9.2.2.5.1 Allgemeines

 

Rz. 173

Unter bestimmten Voraussetzungen ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine Nebentätigkeit zu unterlassen. Die Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag sind zeitlich und inhaltlich grundsätzlich auf das Arbeitsverhältnis beschränkt. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich, also bereits ohne besondere Erlaubnis, zur Aufnahme von Nebentätigkeiten berechtigt ist, denn eine Nebentätigkeit ist definitionsgemäß diejenige Tätigkeit, in der ein Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb seines (Haupt-) Arbeitsverhältnisses zur Verfügung stellt.[1] Die grundsätzliche Zulässigkeit der Nebentätigkeit beruht – sofern sie beruflicher Natur ist – ebenfalls auf dem Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG, wonach der Arbeitnehmer auch befugt ist, seine Arbeitskraft außerhalb der Arbeitszeit zu verwerten.[2] Bei nichtberuflichen Tätigkeiten gewährt Art. 2 Abs. 1 GG Schutz. Auch ohne eine besondere Vereinbarung oder Regelung ist jedoch eine solche Nebentätigkeit ausgeschlossen, wenn diese negativ auf die Erbringung der Arbeitsleistung im Hauptarbeitsverhältnis zurückwirkt und so zu einer Verletzung dieser Arbeitspflicht führt.[3]

[1] Schliemann in ArbR-BGB, § 611 BGB, Rz. 715.
[2] BVerfG, Beschluss v. 25.11.1980, 2 BvL 7/76, NJW 1981, 971; BAG, Urteil v. 25.7.1996, 6 AZR 683/95, NZA 1997, 320.
[3] Reichold in MünchArbR, § 55, Rz. 50.

9.2.2.5.2 Begrenzender Rahmen für die Nebentätigkeit

 

Rz. 174

Eine gesetzliche Grenze für die Aufnahme einer Nebentätigkeit folgt aus den zeitlichen Höchstgrenzen für die Arbeitsleistung nach den zwingenden Vorschriften des ArbZG. Nach § 8 BUrlG darf der Arbeitnehmer keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Aufgrund der Vertragsfreiheit sind die Parteien des Arbeitsvertrags berechtigt, das Recht des Arbeitnehmers zur Aufnahme einer Nebentätigkeit einzelvertraglich zu begrenzen oder auszuschließen. Allerdings setzt wiederum die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers der freien Vereinbarkeit Grenzen. Gleiches gilt für tarifliche Regelungen über Nebentätigkeiten, die Arbeitsbedingungen i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG betreffen. Ob ein Nebentätigkeitsverbot aufgrund einer BV bestehen kann, ist umstritten, im Ergebnis jedoch zuzulassen.[1]

[1] Rolfs in Preis, Der Arbeitsvertrag, II N 10, Rz. 3f.; Preis in ErfK, § 611 BGB, Rz. 728; darüber Reichold in MünchArbR, § 55, Rz. 53.

9.2.2.5.3 Wirksamkeitsvoraussetzung

 

Rz. 175

Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Nebentätigkeitsverbots ist stets, dass der mit einer Begrenzung der Nebentätigkeit verbundene grundrechtliche Eingriff durch das mit der Beschränkung bezweckte Ziel gerechtfertigt wird; insbesondere muss die Erreichung des Zwecks verhältnismäßig sein.[1] Zumeist wird formuliert, ein vertragliches Nebentätigkeitsverbot sei wirksam, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran hat.[2] Dieser Begriff ist allerdings, um der Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG hinreichend Rechnung zu tragen, in Anbetracht der hohen Erfordernisse an die Rechtfertigung entsprechender Eingriffe zu interpretieren, weshalb für ein Nebentätigkeitsverbot nicht bereits ausreichend ist, dass beliebige betriebliche Belange berührt sein können.[3] Dem Arbeitgeber ist kein Ermessensspielraum bei Erteilung oder Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt, vielmehr besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn nicht ein Versagungsgrund wegen einer zu befürchtenden Beeinträchtigung betrieblicher oder dienstlicher Interessen vorliegt.[4] Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit dadurch dessen Interessen bedroht sind.[5]

 

Rz. 176

Regelungen über eine Nebentätigkeit können einen unterschiedlichen Umfang haben. Berechtigte Interessen des Arbeitgebers sind bedroht, wenn die Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbar ist und die Ausübung der Nebentätigkeit somit eine Verletzung der Arbeitspflicht darstellt.[6]

 
Praxis-Beispiel

Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer trotz Aufforderung des Arbeitgebers über Jahre hinweg Angaben über einen Teil seiner erheblichen Nebentätigkeiten völlig verweigert und er über einen anderen Teil zum Umfang seiner arbeitsmäßigen Beanspruchung keine Auskunft gibt.[7]

[1] Dazu Reichold in MünchArbR, § 55, Rz. 59.
[2] BAG, Urteil v. 26.8.1976, 2 AZR 377/75, AP BGB § 626 Nr. 68 m. Anm. Löwisch; Linck in Schaub, ArbRHdb, § 42 Rz. 10.
[3] BAG, Urteil v. 3.12.1970, 2 AZR 110/70, AP BGB § 626 Nr. 60 m. Anm. A. Hueck.
[5] BAG, Urteil v. 18.1.1996, 6 AZR 314/95, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25.
[6] BAG, Urteil v. 18.1.1996, 6 AZR 314/95, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25.
[7] BAG, Urteil v. 18.1.1996, 6 AZR 314/95, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25.

9.2.2.5.4 Folgen einer pflichtwidrigen Nebentätigkeit

 

Rz. 177

Verstößt der Arbeitnehmer gegen seine Verpflichtung zur vorherigen Einholung der Nebentätigkeitsgenehmigung, so ist eine Abmahnung auch dann berechtigt, wenn er Anspruch auf deren Erteilung hat.[1] Die Ausübung einer Nebentätigkeit kann eine Künd...

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