Rz. 2

Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung, so kann er die ersten Planungsschritte zunächst intern vollziehen. Vor der definitiven Festlegung und der Umsetzung der Maßnahme hat er jedoch nach § 111 BetrVG den Betriebsrat umfassend über das Vorhaben zu informieren. Das Gesetz sieht weitere Informationspflichten vor (weiter dazu Rz. 136). Insbesondere muss der Arbeitgeber den Wirtschaftsausschuss nach § 106 Abs. 1 und Abs. 3 BetrVG und gegebenenfalls auch den Sprecherausschuss der leitenden Angestellten nach § 32 Abs. 2 SprAuG (Sprecherausschussgesetz) informieren und bei Massenentlassungen auch das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchführen. Regelmäßig kann die Unternehmensleitung in Kapitalgesellschaften eine größere Betriebsänderung auch nicht ohne Beschluss des Aufsichtsgremiums fassen, sodass beispielsweise in Aktiengesellschaften auch der Aufsichtsrat zu informieren ist und über die Angelegenheit zu beschließen hat. Auch ohne gesetzliche Regelung empfiehlt sich ferner die Information der betroffenen Arbeitnehmer.

Nach der Information hat der Arbeitgeber die Betriebsänderung mit dem Betriebsrat zu beraten. "Beratung" bedeutet, dass über einen Interessenausgleich und über einen Sozialplan verhandelt wird. Nach der gesetzlichen Konzeption sollte die Einigung über den Interessenausgleich den Verhandlungen und der Einigung über den Sozialplan vorausgehen. In der Praxis verknüpft aber insbesondere der Betriebsrat häufig beide Beratungsgegenstände. Dies ist zulässig, auch wenn der Betriebsrat damit den Arbeitgeber und Druck setzen will und kann, höhere Mittel für den Sozialplan zur Verfügung zu stellen, weil der Arbeitgeber im Hinblick auf die Sanktion des § 113 Abs. 3 BetrVG faktisch mit der Betriebsänderung vor der Vereinbarung eines Interessenausgleichs nicht beginnen kann. In der Fachliteratur wird teilweise vertreten, der Arbeitgeber könne mit der Umsetzung der Maßnahme beginnen, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zum Interessenausgleich nur deswegen verweigert, um höhere Abfindungen zu erzielen.[1] Für die Praxis ist vor einem solchen Vorgehen zu warnen, weil die Auffassung nicht durch Rechtsprechung gedeckt ist und der Arbeitgeber Gefahr läuft, dass ihm durch einstweilige Verfügung auf Betreiben des Betriebsrats die Durchführung der Maßnahme einstweilen untersagt wird[2] oder zumindest die Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG geltend machen.

Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf einen Interessenausgleich und/oder einen Sozialplan einigen, sieht das Gesetz verschiedene – unterschiedliche – Schlichtungsverfahren vor: Hinsichtlich (nur) des Interessenausgleichs kann der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (oder ein von ihm betrauter Bediensteter) nach § 112 Abs. 2 BetrVG angerufen werden; hiervon wird in der Praxis so gut wie nie Gebrauch gemacht. Hierzu besteht auch keine Verpflichtung.

Sowohl wegen eines Interessenausgleichs als auch wegen eines Sozialplans kann die Einigungsstelle angerufen werden. Einen Spruch gegen die Stimmen der Arbeitgeber- oder der Betriebsratsseite kann die Einigungsstelle allerdings nur über den Sozialplan fällen. Die Befassung der Einigungsstelle ist (auch) für den Arbeitgeber regelmäßig wichtig, da er Abfindungszahlungen (vor allem) an gekündigte Arbeitnehmer nach § 113 BetrVG nur vermeiden kann, wenn in der Einigungsstelle ein Einigungsversuch über einen Interessenausgleich gestartet wurde. Nur wenn er den Interessenausgleich mit dem Betriebsrat vor der Einigungsstelle verhandelt hat, hat der Arbeitgeber eine Einigung im Sinne von § 113 Abs. 3 BetrVG "versucht".

Sowohl wegen eines Interessenausgleichs als auch wegen eines Sozialplans kann die Einigungsstelle angerufen werden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens zeigt sich dann aber ein gravierender Unterschied zwischen Interessenausgleich und Sozialplan: Bezüglich des Interessenausgleichs hat die Einigungsstelle keine Befugnis, diesen durch einen Spruch zu beschließen. Insoweit hat der Betriebsrat auch kein echtes Mitbestimmungsrecht über die Aufstellung des Interessenausgleichs. Einen gegebenenfalls streitigen Spruch kann die Einigungsstelle nur über den Sozialplan fällen (§ 112 Abs. 4 BetrVG). Bezüglich der Aufstellung des Sozialplans hat der Betriebsrat folglich ein echtes Mitbestimmungsrecht, das allerdings durch die Regelungen des § 112a BetrVG teilweise eingeschränkt wird. Gleichwohl hat auch der Arbeitgeber ein Interesse daran, dass die Einigungsstelle über den Interessenausgleich verhandelt. Der Sanktion des Nachteilsausgleichs nach § 113 Abs. 3 BetrVG kann der Arbeitgeber nämlich nur entgehen, wenn er einen Interessenausgleich versucht hat. Das wiederum ist nur dann der Fall, wenn er wenigstens in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich vor der Einigungsstelle geführt hat.[3]

[1] Richardi/Annuß, § 112 BetrVG Rz. 24.
[2] Siehe hierzu unten Rz. 20.
[3] Zu den Einzelheiten siehe die Kommentierung zu § 113 BetrVG.

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