Rz. 6

Nicht alle Versammlungen von Arbeitnehmern eines Betriebs sind Betriebsversammlungen. Insofern ist zu differenzieren:

1.2.1 Spontane Versammlungen

 

Rz. 7

Eine Betriebsversammlung liegt nur vor, wenn diese ordnungsgemäß einberufen wird (s. dazu Rz. 46 ff.). Die spontane Versammlung auf der Arbeitsstelle ist im Gesetz nicht vorgesehen. Bei ihr handelt es sich daher nicht um eine Betriebsversammlung. Meist wird es zu solchen Spontanversammlungen wegen eines konkreten Anlasses und um Protest zu äußern, kommen; in diesen Fällen stellt die Versammlung einen Streik dar.[1]

[1] Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 645.

1.2.2 Mitarbeiter-/Belegschaftsversammlung

 

Rz. 8

Nicht zu verwechseln ist die Betriebsversammlung zudem mit der Mitarbeiter-/Belegschaftsversammlung. Diese wird nicht vom Betriebsrat, sondern vom Arbeitgeber einberufen. Dazu ist er grundsätzlich befugt. Die Betriebsversammlung hingegen dient allein der Willensbildung der Belegschaft im Hinblick auf die Tätigkeit des Betriebsrats. Nur für Versammlungen mit einer derartigen Zielsetzung geben die Vorschriften der §§ 41-46, 129 Abs. 3 BetrVG einen Rahmen (BAG, Beschluss v. 27.6.1989, 1 ABR 28/88[1]). Sie enthalten jedoch keine abschließende Regelung für alle Arten von Versammlungen, die in einem Betrieb stattfinden können. Dem Betriebsrat ist in der Betriebsverfassung auch kein Monopol für die Einberufung und Leitung von Arbeitnehmerversammlungen über betriebliche Fragen eingeräumt worden (BAG, Beschluss v. 27.6.1989, 1 ABR 28/88[2]). Daher bleibt Raum auch für zusätzliche betriebliche Informationsveranstaltungen, mit denen sich der Arbeitgeber an die Belegschaftsangehörigen im Sinne von § 5 Abs. 1 BetrVG und an die übrigen im Betrieb Beschäftigten im Sinne von § 5 Abs. 2, 3 BetrVG wendet, auch wenn Zweck dieser Veranstaltungen die Unterrichtung der Mitarbeiter über Angelegenheiten ist, die ihr Arbeitsverhältnis und/oder den Betrieb betreffen (BAG, Beschluss v. 27.6.1989, 1 ABR 28/88[3]). Betriebsversammlung und Mitarbeiter-/Belegschaftsversammlung unterscheiden sich also – abgesehen davon, dass sie durch andere Personen/Organe einberufen werden – auch dadurch, dass sie auf einen anderen Inhalt abzielen.

 

Rz. 9

Der Arbeitgeber kann Belegschafts-/Mitarbeiterversammlungen nach Belieben einberufen und dort die Belegschaft über alle anstehenden betrieblichen Angelegenheiten informieren (BAG, Beschluss v. 27.6.1989, 1 ABR 28/88[4]). So kann der Arbeitgeber etwa einmal monatlich zu einer einstündigen Versammlung aller Arbeitnehmer auffordern, in der neue Mitarbeiter vorgestellt und aktuelle betriebliche Fragen besprochen werden (BAG, Beschluss v. 27.6.1989, 1 ABR 28/88[5]). Die Mitarbeiter-/Belegschaftsversammlung darf jedoch nicht auf Kosten der Betriebsversammlung gehen und zu einer reinen Gegenveranstaltung werden.[6] Dies wird in der Rechtsprechung etwa angenommen, wenn zu demselben Thema in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einer (freiwilligen) Betriebsversammlung eine Mitarbeiterversammlung anberaumt wird.[7]

[1] DB 1989, 2543.
[2] DB 1989, 2543.
[3] DB 1989, 2543.
[4] DB 1989, 2543; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 646.
[5] DB 1989, 2543.
[6] Löwisch, in: Löwisch/Kaiser, Bd. 1, § 42 BetrVG Rz. 2; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 646.

1.2.3 Versammlungen von bestimmten Personengruppen mit bestimmten persönlichen Merkmalen

 

Rz. 10

Ebenfalls keine Betriebsversammlungen sind Versammlungen von Arbeitnehmergruppen, die sich von anderen Arbeitnehmern durch persönliche Merkmale unterscheiden und sich als solche versammeln.[1] Als einzige Formen einer an persönlichen Merkmalen der Beteiligten orientierten Versammlung sind die Jugend- und Auszubildendenversammlung nach § 71 BetrVG und die Schwerbehindertenversammlung in § 178 Abs. 6 SGB IX normiert. Daraus folgt, dass eine Versammlung bestimmter Arbeitnehmergruppen des Betriebs, wenn diese nicht einen selbstständigen Betriebsteil i. S. d. § 42 Abs. 2 BetrVG bilden, vom Gesetzgeber nicht gewollt ist (LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 29.9.1983, 7 TaBV 12/82[2]). Der Betriebsrat hat daher nicht das Recht, alle Frauen, alle Angestellten, alle Arbeiter, alle ausländischen Arbeitnehmer usw. zu einer gemeinsamen Versammlung einzuberufen (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 29.9.1983, 7 TaBV 12/82[3]).

[1] Rieble, ArbuR 1995, 245, 247f.
[2] DB 1984, 409, 409f.
[3] DB 1984, 409, 409f.

1.2.4 Versammlungen in betriebsratslosen Betrieben

 

Rz. 11

Da die Betriebsversammlung allein der Willensbildung der Belegschaft im Hinblick auf die Tätigkeit des Betriebsrats dient, kann es in betriebsratslosen Betrieben keine Betriebsversammlungen i. S. v. §§ 42-46 BetrVG geben (vgl. BAG, Beschluss v. 16.1.2011, 7 ABR 28/10[1]). In diesen Betrieben haben die Arbeitnehmer kein gemeinsames Forum, um sich zu informieren oder ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen. Auch wenn in diesen Betrieben Gewerkschaftsmitglieder oder Arbeitnehmer auf Aufforderung der Gewerkschaft zu einer Versammlung aufrufen, handelt es sich nicht um eine Betriebsversammlung.[2]

[1] DB 2012, 582; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Band II, S. 645.
[2] Gam...

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