Rz. 35

Erklärt der Arbeitnehmer form- und fristgerecht, dass er das Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber trotz rechtskräftigem Obsiegen im Kündigungsschutzprozess nicht fortsetzen will, endet das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Erklärung beim alten Arbeitgeber (§ 12 Satz 3 KSchG). Der Arbeitnehmer hat damit einen Vergütungsanspruch bis zu diesem Zeitpunkt, ggf. unter Anrechnung eines etwaigen Zwischenverdienstes nach § 11 KSchG (§ 12 Satz 5 KSchG[1]).

 

Rz. 36

Hat der Arbeitnehmer aber bereits vor Rechtskraft des Urteils ein neues Arbeitsverhältnis begonnen, beschränkt sich der Vergütungsanspruch in Modifizierung von § 615 Satz 1 BGB auf die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tage des (tatsächlichen) Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis (§ 12 Satz 4 KSchG). Verdient der Arbeitnehmer in dem neuen Arbeitsverhältnis weniger, kann er deshalb den im Zeitraum zwischen dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses und der Beendigung des alten durch den Zugang der Nichtfortsetzungserklärung erlittenen Einnahmeausfall nicht gegenüber dem alten Arbeitgeber geltend machen. Nur für diese Zeit kommt dann allerdings auch eine Anrechnung anderweitigen Arbeitsverdienstes in Betracht.[2] Die weitergehende Anrechnungsregelung des § 615 Satz 2 BGB ist insoweit ausgeschlossen.[3]

 

Rz. 37

Bei der durch § 12 Satz 4 KSchG angeordneten Beschränkung des Lohnfortzahlungsanspruchs auf die Zeit bis zum Antritt des neuen Arbeitsverhältnisses handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift von der Grundnorm des § 615 BGB. Deshalb gilt die Beschränkung nicht entsprechend, wenn der Arbeitnehmer von dem Wahlrecht des § 12 Satz 1 KSchG keinen Gebrauch macht, sondern sich erst nach Ablauf der einwöchigen Erklärungsfrist von dem alten Arbeitsverhältnis löst, z. B. durch ordentliche Kündigung oder Aufhebungsvertrag. Eine entsprechende Anwendung setzte eine "planwidrige" Unvollständigkeit des Gesetzes voraus; daran fehlt es aber.[4] Macht der Arbeitnehmer von dem gesetzlichen Wahlrecht des § 12 Satz 1 KSchG keinen Gebrauch, so bestimmen sich die Rechtsfolgen für die Vergütungsansprüche gegen den alten Arbeitgeber nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 615, 293 ff. BGB. Da das alte Arbeitsverhältnis fortbesteht, kann der Arbeitnehmer grds. Lohnfortzahlung bis zur anderweitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers oder Auflösungsvertrag verlangen. Er behält seinen Vergütungsanspruch aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 BGB.[5]

 
Hinweis

Ist der Arbeitgeber nach einer unwirksamen Kündigungserklärung in Annahmeverzug geraten, muss er, um den Annahmeverzug zu beenden, den Arbeitnehmer zur Arbeit auffordern. Die Erledigung des Rechtsstreits ändert daran nichts. Auch in diesem Fall ist der Arbeitnehmer grds. nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft von sich aus anzubieten. Da der Arbeitgeber mit der unwirksamen Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer den entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht hat, kann der Arbeitnehmer regelmäßig eine Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers abwarten. Einer solchen Aufforderung bedarf es in jedem Fall, wenn für den Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wann und wo er die Arbeit wieder aufnehmen soll.

Nimmt der Arbeitnehmer die Arbeit trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder auf, endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers, weil dann regelmäßig vom Fehlen des Leistungswillens des Arbeitnehmers auszugehen ist. Hinsichtlich der Aufforderung, die Arbeit aufzunehmen, braucht der Arbeitgeber keine "Ankündigungsfrist" einzuhalten.[6]

[1] Hierzu Rambach, § 11 Rz. 15.
[2] BAG, Urteil v. 19.7.1978, 5 AZR 748/77, NJW 1979, 285; zum Umfang der Anrechnung vgl. Rambach, § 11 Rz. 15-25.
[3] KR/Spilger, § 12 KSchG Rz. 36; ErfK/Kiel, § 12 KSchG Rz. 6.
[5] KR/Spilger, § 12 KSchG Rz. 38.
[6] BAG, Urteil v. 19.1.2016, 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144, Rz. 34 f.

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