9.1.1 Allgemeine Grundlagen der Arbeitspflicht

 

Rz. 132

Grundlage der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung ist der Arbeitsvertrag, der vertragstypische Verpflichtungen i. S. v. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB begründet. Die Arbeitspflicht ist die dem Arbeitnehmer obliegende Hauptpflicht. Wie in Zusammenschau mit § 611a Abs. 2 BGB hervorgeht, steht sie im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung. Wegen dieses synallagmatischen Charakters der Arbeitspflicht finden im Grundsatz auch die §§ 320 ff. BGB auf sie Anwendung.[1] Eine Besonderheit des Dienst- wie des Arbeitsvertrags besteht darin, dass es sich dabei um einen unvollständigen Vertrag handelt,[2], d. h. die im Rahmen des Vertrags zu erbringenden Leistungen stehen bei Vertragsschluss noch nicht fest, sondern der Vertrag bedarf erst noch während seiner Dauer der Ausfüllung mit Einzelnen, im Vorhinein nicht erschöpfend benennbaren Leistungen. Dies bedingt, dass andere, außerhalb des Arbeitsvertrags bestehende Regeln auf ihn einwirken. Demgemäß werden die im Rahmen des Arbeitsvertrags getroffenen Abmachungen durch Bestimmungen nach Maßgabe anderer Rechtsquellen (wie Gesetz, VO, TV, BV, aber auch betriebliche Übung, allgemeine Arbeitsbedingungen, Gesamtzusage und Ähnliches) verdrängt, überlagert, modifiziert, ergänzt oder ausgefüllt. Auch das Transparenzgebot verlangt vom Arbeitgeber nicht, alle möglichen Konkretisierungen der Arbeitspflicht und des Weisungsrechts ausdrücklich zu regeln. Vielmehr ist das Weisungsrecht gem. § 106 GewO Ausfluss und Folge der vertraglichen Festlegung der Arbeitspflicht.[3]

[1] Vgl. Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 639.
[2] Vgl. auch Schliemann in ArbR-BGB, § 611 BGB, Rz. 556, 568.

9.1.2 Inhalt der Arbeitspflicht

 

Rz. 133

§ 611 Abs. 2 BGB besagt, dass Gegenstand des Dienstvertrags "Dienste jeder Art" sein können. Dies gilt gleichermaßen für den Arbeitsvertrag, wenn auch dahingehend eingeschränkt, dass es sich um Dienste in Abhängigkeit von einem anderen, dem Arbeitgeber, handeln muss. Hinsichtlich der Art der in einem Arbeitsvertrag zu vereinbarenden Leistung besagt § 611 Abs. 2 BGB lediglich, dass es im Grundsatz keine Einschränkungen gibt. Grenzen können sich allerdings aus allgemeinen Regelungen ergeben, so z. B. zunächst aus den gesetzlichen Regelungen wie den zumindest einseitig zwingenden öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften, ferner aus §§ 134, 138 und 242 BGB. Bei Auszubildenden ist die Einschränkung des § 14 Abs. 3 BBiG zu beachten, sowie bei werdenden Müttern § 11 MuSchG. Im Allgemeinen folgt die Art der zu verrichtenden Arbeit aus dem Inhalt des Arbeitsvertrags. Dieser hat zumindest "eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit" zu enthalten.[1] Wegen seines notwendig unvollständigen Charakters bedarf es jedoch zur Bestimmung der konkret von dem Arbeitnehmer zu verrichtenden Arbeit zumeist weiterer Rechtsquellen. Zunächst ist jedoch der Arbeitsvertrag auszulegen, und zwar erläuternd, denn eine ergänzende Auslegung kommt erst in Betracht, nachdem festgestellt ist, dass andere, die Arbeitsleistung beeinflussende Normen wie TV, BV u. Ä. die Lücke nicht zu schließen vermögen. Die Auslegung erfolgt gem. §§ 133, 157 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte. Statt bzw. neben der Verkehrssitte sind im Arbeitsverhältnis eine bestehende betriebliche oder branchenspezifische Übung zu berücksichtigen.[2]

 

Rz. 134

Die Festlegung der Art der zu verrichtenden Tätigkeit kann auch konkludent erfolgen, so wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer faktisch einen Arbeitsplatz mit bestimmten Tätigkeitsmerkmalen zuweist und der Arbeitnehmer dies befolgt.[3] Die konkludente Festlegung der Arbeitsleistung muss abgegrenzt werden von der Festlegung durch Ausübung des Direktionsrechts, weil für Letztere durch § 106 GewO eine besondere Schranke errichtet wird. Maßgeblich ist, ob den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitnehmer sein Einverständnis (auch konkludent) erklärt hat oder ob er ohne (nicht notwendig gegen) dieses die Festlegung der Arbeitsleistung für verbindlich hält. Das Arbeitsverhältnis kann sich ferner dahingehend konkretisieren, dass eine bestimmte Tätigkeit künftig den alleinigen Vertragsinhalt bildet.[4]

 

Rz. 135

Des Weiteren sind Bestimmungen in TV oder BV, soweit diese die Art der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Tätigkeit betreffen, zu beachten.[5] TV können innerhalb festgelegter Vergütungsgruppen bestimmte Tätigkeitsmerkmale vorsehen. Bei Einstufung in eine gewisse Vergütungsgruppe hat der Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Vereinbarungen i. d. R. alle darin genannten Tätigkeiten zu übernehmen, sofern sie seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm die Tätigkeit auch im Übrigen billigerweise zugemutet werden kann.[6] Der Arbeitnehmer hat umgekehrt einen Anspruch darauf, dass ihm nur solche Arbeiten zugewiesen werden, die den Merkmalen der Vergütungsgruppe entsprechen.[7] Im Übrigen wird innerhalb de...

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