Entscheidungsstichwort (Thema)

nachträgliche Zulassung von Kündigungsschutzklage. Vertreterverschulden. Verhältnis zwischen Prozessvertreter der DGB Rechtsschutz GmbH und der rechtsschutzgewährenden Einzelgewerkschaften

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitnehmer muss sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Klagefrist i. S. § 5 KschG, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

2. Sofern im Hinblick auf die Bewilligung von Rechtsschutz in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten einerseits und die Prozessführung vor den Arbeitsgerichten andererseits eine arbeitsteilig verabredete Organisation zwischen einer Einzelgewerkschaft und der DGB Rechtschutz GmbH besteht, kann sich letztere als Prozessvertreter nicht ohne weiteres dadurch entlasten, dass Mängel bei Erhebung einer Kündigungsschutzklage in der Sphäre der Einzelgewerkschaft aufgetreten sind.

 

Normenkette

KschG § 5 Abs. 1; ZPO § 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Aktenzeichen 14 Ca 9883/99)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dresden vom 14.03.2000 – 14 Ca 9883/99 – wird

zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im vorliegenden Rechtsstreit um die Wirksamkeit zweier fristloser, jeweils hilfsweise ausgesprochener Kündigungen vom 10.12.1999, spätestens zugegangen am 19.12.1999, und vom 20.12.1999, zugegangen am gleichen Tage. Hinsichtlich der Erstkündigung war vorab über die Frage der nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage zu entscheiden.

Der Kläger ist seit dem 15.04.1994 bei der Beklagten, die mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden, beschäftigt, als Sanitärinstallateur tätig, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.100,00 DM.

Die mit Schriftsatz vom 10.12.1999 durch die Beklagte ausgefertigte außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung zum 28.02.2000 ging dem Kläger, einhergehend mit der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in einem anderen Rechtsstreit durch Niederlegung zu. Er holte sie jedenfalls vor dem 20.12.1999 vom Postamt ab. Am 20.12.1999 erhielt der Kläger eine weitere mit Schreiben vom 20.12.1999 ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung mit vorsorglich ordentlicher Kündigung zum 29.02.2000.

Am Folgetage, der 21.12.1999, suchte der Kläger zwecks Gewährung von Rechtsschutz gegen die Kündigungen die IG Metall, Verwaltungsstelle D. auf, deren Mitglied er ist. Zuständig an diesem Tage war Herr F. als Berater für die Gewährung von Rechtsschutz. Es handelt sich bei seiner Person um einen Altersrentner ohne juristische Ausbildung, der zuletzt freigestelltes Betriebsratsmitglied gewesen ist. Im Rahmen dieser Funktion hat er auch Schulungen wahrgenommen. Der Kläger legte im Beratungsgespräch beide Kündigungsschreiben, d. h., sowohl das vom 10.12.1999 als auch das vom 20.12.1999, vor. Herr F. war der Meinung, dass die zweite Kündigung, ähnlich wie bei einer Testamentserrichtung, eine vorausgehende Kündigung überhole und nur die zuletzt ausgesprochene Kündigung gelte. Deshalb nahm er einen Rechtsschutzantrag nur für die Kündigung vom 20.12.1999 auf. Dafür erteilte die IG Metall auch Rechtsschutz. Der Kläger unterzeichnete am gleichen Tage seine Vollmacht für die DGB-Rechtsschutz GmbH, an welche die entsprechenden Unterlagen weitergereicht wurden. Frau Rechtssekretärin K. erhob am 30.12.1999 vor dem Arbeitsgericht Dresden Klage mit folgenden Anträgen:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.12.1999 beendet ist.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
  3. Falls der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 1) obsiegt, wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten Bedingungen als Sanitärinstallateur weiterzubeschäftigen.

In ihrem vorbereitenden Schriftsatz zur Güte Verhandlung vom 26.01.2000, der dem Kläger am 27.01.2000 in der Güte Verhandlung übergeben worden ist, wies die Beklagte auf die bereits vorausgegangene Kündigung mit Schreiben vom 10.12.1999 hin. Nach Einräumung einer Frist zur Stellungnahme erweiterte der Kläger am 09.02.2000 seine Klage um folgenden Antrag Ziff. 4:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Kündigung vom 10.12.1999 weder außerordentlich noch ordentlich beendet ist

und gleichzeitig beantragte er insoweit,

die Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG nachträglich zuzulassen.

Letzteren Antrag begründete der Kläger unter Beibringung eidesstattlicher Versicherungen des Herrn F., der Sachbearbeiterin Frau L. und des Rechtsschutzsekretärs K. dahingehend, dass der Kläger alles Erforderliche getan habe und auch eine geeignete Stelle bemüht habe, sich um seine Rechtsangelegenheiten in Sachen Kündigungsschutz zu ...

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