2.3.1 Grundsätze

 

Rz. 6

Im Rahmen des § 95 Abs. 1 BetrVG sind dem Inhalt einer Auswahlrichtlinie unter Berücksichtigung der allgemeinen Begriffsbestimmung keine wesentlichen Grenzen gesetzt. Im juristischen Schrifttum wird allenfalls die – im Ergebnis indes allein akademische – Frage erörtert, ob dem Arbeitgeber durch die Auswahlrichtlinie ein Ermessensspielraum für die von ihm in Aussicht genommene personelle Einzelmaßnahme verbleiben muss oder die Reduzierung des Auswahlermessens auf Null dem Richtliniencharakter zuwiderläuft. Die gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erzwingbare Richtlinie wird hinsichtlich der bei der Durchführung von Einstellungen, Versetzungen oder Umgruppierungen zu berücksichtigenden Auswahlgesichtspunkte dahin präzisiert, dass sie sich auf die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen sowie sozialen Gesichtspunkte erstrecken sollen (BAG, Beschluss v. 31.3.2005, 1 ABR 22/04[1]). Grundsätzlich steht dem Arbeitgeber insbesondere bei Einstellungen und Versetzungen ein weiter Ermessensspielraum zu, der aufgrund der Richtlinie gebunden wird, die sich wiederum an den Grundsätzen von Recht und Billigkeit (§ 75 BetrVG) zu orientieren hat. Im Einzelfall kann das Ermessen im Rahmen eines vereinbarten Punktesystems auch durchaus auf Null reduziert werden. Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber auch Auswahlrichtlinien für die Einstellung von Leiharbeitnehmern in bestimmten Regelungsgrenzen verlangen. Die Richtlinie darf sich auf die Festlegung der fachlichen und persönlichen Voraussetzungen sowie der sozialen Gesichtspunkte erstrecken.[2] Die Grenze für den Inhalt einer Auswahlrichtlinie ist aber regelmäßig überschritten, wenn dem Arbeitgeber kein Ermessensspielraum verbleibt.

[1] BB 2006, 784.
[2] Gussen, NZA 2011, 830.

2.3.2 Beispielsfälle

 

Rz. 7

Auswahlrichtlinien können völlig unterschiedliche Gesichtspunkte enthalten. Im fachlichen Bereich z. B.:

  • Festlegung der Anforderungen des Arbeitsplatzes anhand einer Stellenbeschreibung
  • Anforderungsprofile
  • Schul- und Berufsbildung, erforderliche Grund- und Spezialkenntnisse
  • Betrieblicher Werdegang
  • Praxiserfahrung

Im persönlichen Bereich können z. B. folgende Aspekte berücksichtigt werden:

  • Alter
  • Zuverlässigkeit
  • Anforderungen aus arbeitsmedizinischer Sicht
 

Rz. 8

Im sozialen Bereich:

  • Familienstand
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Gleichbehandlung von Frauen

Im Zusammenhang mit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes und der darin verankerten Möglichkeit, durch geeignete und angemessene Maßnahmen der unterschiedlichen Behandlung bestehende Nachteile zu verhindern oder auszugleichen (§ 5 AGG), wird zukünftig zu erörtern sein, ob dem Aspekt der Antidiskriminierung Raum für die Gestaltung von Auswahlrichtlinien zu geben sein wird.

Der Betriebsrat kann über die Aufstellung der Kriterien für die Zuweisung eines eigenen Büros und Mitarbeiters nicht mitbestimmen. Die Zuweisungskriterien stellen keine Auswahlrichtlinien dar, sie sollen die Auswahl unter mehreren infrage kommenden Arbeitnehmern für den Fall steuern, dass es im Betrieb zu einer personellen Maßnahme nach § 95 Abs. 1 BetrVG kommt. Der Arbeitgeber legt somit erst die Voraussetzungen fest, unter denen er die betreffende Maßnahme erst durchführt (BAG, Beschluss v. 31.3.2005, 1 ABR 22/04[1]).

 

Rz. 9

Des Weiteren werden Auswahlrichtlinien regelmäßig zwischen verschiedenen Personengruppen unterscheiden müssen. Zweckmäßig erscheint die Differenzierung zwischen Auszubildenden, Arbeitnehmern mit besonderen bzw. ohne besonderen Kenntnissen oder Berufsausbildung sowie Arbeitnehmern mit oder ohne besondere Weisungsbefugnis. Gegebenenfalls können zudem Schwerbehinderte und Leistungsgeminderte besonders berücksichtigt werden.

[1] BB 2006, 784.

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