2.1 Höchstgrenzen

 

Rz. 3

Die Höhe der als angemessen festzusetzenden Abfindung wird in § 10 Abs. 1, 2 KSchG begrenzt. Als normale Höchstgrenze gibt § 10 Abs. 1 KSchG 12 Monatsverdienste vor. Diese Höchstgrenze von 12 Monatsverdiensten erhöht sich in Abhängigkeit von Lebensalter und längerer Betriebszugehörigkeit nach folgender Tabelle:

 
Höchstgrenzen in Abhängigkeit von Lebensalter und Beschäftigungsdauer
  Alter Betriebszugehörigkeit Maximale Abfindung

Grundregel

§ 10 Abs. 1 KSchG
– unabhängig – – unabhängig – 12 Monatsverdienste

§ 10 Abs. 2 Satz 1

1. Alt. KSchG
ab 50. Lebensjahr und mindestens 15 Jahre 15 Monatsverdienste

§ 10 Abs. 2 Satz 1

2. Alt. KSchG
ab 55. Lebensjahr und mindestens 20 Jahre 18 Monatsverdienste
§ 10 Abs. 2 Satz 2 KSchG ab Regelaltersgrenze nach SGB VI – unabhängig – 12 Monatsverdienste
 

Rz. 4

Nach der Sonderregelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 KSchG kommt es zu keiner Erhöhung der Höchstgrenze, wenn der Arbeitnehmer im Auflösungszeitpunkt die Regelaltersgrenze nach § 35 SGB VI erreicht hat (Vollendung des 67. Lebensjahres ab Geburtsjahr 1964, zuvor nach § 235 Abs. 2 SGB VI ab Jahrgang 1947 ausgehend vom 65. Lebensjahr stufenweise ansteigend). 2024 liegt die Regelaltersgrenze bei 66 Jahren. Die Regelaltersgrenze gilt unabhängig davon, ob die nach § 35 Nr. 2 SGB VI vorgeschriebene Wartezeit erfüllt ist und unabhängig von der Höhe der Altersrente[1], die ein Arbeitnehmer erhält. Die Regelaltersgrenze gilt auch dann, wenn ein früherer Altersrentenbezug möglich ist.

 

Rz. 5

Bei Alter und Betriebszugehörigkeit ist ausschlaggebend auf den Auflösungszeitpunkt abzustellen, d. h. bei der ordentlichen Kündigung auf den letzten Tag der Kündigungsfrist, bei der außerordentlichen Kündigung auf den Zugang der Kündigung.

 

Rz. 6

Zur Berechnung der Beschäftigungsdauer im Unternehmen kann auf die Grundsätze zur Berechnung der Wartezeit nach § 1 KSchG zurückgegriffen werden.[2] Nach diesen Grundsätzen bestimmt sich auch, ob und welche Vorbeschäftigungszeiten bei einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses anzurechnen sind.[3] Einzelvertragliche oder tarifvertragliche Bestimmungen zur Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten sind zu berücksichtigen.

[1] KR/Spilger, 13. Aufl. 2022, § 10 KSchG, Rz. 49; APS/Biebl, 6. Aufl. 2021, § 10 KSchG, Rz. 10, die insoweit die Vorschrift für zumindest rechtspolitisch bedenklich halten.
[2] KR/Spilger, § 10 KSchG, Rz. 53; Löwisch/Schlünder/Spinner/Wertheimer, KSchG, 11. Aufl. 2018, § 10 KSchG, Rz. 7; s. hierzu Gabrys, § 1 Rz. 221.
[3] Hierzu Gabrys, § 1 Rz. 231.

2.2 Monatsverdienst

 

Rz. 7

Der Monatsverdienst bestimmt sich gemäß § 10 Abs. 3 KSchG nach den regelmäßigen Bruttobezügen in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet.

 

Rz. 8

Abzustellen ist auf die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des gekündigten Arbeitnehmers. Bei Teilzeitkräften ist auf deren regelmäßige Arbeitszeit abzustellen. Unregelmäßige Schwankungen der Arbeitszeit wie Kurzarbeit oder Überstunden sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, ein Arbeitnehmer hat zuvor regelmäßig Überstunden geleistet. Entscheidend ist der Verdienst im letzten Kalendermonat vor dem Ausscheiden. Liegt der Auflösungszeitpunkt innerhalb des Kalendermonats, ist der Monatsverdienst hochzurechnen, so z. B. bei einer Auflösung zum 15. eines Monats.

 

Rz. 9

Kommt es bei Stundenlohnvergütung durch unterschiedliche Arbeitsstunden im Kalendermonat zu Schwankungen, kann dies bei der Höhe der angemessenen Abfindung berücksichtigt werden.[1] Die Höchstgrenzen berechnen sich jedoch nach dem letzten Kalendermonat. Dies gilt auch bei einem Wechsel von Vollzeit in Teilzeit oder umgekehrt.

 

Rz. 10

Da auf die regelmäßige Arbeitszeit abgestellt wird, ist die tatsächliche Beschäftigung nicht ausschlaggebend, auch nicht Verdienstminderungen als Folge von Krankheit oder Urlaub. Die Vergütung ist nach allgemeiner Auffassung so zu berechnen, als ob der Arbeitnehmer gearbeitet hätte.[2]

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitsverhältnis wird am 31.10. fristlos und hilfsweise ordentlich zum 30.11. gekündigt. Die Auflösung erfolgt zum 30.11. Es ist auf die Vergütung abzustellen, die dem Arbeitnehmer im Monat November bei tatsächlicher Arbeit innerhalb der regelmäßigen Arbeit zustehen würde.

Diese Berechnung entspricht dem modifizierten Entgeltausfallprinzip des § 4 Abs. 1, 2 EFZG, sodass insoweit auf die umfangreiche Rechtsprechung zu § 4 EFZG zurückgegriffen werden kann.

 

Rz. 11

Einzubeziehen in die Berechnung sind alle Bestandteile des Arbeitsentgelts mit Entgeltcharakter. Hierzu gehören Lohn oder Gehalt, Zulagen und Zuschläge. Sachbezüge sind nach nahezu allgemeiner Meinung mit ihrem Marktwert zu berücksichtigen und nicht nach den Sätzen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherungsträger.[3] Dies erscheint im Hinblick auf die Entscheidung des BAG[4] gleichwohl fraglich: Wird beim unberechtigten Entzug eines Dienstfahrzeugs auch zur Privatnutzung eine Schadensberechnung nach der lohnsteuerrechtlichen Vorteilsermittlung i. d. R. akzeptiert, sollte dieser Wert als Nutzungswert auch bei § 10 KSchG herangezogen werden können.[5]

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