder diese klageweise geltend gemacht hatten. Auf Grund der wirtschaftlichen Lage während der Corona-Zeit hatte der Arbeitgeber seinen Beschäftigten einen Änderungsvertrag angeboten, der einen Verzicht auf die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld (= Sonderzahlungen) beinhaltete. Ein Großteil der Mitarbeitenden hatte diese Verträge unterschrieben und so dem Verzicht zugestimmt und einen etwaigen Anspruch auch nicht eingeklagt. Die klagende Arbeitnehmerin war jedoch zu einem Verzicht nicht bereit und hatte die Sonderzahlung, nachdem der Arbeitgeber sie nicht freiwillig gezahlt hatte, gerichtlich geltend gemacht. Ihr wurden daraufhin für die Kalenderjahre 2020 und 2021 Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 3.700 Euro gewährt. Für das Kalenderjahr 2022 hatte die Arbeitnehmerin ebenfalls ihre Sonderzahlung eingeklagt und sie in Höhe von 1.036,81 Euro erhalten.

Im September 2022 wurden die Beschäftigten vom Arbeitgeber informiert, dass alle diejenigen Mitarbeitenden, die verzichtet hatten und keine Sonderzahlungen erhalten haben, auf Grund der gestiegenen Inflation im Dezember 2022 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000 Euro erhalten werden. Da die Arbeitnehmerin zuvor die Sonderzahlungen erhalten hatte, wurde ihr die Inflationsausgleichsprämie nicht ausgezahlt, woraufhin sie die Zahlung der Prämie wieder klageweise geltend machte.

Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des Maßregelungsverbots?

Sie begründete ihre Klage zum einen mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und zum anderen stütze sie ihre Forderung auf das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Danach darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Arbeitnehmerin war der Ansicht, sie werde hier benachteiligt, nur weil sie in zulässiger Weise nicht auf die Sonderzahlungen verzichtet habe, sondern diese eingeklagt habe.

Der Arbeitgeber war der Meinung, die Prämie sei ein Zeichen der Dankbarkeit für die Treue derjenigen Mitarbeitenden, die sich währen der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden wirtschaftlichen Engpässen durch Unterzeichnung der neuen Arbeitsverträge in hohem Maße solidarisch gezeigt hatten. Die Gewährung dieser freiwilligen Sonderzahlung sei deswegen lediglich an diejenigen Mitarbeiter erfolgt, die keine Sonderzahlungen erhalten und diese auch nicht im Klagewege geltend gemacht haben.

Die Arbeitnehmerin habe Sonderzahlungen für die Jahre 2020, 2021 und 2022 erhalten, während der Großteil der Belegschaft seit dem Jahr 2020 keine Sonderzahlung mehr erhalten habe und diese auch nicht gerichtlich geltend gemacht habe. Damit liege ein sachlicher Differenzierungsgrund dafür vor, diejenigen Mitarbeitenden, die keine Sonderzahlungen erhalten haben, günstiger zu stellen als diejenigen Mitarbeitenden, die entsprechende Zahlungen bekommen haben. Hinzu komme, dass die freiwillige Sonderzahlung explizit als Inflationsausgleichsprämie durch den Arbeitgeber gewährt wurde. Aufgrund der bereits an die Arbeitnehmerin geleisteten Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 4.736 Euro sei die Arbeitnehmerin nicht in vergleichbarem Maße von den inflationsbedingten finanziellen Einbußen betroffen, wie die übrige Belegschaft, die diese Zahlungen nicht erhalten habe. Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot liege nicht vor.

Prämie muss nicht an alle Mitarbeitenden gezahlt werden

Das Arbeitsgericht Paderborn wies die Klage der Arbeitnehmerin auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ab. Das Gericht sah in der Nichtgewährung der Prämie an die Arbeitnehmerin weder einen Verstoß des Arbeitgebers gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen das Maßregelverbot.

Eine Inflationsausgleichsprämie müsse nicht allen Mitarbeitenden gleichermaßen gewährt werden, sofern sachliche Gründe für eine Differenzierung vorlägen. Der Arbeitgeber habe mit der Beschränkung der Gewährung an diejenigen Mitarbeitenden, welche in der Vergangenheit auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet hatten, eine Angleichung an die Arbeitsbedingungen derjenigen Mitarbeitenden bezweckt, welche die Sonderzahlungen erhalten hatten. Dies stelle nach Ansicht des Gerichts einen sachlichen Grund dar, der eine Differenzierung rechtfertige.

Auch einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot konnte das Arbeitsgericht Paderborn nicht erkennen. Der Arbeitgeber habe die Arbeitnehmerin nicht von der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ausgenommen, weil sie keinen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Grund für die Zahlung der Prämie war vielmehr die gestiegene Inflation und damit verbundene Mehrbelastung der Arbeitnehmer. Hier habe der Arbeitgeber bei der Verteilung zulässig zwischen Arbeitnehmern, die bereits Sonderzahlung bekommen haben und Arbeitnehmern, die keine Sonderzahlung erhalten hatten und damit in höherem Maße belastet waren, differenziert.

Differenzierung aus sachlichen Gründen ist zulässig

Das Urteil des ArbG Paderborn macht deutlich, dass der Arbeitgeber bei der Gewährung freiwilliger Leistungen zwar grundsätzlich an den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Maßregelungsverbot gebunden ist, dass er aber im Rahmen dessen in gewissen Grenzen frei ist in seiner Entscheidung, welchen Beschäftigten er die Inflationsausgleichsprämie zahlt. Wichtig ist, den mit der Zahlung verfolgten Zweck genau zu definieren und zu dokumentieren, um belegen zu können, dass eine ungleiche Behandlung von Mitarbeitenden nicht aus unsachlichen und sachfremden Gründen erfolgt. Der Arbeitgeber muss die Gründe und die sachlichen Kriterien offenlegen und durch Tatsachen belegen können. Dies sollte der Arbeitgeber berücksichtigen, wenn er bei freiwilligen Leistungen zwischen unterschiedlichen Beschäftigtengruppen differenzieren möchte.

Hinweis: Arbeitsgericht Paderborn, Urteil vom 6. Juli 2023, Az. 1 Ca 54/23


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