Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Spätaussiedlerstatus. Vertriebenenstatus. Prüfung durch Sozialgerichte. Statuserwerb als Ehegatte eines Umsiedlers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Den Status als Spätaussiedler / Ehegatte eines Spätaussiedlers iS § 4 BVFG haben die Sozialgerichte im Zusammenhang mit Vergünstigungen nach dem FRG nicht eigenständig zu prüfen; der Nachweis dieses Status kann nur durch eine Bescheinigung nach § 15 BVFG erbracht werden.

2. Demgegenüber ist der Vertriebenenstatus iS § 1 BVFG im Zusammenhang mit Vergünstigungen nach dem FRG von den Sozialgerichten eigenständig zu prüfen; eine negative Entscheidung der Vertriebenenbehörde im Verfahren nach § 100 Abs 2 S 3 BVFG über den Vertriebenenstatus steht dieser gerichtlichen Prüfung nicht entgegen.

3. Die Verpflichtung zur eigenständigen Prüfung der Vertriebeneneigenschaft besteht hinsichtlich eines Status als Aussiedler iS § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG auch dann, wenn ein - aus Rechtsgründen nur alternativ möglicher - Status als Spätaussiedler bescheinigt ist; eine Bescheinigung nach § 15 BVFG über den Status als Spätaussiedler entfaltet hinsichtlich eines Status als Aussiedler somit keine negative Tatbestandswirkung.

4. Die Umsiedlereigenschaft iS § 1 Abs 2 Nr 2 BVFG wurde mit der Verbringung aus dem Herkunftsgebiet in das neue Siedlungsgebiet erworben. Ehegatte eines Umsiedlers iS von § 1 Abs 3 BVFG ist aber nur, wer zu diesem Zeitpunkt des Erwerbs der Umsiedlereigenschaft mit dem Umsiedler bereits verheiratet war.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 14.05.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahrs.

Die 1937 im Gebiet K. (Russland) geborene Klägerin war mit Unterbrechungen von August 1953 bis Januar 1993 in der UdSSR bzw. den nachfolgenden Teilrepubliken, zuletzt in F. (K. ), beschäftigt. Sie war mit ihrem am … 1935 geborenen Ehemann I. K. von 1956 bis zur Scheidung im Jahre 1980 verheiratet und heiratete ihn erneut am 19.12.1990. Der Ehemann war ab 1941 mit seiner Familie in die deutsche Volksliste Ukraine eingetragen, wurde mit seiner Familie 1944 von der Deutschen Armee bei Herannahen der Front umgesiedelt und im Oktober 1945 von den Russen nach Sibirien verschleppt (eidesstattliche Versicherung der Mutter des Ehemanns). In einen Aufnahmebescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 23.10.1992 für die Mutter des Ehemannes der Klägerin waren der Ehemann und die Klägerin als nichtdeutscher Ehegatte einbezogen. Die Klägerin und ihr Ehemann verließen Kirgisien am 01.04.1993 und trafen am selben Tag in der Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie sich seither aufhalten. Der Ehemann wurde als Spätaussiedler i.S. des § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz [BVFG]) und die Klägerin als Ehegatte eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs. 2 BVFG anerkannt (Bescheinigung Nr. 08315/0052 des Landsratsamts B.-H. vom 13.10.1993). In Deutschland war die Klägerin zunächst arbeitslos, besuchte Sprachkurse und war schließlich von Dezember 1994 bis Juli 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.08.2002 bezieht sie von der Beklagten eine Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Zeiten des Schulbesuchs im Heimatland und der in Deutschland erworbenen Versicherungszeiten (Bescheid vom 02.09.2002; 108 Monate Pflichtbeiträge von April 1993 bis 14.01.1994 und vom 12.12.1994 bis 31.07.2002). Zur Feststellung der rentenversicherungsrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den Versicherungsverlauf zu diesem Bescheid Bezug genommen.

In einem Rechtsstreit der Klägerin beim Verwaltungsgericht Freiburg (5 K 104/99) gegen das Land Baden-Württemberg wegen der Ablehnung ihres Einbürgerungsantrags erklärte sich das prozessführende Landratsamt B.-H. nach einem gerichtlichen Hinweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH) vom 20.01.1999 (6 S 949/96) mit Schriftsatz vom 19.06.2001 bereit, die Klägerin klaglos zu stellen. Es sei davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin den Status eines Vertriebenen i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedler) schon im Zeitpunkt der Umsiedelung in den damaligen Machtbereich des Deutschen Reiches erworben habe und die Klägerin damit ebenfalls den Vertriebenenstatus (§ 1 Abs. 3 BVFG) und die Rechtsstellung einer Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) erworben habe. Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt. Der Klägerin wurde am 14.12.2001 ein Ausweis über die deutsche Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) ausgestellt.

Den Antrag der Klägerin vom 24.07.2000 auf Gewährung einer Altersrente für Frauen wegen Vollendung des 60. Lebensjahres lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2000 und Widerspruchsbescheid vom 06.01.2004 ab, da die Wartezeit von 180 Kalendermonaten nicht erfüllt sei. Die ...

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