Wichtiger Grund

Betriebliche oder dienstliche Belange

Ermessensentscheidung

Die Gewährung von Sonderurlaub unter Verzicht auf Bezüge ist nach § 50 Abs. 2 BAT an zwei Voraussetzungen gebunden: zum einen muss ein wichtiger Grund vorliegen und zum anderen müssen die dienstlichen und betrieblichen Verhältnisse das Fernbleiben des Angestellten vom Dienst erlauben.

Wichtiger Grund

Der Angestellte muss den wichtigen Grund darlegen. Dieser liegt im Allgemeinen im Interessenbereich des Angestellten. Er ist daher nach der Interessenlage des Angestellten zu beurteilen.

Als wichtiger Grund kann z.B. anerkannt werden:

  • Berufsbildung bzw. Aufnahme oder Fortführung eines Fach- oder Hochschulstudiums, Promotion, Besuch von Fortbildungsveranstaltungen[1]
 
Praxis-Beispiel

Eine Angestellte, die eine Fortbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin anstrebt, hat grundsätzlich einen wichtigen Grund vorzuweisen. Ist es ihr jedoch aufgrund der Familienverhältnisse und sonstigen Verpflichtungen möglich, auch Abendkurse zu besuchen, so ist dies im Einzelfall trotz der längeren Ausbildungszeit ein Fall, in dem kein wichtiger Grund gegeben ist.

  • Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation, die nicht von § 37 bzw. § 71 BAT erfasst werden
  • Kurzwehrdienst ausländischer Arbeitnehmer, für die weder die Vorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes noch die einschlägigen Vorschriften des EG-Rechts Anwendung finden[2]
  • Teilnahme an Rehabilitationslehrgängen wie z.B. Mobilitätstraining für Blinde, Geh- und Armschullehrgänge von schwerbehinderten Bediensteten
  • Entsendung von Bediensteten in öffentliche, zwischen- oder überstaatliche Organisationen
  • Freistellung für Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern z.B. aufgrund eines im dienstlichen oder betrieblichen Interesse liegenden Personalabbaus
  • Übernahme von Aufgaben der Entwicklungshilfe
  • Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres
  • Kollision der Arbeitspflicht mit einer weiteren öffentlich-rechtlichen oder in sonstiger Weise anerkennenswerten Pflicht.[3]

Betriebliche oder dienstliche Belange

Weiterhin muss die Beurlaubung mit den betrieblichen oder dienstlichen Interessen vereinbar sein. Im Gegensatz zu § 50 Abs. 1 BAT müssen die dienstlichen oder betrieblichen Belange bei § 50 Abs. 2 BAT nicht dringend sein. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut zwischen § 50 Abs. 1 und Abs. 2 BAT hinsichtlich der betrieblichen und dienstlichen Belange wird deutlich, dass hier dem Arbeitgeber es leichter ermöglicht ist, innerbetriebliche Interessen geltend zu machen als bei § 50 Abs. 1 BAT. Hierbei kann z.B. eine befristete Ersatzeinstellung zur Herbeiführung der Vereinbarkeit führen. In einem solchen Fall ist aber zu prüfen, ob eine befristete Einstellung möglich ist und dem Angestellten zugemutet werden kann, den Sonderurlaub erst nach Eintreffen der Ersatzkraft anzutreten.

Allein die Furcht, mit der Gewährung von Sonderurlaub einen Präzidenzfall zu verschaffen, rechtfertigt die Ablehnung nicht.

 
Praxis-Beispiel

Ein Krankenpfleger hat auf dem zweiten Bildungsweg die Zulassung zum Fachhochschulstudium erworben und möchte das Studium der Sozialökonomie aufnehmen. Er beantragt Sonderurlaub.

Das BAG BAG, Urt. v. 30.10.2001 - 9 AZR 426/00 hat zunächst festgestellt, die Aufnahme eines Studiums stelle regelmäßig einen wichtigen Grund i.S.v. § 50 Abs. 2 BAT dar.

Auch gestatten die betrieblichen oder dienstlichen Verhältnisse die Gewährung des Sonderurlaubs, wenn die vorübergehend frei werdende Stelle durch eine befristet einzustellende Ersatzkraft besetzt werden kann. Hierum muss sich der Arbeitgeber auch tatsächlich bemühen. Dem steht nicht entgegen, dass während der Einarbeitungsphase - hier etwa vier Wochen - qualifiziertes Stammpersonal gebunden wird, das dann in der Pflegedienstleistung der Klinik fehlt. Dies sei typische Folge der Beurlaubung eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz nicht unbesetzt bleiben soll. Die dem Klinikum abzuverlangenden Bemühungen überstiegen nicht den organisatorischen Aufwand, wie er üblicherweise mit jeder vorübergehenden Nachbesetzung verbunden ist.

Ermessensentscheidung

Liegen die beiden genannten Voraussetzungen vor, hat nunmehr der Arbeitgeber eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Ermessensausübung erfolgt nach billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB), d.h., durch Abwägung des Einzelfalls soll der Arbeitgeber die Interessenlage analysieren und bewerten, um zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist gerichtlich überprüfbar. Im Gegensatz zu § 50 Abs. 1 BAT, der eine Soll-Bestimmung ist und in der Regel zur Gewährung des Sonderurlaubs bei Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen führt, enthält § 50 Abs. 2 BAT nur eine Kann-Regelung. Hierdurch wird deutlich, dass der Ermessensspielraum des Arbeitgebers bei § 50 Abs. 2 BAT größer ist als im Falle des § 50 Abs. 1 BAT.

 
Praxis-Beispiel

Fortsetzung des obigen Praxisbeispiels:

Da aufgrund der Aufnahme des Studiums ein wichtiger Grund vorliegt und betriebliche Gründe wegen der Möglichkeit der Vertretung nicht entgegenstehe...

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