Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche eines Arbeitnehmers auf Vergütung von außerhalb des in einer Vertriebsvereinbarung niedergelegten Gleitzeitrahmens erbrachten Arbeitsleistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Zeitrahmen, innerhalb dessen Beschäftigte ihre Arbeit im Rahmen des vertraglich vereinbarten Umfangs zu erbringen haben, unterliegt nach § 106 GewO dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht, soweit dieser Rahmen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

2. Ist der Zeitrahmen durch eine Dienstvereinbarungen klar dahingehend umrissen, dass die Arbeit nicht vor 07:00 Uhr begonnen und nicht nach 18:30 Uhr beendet werden darf, und dass etwaige Ausnahmen, soweit diese zwingend erforderlich sind, in einer Anlage zur Dienstvereinbarung dargestellt werden müssen, und verbieten diese Bestimmungen, die auch Inhalt des Arbeitsvertrages geworden sind, abgesehen von der Möglichkeit strenger Ausnahmeregelungen die Erbringung von Arbeitsleistung vor 07:00 Uhr und nach 18:30 Uhr, können außerhalb des Zeitrahmens von 07:00 Uhr bis 18:30 Uhr erbrachte Arbeitsleistungen grundsätzlich nicht als vertragsgemäß angesehen werden.

3. Eine Überschreitung des Gleitzeitrahmens kann dann in Betracht kommen und sogar zwingend erforderlich sein, wenn es die Erledigung der übertragenen Aufgaben etwa im Hinblick auf deren Schwierigkeit und Umfang erfordert; hat der Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitraum seinen Dienst niemals vor 09:00 Uhr, oftmals erst nach 10:00 Uhr oder 11:00 Uhr, in Einzelfällen sogar erst nachmittags angetreten, ist nicht nachvollziehbar, warum ihm bei Ausschöpfung des per Dienstvereinbarung vorgegebenen Zeitrahmens (07:00 Uhr bis 18:30 Uhr) die Erledigung der übertragenen Arbeiten nicht möglich gewesen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 611-612

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 15.05.2012; Aktenzeichen 9 Ca 2428/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.5.2012, Az.: 9 Ca 2828/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesenDie Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Arbeitsvergütung für außerhalb eines vorgegebenen Gleitzeitrahmens geleistete Arbeit.

Der Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen seit dem 01.09.1973 als Verwaltungsangestellter beschäftigt. Seine Arbeitszeit belief sich zuletzt auf 35 Stunden wöchentlich. Der Kläger war in der Personalabteilung der Beklagten eingesetzt und mit dem Einpflegen/Abrechnen von Daten für die sog. unständigen Bezüge (z.B. Bereitschaftsdienste, Nacht- bzw. Wechselschichtzulage) der Ärzte und Pflegedienstmitarbeiter in das SAP-System betraut.

Seit dem 01.12.2009 befindet sich der Kläger in einer bis zum 30.11.2015 andauernden Altersteilzeit, wobei die passive Phase am 01.12.2012 begann. Allerdings ist der Kläger bereits seit dem 01.09.2011 von der Arbeit freigestellt, u.a. zum Ausgleich von 1723,53 Überstunden, die der Kläger infolge einer auf freiwilliger Basis übernommenen zusätzlichen Fallbearbeitung erbracht hat. Diese Stunden sind von der Beklagten anerkannt und in den Arbeitszeitnachweisen des Klägers vermerkt worden.

Ab dem 01.10.2003 bis zum 30.06.2008 galt bei der Beklagten die Dienstvereinbarung "Arbeitszeit" vom 17.09.2003. Seit dem 01.07.2008 gilt die Dienstvereinbarung "Arbeitszeit" vom 19.08.2008. Die beiden Dienstvereinbarungen enthalten u.a. folgende gleichlautende Bestimmungen:

"2. Gleitende Arbeitszeit

...

2.2.1.

Abgesehen von einer Mittagspause müssen alle Beschäftigten während der Zeit von spätestens 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr anwesend sein (Kernarbeitszeit).

Freitags endet die Kernarbeitszeit um 12:00 Uhr.

...

2.2.2.

Der Dienst darf nicht vor 7:00 Uhr begonnen und nicht nach 18:30 Uhr beendet werden. Soweit Ausnahmen hiervon zwingend erforderlich sind, sind diese in einer Anlage zu dieser Vereinbarung darzustellen.

..."

Darüber hinaus regeln die Dienstvereinbarungen, hinsichtlich deren Inhalts im Einzelnen auf Blatt 121 - 127 d.A. sowie auf Blatt 128 - 133 d.A. Bezug genommen wird, dass eine Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit zum Monatsschluss bis zu max. 12 Stunden im Monat angerechnet und auf den nächsten Monat übertragen wird (sog. Saldokappung).

Unter dem 01.03./04.03.1999 trafen die Parteien eine Vereinbarung, nach deren Inhalt die Kernarbeitszeit des Klägers ab dem 01.03.1999 in die Zeit von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr gelegt wurde.

Mit seiner am 29.12.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagte auf Zahlung von Arbeitsvergütung für im Zeitraum von 2007 bis November 2009 außerhalb des Gleitzeitrahmens, d.h. nach 18.30 Uhr erbrachten Arbeitszeiten in Anspruch genommen. Diese Arbeitszeiten wurden zwar im Zeiterfassungssystem der Beklagten erfasst, dem Arbeitszeit- bzw. Stundenkonto des Klägers jedoch nicht gutgeschrieben.

Der Kläger hat erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, wegen der Personalsituation in sei...

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