Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz. gemeinsamer Betrieb. Überstunden. Mehrarbeit. Annahmeverzug. Schuldnerverzug. Lohnausfallprinzip. neues Vorbringen. zweite Instanz. Klageerweiterung. Kosten. Rechtsmittelverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Personenidentität der Geschäftsführer zweier Gesellschaften genügt für die Annahme eines gemeinsamen Betriebes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG, daß der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird.

2. Durch das Angebot von Diensten, die vertraglich nicht geschuldet waren, kann der Dienstberechtigte nicht in Annahmeverzug versetzt werden.

3. Ein Gläubiger kann durch die Nichtannahme einer Leistung in Schuldnerverzug geraten, wenn die Annahme als Rechtspflicht geschuldet wird. Besteht kein Anspruch auf Beschäftigung mit Mehrarbeit, gibt es auch keine entsprechende Annahmeverpflichtung des Arbeitgebers.

4. § 97 Abs. 2 ZPO ist nicht einschlägig, wenn ein Anspruch erstmals in zweiter Instanz im Wege der Klageerweiterung erhoben worden ist.

 

Normenkette

KSchG § 23 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 615, 326; ZPO § 97 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 19.07.1996; Aktenzeichen 2a Ca 2270/95)

 

Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 19.07.1996 – 2a Ca 2270/95 – wird über das Teilanerkenntnisurteil vom 21.01.1997 hinaus abgeändert.

2. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten am 10.11.1995 ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz zu tragen. Von den Kosten der zweiten Instanz hat die Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5 zu tragen.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wurde von der Beklagten zum 07.11.1985 als Radladerfahrer eingestellt. Auf den Arbeitsvertrag Bl. 100–102 d. A. und die Vertragsänderung Bl. 99 d. A. wird Bezug genommen. Die Beklagte kündigte dem Kläger am 10.11.1995 zum 31.03.1996 und stellte ihn ab 13.11.1995 unter Fortzahlung des Grundlohns von der Arbeit frei.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung und ab der zweiten Instanz auch darum, ob der Kläger für die Zeit der Suspendierung Überstundenvergütung beanspruchen kann.

Die Beklagte hatte bis zum Ausscheiden des Klägers regelmäßig 5 ganztags beschäftigte Arbeitnehmer. Ihre Geschäftsführerin ist gleichzeitig Geschäftsführerin der Firma E. GmbH. Die Gesellschafter beider Firmen sind identisch. Die Firmen haben denselben Geschäftssitz und sind in demselben Gebäude untergebracht. Sie haben einen gemeinsamen Empfangsraum und eine gemeinsame Telefonanlage. Wie nach einer Beweisaufnahme in zweiter Instanz unstreitig wurde, befindet sich das technische Herzstück der Telefonanlage am Arbeitsplatz der Angestellten H., deren Arbeitgeber die Firma E. GmbH ist. Die Buchhaltung wird für beide Firmen von der Angestellten E. erledigt, die als Vollzeitkraft bei der Beklagten tätig ist und in einem als „Aushilfsarbeitsverhältnis” bezeichneten Arbeitsverhältnis zu der Firma E. GmbH steht. Frau H. schreibt telefonisch eingehende Nachrichten für die Beklagte auf, wenn Frau E., was häufig geschieht, unterwegs ist.

Die Geschäftsführerin der Beklagten ist für die Arbeitnehmer beider Gesellschaften zuständig.

Die Beklagte wurde 1978 von Dritten zum Zwecke der gewerblichen Schnee- und Eisbeseitigung sowie der Wegereinigung gegründet. 1981 übernahm ihre jetzige Geschäftsführerin die Geschäftsanteile und die Geschäftsführung. Der ursprüngliche Geschäftszweck wurde 1993 ohne Namensänderung der Firma aufgegeben. Im gleichen Jahr kam der Geschäftszweck Baugerätevermietung hinzu. Seit vielen Jahren besteht der Geschäftsgegenstand der Beklagten hauptsächlich darin, daß sie Tag und Nacht mit Radladern auf Müllverbrennungsanlagen fährt.

1985 gründete die Geschäftsführerin der Beklagten die Firma E. GmbH, deren Geschäftszweck die Herstellung und Entwicklung von Kunststoffen, insbesondere von Reifenpannenschutz unter dem Namen E., sowie deren Vertrieb über Vertragshändler mit Verfüllstationen ist. Die Beklagte verfüllt Reifen für die Industrie und das Baugewerbe.

Der Kläger wurde in den letzten Jahren hauptsächlich bei der Firma E. GmbH eingesetzt und mit dem Ausschäumen von Reifen beschäftigt. Wenn bei der Beklagten einer der Radladerfahrer krank war, fuhr er Radlader. Nach seinem Ausscheiden wurde eine Ersatzkraft bei der Firma E. GmbH eingestellt.

Gründe für die Kündigung des Klägers sind von der Beklagten bewußt nicht vorgetragen worden. Der Kläger hält die Kündigung für sozial ungerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht hat seine am 30.11.1995 eingereichte Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 19.07.1996, auf das zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, abgewiesen.

Gegen das ihm am 01.08.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22.08.1996 Berufung eingelegt und diese am 13.09.1996 unter gleichzeitiger Klageerweiterung begründet.

Hinsichtlich ...

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