Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Verletzung von Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung. Bewerbungsbemühungen. nur eingeschränkte Übernahme von Bewerbungskosten aus dem Vermittlungsbudget. Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung. keine angemessene Gegenleistung

 

Leitsatz (amtlich)

In einer Eingliederungsvereinbarung stehen die Pflichten des Leistungsberechtigten und die Unterstützungsleistungen des Leistungsträgers in keinem adäquaten Gegenseitigkeitsverhältnis, wenn sich der Leistungsberechtigte verpflichtet, sich um eine konkrete Zahl zumutbarer Beschäftigungsverhältnisse (hier: "auch befristet, Teilzeit, geringfügig, initiativ") zu bewerben, der Leistungsträger die Erstattung von Bewerbungskosten aber auf eine geringere Zahl von schriftlichen Initiativbewerbungen beschränkt und die Erstattungsfähigkeit für Bewerbungen auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gänzlich ausschließt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Juli 2017 sowie der Bescheid des Beklagten vom 17. Juli 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26. September 2013 aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die Herabsetzung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Sanktion) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die 1962 geborene und im Dezember 2000 nach Deutschland umgesiedelte Klägerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie erwarb im Jahr 2009 ein Zertifikat als Pflegeassistentin und war zeitweise als Reinigungskraft geringfügig beschäftigt.

Am 28. August 2012 schloss die beim Beklagten im Leistungsbezug stehende Klägerin mit ihm eine Eingliederungsvereinbarung für den Zeitraum vom 28. August 2012 bis zum 27. Februar 2013. In Punkt IV. (Leistungen des Kommunalen Jobcenters) ist unter Nr. 3. festgelegt:

"Bewerbungsbemühungen werden durch finanzielle Leistungen nach Maßgabe des § 44 SGB III unterstützt. Die Gewährung von Bewerbungskosten erfolgt pauschal mit 5,00 Euro für stellenbezogene schriftliche Bewerbungen wie unter Punkt V. Bewerbungsbemühungen vereinbart wird. Für telefonische und persönliche Bewerbungen werden keine Bewerbungskosten erstattet."

Unter Punkt V. (Pflichten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten) wird vereinbart, dass sich die Klägerin dreimal je Monat bewirbt. Die Verpflichtung wird unter anderem wie folgt konkretisiert:

"Im Zeitraum vom 28.08.2012 bis 27.02.2013 bewirbt sich Frau A.... mindestens 3-mal im Monat (in dem Zeitraum also insgesamt 18-mal) um zumutbare Beschäftigungsverhältnisse (auch befristet, Teilzeit, geringfügig, initiativ) die ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen …".

Im Weiteren heißt es:

"Für schriftliche Initiativbewerbungen werden Bewerbungskosten für höchstens 6 Stück übernommen." sowie: "Für Bewerbungen auf geringfügige Beschäftigungen (monatl. Verdienst bis 400,00 Euro brutto) können keine Bewerbungskosten erstattet werden.".

Am 28. Februar 2013 legte die Klägerin bei dem Beklagten die Dokumentationsliste ihrer Bewerbungsaktivitäten im Zeitraum vom 28. August 2012 bis zum 27. Februar 2013 vor. Danach hatte sie sich auf insgesamt zwölf Stellen, darunter im Januar 2013 auf zwei Stellen (am 27. Januar 2013) und im Februar 2013 nochmals auf zwei Stellen (am 21. Februar 2013) beworben.

Am 18. Juni 2013 erschien die Klägerin zu einem Beratungsgespräch bei dem Beklagten. Nach dem darüber gefertigten Vermerk wurde sie auf das Fehlen von Nachweisen (Bewerbungsanschreiben) sowie die Nichterfüllung der Bewerbungsanzahl (18) im Vertragszeitraum angesprochen. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass sie keine Kopien gefertigt habe und davon ausgegangen sei, dass sie sich zweimal im Monat bewerben müsse.

Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 19. Juni 2013 minderte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Juli 2013 unter Verweis auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II die Leistungen der Klägerin um 30 Prozent des Regelbedarfes (= 103,50 EUR monatlich) für drei Monate. Dies betreffe den Zeitraum vom 1. August 2013 bis zum 31. Oktober 2013.

Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2013 zurück. Die Klägerin habe zu insgesamt zwölf Bewerbungsbemühungen durch Vorlage von Stellenangebotsausdrucken, Zeitungsinseraten und verschiedenen Postbelegen Nachweise vorgelegt. Kopien von Bewerbungsschreiben oder Sendenachweise für Onlinebewerbungen habe sie entgegen einer Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung nicht beigebracht. Es sei insbesondere zu beachten, dass nach der Anzahl und der Art der Bewerbungen keine besonderen Anstrengungen abverlangt worden seien. Die Rückäußerung der Klägerin im Rahmen der Anhörung hätten den Vorwurf eines Pflichtverstoßes nicht entkräften können.

Die Klage vom 29. Oktober 2013 h...

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