2.1 Allgemeines

 

Rz. 3

Unter Auswahlrichtlinien werden in der Regel abstrakt generelle Grundsätze verstanden, die allgemein und für bestimmte Arten von Tätigkeiten oder Arbeitsplätze festlegen, welche Voraussetzungen bei der Durchführung von personellen Einzelmaßnahmen vorliegen müssen oder nicht vorliegen dürfen und welche Aspekte bei ihnen im Hinblick auf die Arbeitnehmer weiter zu berücksichtigen sind oder außer Betracht zu bleiben haben.[1] Sinn und Zweck von Auswahlrichtlinien ist es festzulegen, unter welchen Voraussetzungen die jeweiligen personellen Einzelmaßnahmen erfolgen sollen, um die zugrunde liegende Personalentscheidung zu versachlichen und für die Betroffenen durchschaubar zu machen. Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er und nicht ein anderer von einer ihm belastenden Personalmaßnahme betroffen wird oder warum eine günstigere Maßnahme nicht ihn, sondern einen anderen trifft (BAG, Beschluss v. 31.3.2005, 1 ABR 22/04[2]). Auch ein sog. Negativkatalog erfüllt die vorstehende Definition, sofern er festlegt, welche Gesichtspunkte bei der Durchführung einer Einzelmaßnahme nicht oder nach einer bestimmten Zeit nicht mehr berücksichtigt werden dürfen.

 
Praxis-Beispiel

Verbot der Vorlage von Krankenkassenunterlagen über zurückliegende krankheitsbedingte Fehlzeiten.

Umstritten ist, ob bei einem Anforderungsprofil wie einer detaillierten Arbeitsplatzbeschreibung – beispielsweise eines Telearbeitsplatzes – Auswahlrichtlinien angenommen werden können. Das BAG verneint dies mit der Folge, dass dem Betriebsrat diesbezüglich nur das Initiativrecht aus § 93 BetrVG, nicht aber das Mitbestimmungsrecht aus § 95 BetrVG zusteht (BAG, Beschluss v. 31.1.1984, 1 ABR 63/81[3]).

 

Rz. 4

Auswahlrichtlinien sollen als Entscheidungshilfen dazu beitragen, eine personelle Einzelmaßnahme mehr oder minder vorherzubestimmen und diese damit zu objektivieren. Die Auswahlrichtlinie kann und muss nicht sämtliche bei einer Einzelmaßnahme in Betracht kommenden Gesichtspunkte berücksichtigen, sondern kann sich auf die von den Betriebspartnern für wichtig erachtenden Aspekte beschränken.

[1] Fitting, § 95 Rz. 6.
[2] BB 2006, 784.
[3] NZA 1984, 51.

2.2 Rechtliche Qualifizierung und Form

 

Rz. 5

Sofern Arbeitgeber und Betriebsrat eine schriftliche Regelung über Auswahlrichtlinien treffen, so erfolgt dies regelmäßig in Form einer Betriebsvereinbarung, die Abschluss- und Beendigungsnormen enthält. Zwingend ist dies nicht. Das Gesetz verlangt für die Auswahlrichtlinie keine Schriftform. Eine Auswahlrichtlinie kann auch dann vorliegen, wenn der Arbeitgeber seine Personalentscheidungen nach einem bestimmten Auswahlsystem trifft, ohne dieses explizit niederzulegen. Anderenfalls könnte der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 95 BetrVG leicht umgehen. Die Auswahlrichtlinie kann unabhängig davon auch einseitig vom Arbeitgeber erstellt werden, bedarf dann jedoch noch der Zustimmung des Betriebsrats. In dem Kontext gilt festzuhalten, dass die Regelungsgegenstände des § 95 Abs. 1 BetrVG eben teilbar sind, wie aus dem Wortlaut – Richtlinien – unmittelbar folgt. Daher kann der Arbeitgeber den Regelungsgegenstand auf eine Auswahlrichtlinie zur Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen beschränken. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung, wonach nur gleichzeitig über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen verhandelt werden kann. Die Forderung des Betriebsrats auf Vereinbarung einer umfassenden Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG führt daher auch nicht dazu, dass der Arbeitgeber von seinem eingeschränkten Verhandlungsgegenstand abrücken muss und sich nur noch umfassend über eine Auswahlrichtlinie mit dem Betriebsrat verständigen dürfte. Er ist nicht verpflichtet, vor der Anrufung einer Einigungsstelle zunächst über sämtliche Regelungsgegenstände des § 95 Abs. 1 BetrVG mit dem Betriebsrat in Verhandlungen zu treten, es andernfalls zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führen würde, wenn der Betriebsrat das Verfahren durch seine Forderung nach umfassenden Richtlinienverhandlungen in erheblichem Umfang ausweiten könnte (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 8.3.2012, 11 TaBV 5/12).

2.3 Inhalt der Auswahlrichtlinie

2.3.1 Grundsätze

 

Rz. 6

Im Rahmen des § 95 Abs. 1 BetrVG sind dem Inhalt einer Auswahlrichtlinie unter Berücksichtigung der allgemeinen Begriffsbestimmung keine wesentlichen Grenzen gesetzt. Im juristischen Schrifttum wird allenfalls die – im Ergebnis indes allein akademische – Frage erörtert, ob dem Arbeitgeber durch die Auswahlrichtlinie ein Ermessensspielraum für die von ihm in Aussicht genommene personelle Einzelmaßnahme verbleiben muss oder die Reduzierung des Auswahlermessens auf Null dem Richtliniencharakter zuwiderläuft. Die gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erzwingbare Richtlinie wird hinsichtlich der bei der Durchführung von Einstellungen, Versetzungen oder Umgruppierungen zu berücksichtigenden Auswahlgesichtspunkte dahin präzisiert, dass sie sich auf die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen sowie sozialen Gesichtspunkte erstrecken sollen (BAG, Beschlus...

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