Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen für die deutschen Ausbildungsberufe ist u. a. im Anerkennungsgesetz des Bundes vom 6.12.2011 (BGBl I S. 2515) geregelt. Das Gesetz enthält in Art. 1 das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz – BQFG)[1]. Nach § 2 BQFG gilt das Gesetz für die Feststellung der Gleichwertigkeit im Ausland erworbener Ausbildungsnachweise, unter Berücksichtigung sonstiger nachgewiesener Berufsqualifikationen, und inländischer Ausbildungsnachweise für bundesrechtlich geregelte Berufe. Fernerhin gibt es Berufe, die landesrechtlich geregelt sind, wie z. B. der Erzieherberuf. Für diese haben die Bundesländer ihre eigenen Anerkennungsgesetze erlassen.

Im Anerkennungsverfahren prüft die jeweils zuständige Stelle anhand der von der Antragstellerin/dem Antragsteller vorzulegenden Unterlagen, ob zwischen der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation und der entsprechenden deutschen Berufsbildung wesentliche Unterschiede bestehen (Gleichwertigkeitsprüfung). Können keine wesentlichen Unterschiede festgestellt werden, stellt die zuständige Stelle die Gleichwertigkeit fest. Erhält die Antragstellerin/der Antragsteller keine volle Anerkennung ihrer/seiner ausländischen Berufsqualifikation, kann sie/er diese durch eine erfolgreich absolvierte IQ-Qualifizierung erhalten. Häufig beinhalten solche Qualifizierungsmaßnahmen zur Erreichung der vollen beruflichen Anerkennung Praxisphasen im Betrieb, die dem Erwerb bestimmter in Deutschland vorherrschender beruflicher praktischer Kenntnisse und Erfahrungen dienen.

Bei diesen Betriebspraktika handelt es sich nicht um eine Berufsausbildung i. S. d. BBiG, denn die Praktika sind als Qualifikationsmaßnahme speziell auf die Bedürfnisse des Teilnehmenden zugeschnitten und auch Umfang und Dauer der praktischen Tätigkeit sind nicht ohne Weiteres mit der einer systematischen Berufsausbildung vergleichbar. Fraglich ist jedoch, ob es sich bei den Teilnehmenden um Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG handelt mit der Folge, dass der Mindestlohn zu zahlen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG), oder ob die Ausnahme von der Mindestlohnpflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 MiLoG greift. Um für mehr Rechtsicherheit zu sorgen, haben das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Forschung und Bildung eine "Gemeinsame Auslegung und Praxishinweise zur Anwendung des Mindestlohngesetzes im Kontext der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen" veröffentlicht. Danach sind die Praktika je nach Fragestellung grundsätzlich als Praktika i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 anzusehen und damit mindestlohnfrei.

 
Hinweis

Die "Gemeinsame Auslegung" der Bundesministerien entfaltet gegenüber der Arbeitsgerichtsbarkeit keine Bindungswirkung. Es ist zwar anzunehmen, dass die Arbeitsgerichte die Auffassung der Exekutive bei der Auslegung der Regelung des § 22 Abs. 1 Sätze 2 und 3 MiLoG heranziehen werden, diese ist jedoch nicht allein für die Entscheidungsfindung maßgeblich. Dementsprechend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Rechtsprechung die "Gemeinsame Auslegung" nicht teilt und auch betriebliche Phasen der Anpassungsqualifikationen vom MiLoG erfasst sieht.

Das Bundesarbeitsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 18.11.2020[2] mit der Vergleichbarkeit der Anpassungslehrgänge nach dem BQFG mit einer Berufsausbildung nach dem BBiG befasst und entschieden, dass Anpassungsqualifizierungen im Rahmen von Gleichwertigkeitsfeststellungen nach dem Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz keine Praktika im mindestlohnrechtlichen Sinne darstellen. In diesem Zusammenhang hat das BAG darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 MiLoG grundsätzlich auch Auszubildende erfassen kann, deren Ausbildung weniger als 2 Jahre in Anspruch nimmt. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen der Berufsausbildung und einer damit vergleichbaren praktischen Ausbildung auf der einen Seite und dem Praktikum auf der anderen Seite sei vielmehr die Systematik der Ausbildung. Insoweit hat das BAG in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall festgestellt, dass die vom Kläger durchgeführte Anpassungsqualifizierung einer strukturierten Berufsausbildung i. S. d. Berufsbildungsgesetzes deutlich näher stand als einem Praktikum.

[1] Zuletzt geändert d. Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes und des Fernunterrichtsschutzgesetzes v. 3.12.2020 (BGBl. I S. 2702).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge