Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahressonderzahlung für Beschäftigte im Pflegedienst in sonstigen Einrichtungen des Caritas-Verbandes. Unbegründete Zahlungsklage auf anteilige Jahressonderzahlung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem letzten Monats des Jahres

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Regelung für die Zahlung einer Jahressonderzahlung gemäß § 16 Abs. 1 AVR-Caritas Anlage 32 ("Mitarbeiter, die am 01. Dezember im Dienstverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung") enthält weder einen groben und sich demzufolge bei unbefangener Prüfung sofort aufdrängenden Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben noch führt eine Rechtskontrolle zur Unwirksamkeit dieser Regelung.

2. Die Tarifvertragsparteien können aufgrund des ihnen gegenüber den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien erweiterten Gestaltungsspielraums eine Klausel zur Jahressonderzahlung wie § 16 Abs. 1 AVR-Caritas Anlage 32 wirksam vereinbaren; der Ausschluss einer anteiligen Zahlung bei vorzeitigem Ausscheiden verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

3. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen, vielmehr genügt ein sachlich vertretbarer Grund für die Regelung, so dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz erst dann vorliegt, wenn versäumt worden ist, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisses zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen.

4. Der erweiterte Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien ist auch zu Gunsten der arbeitsrechtlichen Kommission zu berücksichtigen, da die Kommission aus nicht weisungsgebundenen Mitgliedern paritätisch zusammengesetzt ist und deren Regelwerk damit verfahrenstechnisch einem Tarifvertrag vergleichbar zustande kommt; der Umstand, dass dem Regelwerk anders als im Tarifvertrag keine normative Wirkung zukommt, ändert daran nichts, da das beim Einzelarbeitsvertrag typischerweise gegebene strukturelle Machtungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien sowohl auf der Ebene der Tarifparteien wie auch in der arbeitsrechtlichen Kommission fehlt und deshalb in beiden Fällen grundsätzlich von einer ausgewogenen Gesamtregelung ausgegangen werden kann unabhängig davon, ob man dafür den Begriff "Richtigkeitsgewähr" verwendet oder nicht.

5. Die AVR-Caritas stehen wertungsmäßig einer tarifvertraglichen Regelung näher als einer arbeitsvertraglichen.

 

Normenkette

AVR-Caritas § 16; BGB §§ 305 ff.; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; BGB § 305 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 Sätze 2-3, § 317 Abs. 1, § 319 Abs. 1 S. 1; AVR-Caritas Anlage 32 § 16 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 09.07.2014; Aktenzeichen 5 Ca 309/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.07.2014 - 5 Ca 309/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Jahressondervergütung verlangen kann.

Die Klägerin war bei der Beklagten von 1974 bis zum 30. November 2013 als Altenpflegerin beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) Anwendung; dies gilt einschließlich deren Anlage 32. Dort heißt es unter § 16 Abs. 1: "Mitarbeiter, die am 01. Dezember im Dienstverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung."

Die Beklagte hat die Jahressonderzahlung für das Jahr 2013 hinsichtlich der Klägerin abgelehnt mit der Begründung, diese habe zum Stichtag 01. Dezember in keinem Arbeitsverhältnis mehr zu ihr gestanden.

Die Klägerin hat vorgetragen,

die zuvor genannte Regelung sei unwirksam. Es handele sich um eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die nicht vom ungekündigten Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraumes abhängig gemacht werden dürfe. Dies halte insbesondere einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand. §§ 307 ff. BGB seien anwendbar, da es sich bei den AVR- Caritas nicht um eine tarifliche Regelung handele, so dass die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 S. 3 BGB nicht eröffnet sei. Zudem werde sie im Vergleich zu Krankenhausmitarbeitern ungleich behandelt, da diese gemäß § 16 Abs. 6 der Anlage 31 zu den AVR-Caritas trotz identischer Stichtagsregelung die Jahressonderzahlung auch dann erhielten, wenn ihr Dienstverhältnis vor dem 01. Dezember ende.

Sie begehre deshalb anteilig 11/12 ihres Bruttomonatsgehaltes in Höhe von 1.348,70 EUR (1.471,31 EUR : 12 x 11).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.348,70 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2013 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

nach ihrer Auffassung gelang...

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