Rz. 51

Der Arbeitgeber kann während des Zustimmungsersetzungsverfahrens grundsätzlich noch neue Gründe vorbringen. Anders als beim Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG, können nicht nur solche Tatsachen nachgeschoben werden, die bei Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens bereits vorlagen, sondern vielmehr auch solche Umstände, die erst im Laufe des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss eintreten. Das Zustimmungsersetzungsverfahren bezieht sich nämlich nicht auf einen bereits abgeschlossenen Tatbestand, sondern auf eine erst zukünftig auszusprechende Kündigung.[1] Auch können bei Einleitung des Verfahrens vorliegende Tatsachen ohne Rücksicht darauf nachgeschoben werden, ob sie dem Arbeitgeber bekannt waren oder nicht. Der Zweck des Zustimmungsersetzungsverfahrens, die Unbefangenheit der Amtsführung durch den Schutz vor unberechtigten Kündigungen zu gewährleisten, wird durch das nachträgliche Vorbringen weiterer Kündigungsgründe nicht beeinträchtigt. Der Betriebsrat bleibt nach wie vor frei, über seine Zustimmung zu entscheiden und die Wirksamkeit einer Kündigung zu verhindern. Da das gerichtliche Verfahren grundsätzlich nur im Fall der Zustimmungsverweigerung einzuleiten ist, mithin dem betrieblichen Zustimmungsverfahren nachgeordnet ist, muss der Arbeitgeber aber den Betriebsrat zuvor Gelegenheit geben, seine Stellungnahme im Licht der neuen Tatsachen zu überprüfen.[2] Die neuen Gründe müssen nicht innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntwerden in das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren eingeführt werden. Der Zweck der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, alsbald Klärung darüber zu schaffen, ob wegen eines bestimmten Vorfalls außerordentlich gekündigt werden soll, ist bei einem anhängigen Beschlussverfahren auf Zustimmungsersetzung mit der rechtzeitigen Beteiligung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG erfüllt. Der zu kündigende Arbeitnehmer kann dann nicht mehr annehmen, der Arbeitgeber werde seine Kündigung nicht auf einen zunächst nicht genannten oder unbekannten Grund stützen.[3]

Die Behandlung neuer Gründe durch den Betriebsrat wird nicht dadurch ersetzt, dass der Vorsitzende des Betriebsrats durch Teilnahme am Beschlussverfahren davon erfährt.[4]

[1] DKKW/Bachner, § 103 Rz. 41; Fitting, § 103 Rz. 42.
[3] Stege/Weinspach/Kiefer, § 103 Rz. 15; a. A. KR/Etzel, § 103 BetrVG Rz. 124; DKKW/Bachner, § 103 Rz. 41; Richardi/Thüsing, § 103 Rz. 72.

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