Missachtet der Arbeitgeber ein echtes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, so verhält er sich gegenüber dem Betriebsrat rechtswidrig. Der Betriebsrat kann darauf in verschiedener Weise reagieren.

 
Praxis-Beispiel

Bei der X-GmbH werden auf Anordnung des Geschäftsführers in den Gängen des Materiallagers Videokameras aufgestellt, um überprüfen zu können, ob die Arbeitnehmer in den Gängen Schwätzchen halten. Der Betriebsrat wurde von dieser Maßnahme nicht informiert. Der Betriebsrat-Vorsitzende überlegt, welche Möglichkeiten ihm zustehen.

Grundsätzlich kann der Betriebsrat im Beschlussverfahren die Rechtsfrage klären lassen, ob im konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht besteht.

Darüber hinaus steht dem Betriebsrat als schärfste Möglichkeit das Mittel des Unterlassungsanspruchs nach § 23 Abs. 3 BetrVG zu. Dieser Unterlassungsanspruch setzt einen groben Verstoß des Arbeitgebers gegen die Verpflichtungen aus dem BetrVG voraus. Zu den Verpflichtungen nach § 23 Abs. 3 gehören insbesondere die Pflichten des Arbeitgebers, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Allerdings genügt ein bloßer Verstoß nicht. Es muss sich vielmehr um einen groben Verstoß handeln. Daher kommt der Unterlassungsanspruch nicht bei jedem Pflichtenverstoß des Arbeitgebers in Betracht. Erforderlich ist, dass der Verstoß objektiv so erheblich ist, dass für die Zukunft befürchtet werden muss, Beteiligungsrechte des Betriebsrats werden generell oder auch im Einzelfall trotz einer damit verbundenen erheblichen Gefährdung von Arbeitnehmerinteressen nicht beachtet[1] . Maßgebend für die Würdigung ist einmal das gezeigte Verhalten des Arbeitgebers in der Vergangenheit, insbesondere ob er die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bewusst missachtet hat. Wichtig ist auch, ob es sich um eine umstrittene Rechtsfrage handelt oder um eine Angelegenheit, in der eindeutig ist, dass dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht.

Häufig scheitert ein Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 daran, dass der Arbeitgeber zwar einen Verstoß begangen hat, ein grober Verstoß jedoch nicht vorliegt.

Im Beispielsfall wird man allerdings einen groben Verstoß annehmen können. Die Installation von Videokameras stellt die Einführung einer "technischen Einrichtung dar, die dazu bestimmt ist, das Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen". Der Betriebsrat hat daher nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 mitzubestimmen. Dies ist offensichtlich. Jedenfalls wird man für den Fall, dass ähnliche Verstöße des Arbeitgebers in der Vergangenheit vorgekommen sind, einen groben Verstoß der X-GmbH annehmen müssen.

Fehlt es am groben Verstoß, stellt sich für den Betriebsrat die Frage, wie er anderweitig erreichen kann, dass der Arbeitgeber die Maßnahme, bei der er das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrat missachtet hat, wieder rückgängig macht. Nach dem vom Bundesarbeitsgericht lange vertreten wurde, dass es neben dem Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs.3 keinen weiteren allgemeinen Unterlassungsanspruch gebe, hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert[2] . Das Gericht geht davon aus, dass in jedem echten Mitbestimmungsrecht gleichzeitig ein allgemeiner Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung mitbestimmungswidrigen Verhaltens enthalten ist und der Betriebsrat daher, auch ohne Vorliegen eines groben Verstoßes, vom Arbeitgeber die Unterlassung einer mitbestimmungswidrigen Maßnahme verlangen kann.

Im Fall hätte also der Betriebsrat auch die Möglichkeit, einen allgemeinen Unterlassungsanspruch gegen die X-GmbH geltend zu machen und von dieser zu verlangen, die Videokameras zu beseitigen, soweit der Betriebsrat seine Zustimmung nicht gegeben hat.

Darüber hinaus besteht für den Betriebsrat die Möglichkeit, eine einstweilige Verfügung zur Sicherung seiner Mitbestimmungsrechte gegen den Arbeitgeber zu erwirken. Dafür ist Voraussetzung, dass zum einen der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber hat und darüber hinaus die gerichtliche Entscheidung besonders eilbedürftig ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn bei Durchführung der Maßnahme des Arbeitgebers die Wahrnehmung der Beteiligungsrecht des Betriebsrats auf Dauer vereitelt wird wie das beispielsweise bei kurzfristigen Maßnahmen, sei es der Anordnung von Überstunden oder der Verlegung der Arbeitszeit eines Tages, der Fall ist.

Ob im Beispielsfall eine einstweilige Verfügung erfolgreich wäre, ist zweifelhaft. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrat werden nicht auf Dauer vereitelt; vielmehr entstehen dem Betriebsrat keine erheblichen Nachteile, wenn er seinen Unterlassungsanspruch im normalen Beschlussverfahren durchsetzt.

Sofern die Maßnahmen nicht schon abgeschlossen sind, kann der Betriebsrat auch die Einigungsstelle anrufen. Möglichkeiten des Betriebsrats, sich gegen die Missachtung seiner Mitbestimmungsrechte zu wehren, sind demnach:

  • Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht
  • Antrag nach § 23 Abs. 3 BetrVG auf Androhung eines Ordnungsgeldes
  • allgemeiner Antrag auf Unterlassung
  • Anrufen der Einigungsstelle

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