LAG Nürnberg, Urteil v. 20.11.2018, 7 Sa 95/18 (Revision eingelegt)

Leitsatz (amtlich)

Die Anforderung, dass Schülerinnen von Sportlehrerinnen im Sport unterrichtet werden, ist eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG.

Sachverhalt

Der Beklagte, der eine Schule betreibt, schrieb eine Stelle aus, wonach eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen der Oberstufe gesucht wurde. Als der Kläger sich darauf bewarb, teilte ihm der Beklagte mit, dass er eine weibliche Sportlehrkraft für die Mädchen suche. Der Kläger, der sich wegen seines Geschlechts diskriminiert fühlte, klagte auf Entschädigung nach dem AGG. Er wies hierbei unter anderem darauf hin, dass die unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechtes nicht gem. § 8 AGG gerechtfertigt sei, da die Tätigkeit eines Sportlehrers geschlechtsneutral sei. Es sei nicht auszuschließen, dass ein mögliches Unbehagen sowohl bei einem Schüler als auch bei einer Schülerin auftreten könne und das Geschlecht der Schüler und der Lehrer insoweit keine Rolle spiele. Der Beklagte machte geltend, er hätte den Kläger für die ausgeschriebene Stelle nicht einstellen dürfen, weil er damit gegen geltendes Recht, insbesondere gegen den Lehrplan für bayerische Schulen verstoßen hätte. Wenn er, der Beklagte, sich nicht an die Vorgaben halte, sei mit einem Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu rechnen. Er hätte den Kläger nicht einstellen können, ohne den Widerruf der Genehmigung für den Betrieb der Schule zu riskieren. Zudem hätte er keine staatlichen Zuschüsse für den Kläger erhalten; denn der bayerische Landesgesetzgeber habe im Rahmen seiner ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz von seiner Befugnis Gebrauch gemacht zu regeln, dass der Sportunterricht geschlechtsspezifisch erteilt werde. Nach dem Lehrplan-PLUS für bayerische Schulen werde der Basissportunterricht in nach Geschlechtern getrennten Sportklassen unterrichtet. Mädchen würden danach von weiblichen, Jungen von männlichen Sportlehrkräften unterrichtet.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem LAG keinen Erfolg. Revision wurde zugelassen.

Das Gericht entschied, dass keine unzulässige unterschiedliche Behandlung vorliege, sondern diese wegen beruflicher Anforderungen gem. § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt sei, sodass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gem. §§ 7 Abs. 1, 15 Abs. 2 AGG zustehe.

Das LAG führte hierzu aus, dass für die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung entscheidend sei, ob die geforderte Gleichgeschlechtlichkeit von Lehrkräften und Schülern eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i. S. d. § 8 Abs. 1 AGG darstelle. Voraussetzung hierfür sei, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit von dem Unterscheidungsmerkmal abhänge und das Differenzierungsmerkmal nicht nur für unbedeutende, für den Arbeitsplatz nicht charakteristische Tätigkeiten notwendig sein dürfe.

Das Geschlecht bei Sportlehrern stelle – gemessen an diesen Kriterien – ein Merkmal dar, von dem die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit, d. h. des Sportunterrichts abhänge, da dieser im Vergleich zu anderen Lehrfächern durch besondere Körperlichkeit geprägt sei, z. B. durch Hilfeleistungen beim Turnen. Und gerade bei Mädchen sei u. a., so das LAG, das Schamgefühl ab Beginn der Pubertät stärker ausgeprägt, was dazu führen könne, dass körperliche Berührungen durch das andere Geschlecht schneller als unangemessen empfunden werden oder auch hormonell bedingte Unpässlichkeiten sich auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirken könnten, was jedoch ungern mit einem männlichen Sportlehrer erörtert werden würde.

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