Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

sonstiges

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten die Normen eines außer Kraft getretenen Tarifvertrages auch nach Ende der Tarifbindung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

2. Die andere Abmachung kann in einer Betriebsvereinbarung liegen, wenn es sich um einen Fall einer erzwingbaren Mitbestimmung handelt. Dies setzt voraus, dass in der Betriebsvereinbarung von den Normen des abgelaufenen Tarifvertrages abgewichen werden soll.

3. Eine Regelungsabrede reicht nicht aus.

 

Normenkette

TVG §§ 3, 4 Abs. 5; BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2; TVG Tarifverträge: Druckindustrie § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Urteil vom 14.06.2000; Aktenzeichen 2 Ca 10646/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.11.2002; Aktenzeichen 4 AZR 660/01)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 14.06.2000 – Gz. 2 Ca 10646/99 – wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob der Kläger verpflichtet ist, Vorholschichten auch samstags nach 23 Uhr zu leisten.

Der Kläger, Mitglied der IG Medien; ist seit 04.06.1968 aufgrund der Einstellungsbestätigung vom 08.05.1968, auf die Bezug genommen wird (Bl. 140/141 d.A.), bei der Beklagten als Drucker beschäftigt. Zuletzt verdiente er monatlich ca. DM 6.000,– brutto. Die Beklagte war Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Bayerischen Druckindustrie und ist zum 31.12.1996 aus dem Verband ausgetreten. Die Beklagte und ihr Betriebsrat schlossen am 20.11.1996 mit Wirkung zum 01.01.1997 nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG i.V.m. § 3 Durchführungsbestimmungen (4 MTV gewerblich) bzw. § 3 Ziff. 1 Abs. 8, 20–31 MTV für Angestellte eine Betriebsvereinbarung über die ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit, in der unter Nummer 5 geregelt wurde, dass der einzelne Mitarbeiter an freien Tagen zu bis zu zehn Vorholschichten innerhalb eines Jahres verpflichtet werden kann. Der Kläger wurde 1999 zu einer Vorholschicht auch Samstag nach 23 Uhr eingeteilt. Mit der Klage verlangt er die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, Vorholschichten samstags nach 23 Uhr abzuleisten.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, bei den Vorholschichten handle es sich um die Vorwegnahme eines normalerweise erst später abzuleistenden Teils der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. § 3 MTV lasse prinzipiell eine derartige Arbeitsverteilung zu, solange die Arbeitszeit am Samstag spätestens um 23 Uhr ende. Daher sei er nicht verpflichtet, Vorholschichten samstags nach 23 Uhr abzuleisten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

  • Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, sogenannte Vorholschichten im Zeitraum samstags nach 23 Uhr abzuleisten,
  • hilfsweise,

    der Beklagten wird untersagt, den Kläger zur Ableistung von Vorholschichten heranzuziehen, soweit diese samstags in der Zeit nach 23 Uhr liegen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, bei richtiger Auslegung des MTV seien die streitgegenständlichen Vorholschichten zulässig. Dies könne jedoch dahinstehen, da der MTV keine Anwendung finde, weil sie zum 31.12.1996 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten sei. Da am 01.01.1997 ein neuer MTV in Kraft getreten sei, habe zu diesem Datum die Nachwirkung geendet. Zudem sei durch die Betriebsvereinbarung mit Wirkung vom 01.01.1997 eine andere Regelung getroffen worden.

Das Arbeitsgericht Nürnberg hat der Klage mit Endurteil vom 14.06.2000 stattgegeben. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, aus der Betriebsvereinbarung i.V.m. § 3 Ziff. 1 Abs. 52. Spiegelstrich MTV-Druckindustrie ergebe sich, dass Vorholschichten nicht nach 23 Uhr abzuleisten seien, weil die regelmäßige Arbeitszeit am Samstag spätestens um 23 Uhr ende. § 3 MTV finde noch Anwendung, da die Betriebsvereinbarung vom 20.11.1996 datiere.

Gegen das der Beklagten am 27.07.2000 zugestellte Endurteil legte diese am 24.08.2000 Berufung ein. Wegen der weiteren Formalien der Berufung wird auf die protokollarischen Feststellungen in der Sitzung vom 17.09.2001 Bezug genommen.

Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte und Berufungsklägerin im Wesentlichen vorgetragen, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Vorholschichten am Samstag über 23 Uhr durch die Betriebsvereinbarung vom 20.11.1996 wirksam vereinbart worden seien. Die Betriebsvereinbarung unterfalle nicht dem MTV für die bayerische Druckindustrie. Sie, die Beklagte, sei zum 31.12.1996 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und der einschlägige MTV sei ebenfalls zum 31.12.1996 beendet worden. Im Bereich der nachwirkenden Geltung könnten die Betriebsparteien jederzeit eine vom MTV abweichende Vereinbarung treffen.

Der ab. 04.01.1997 gültige MTV gelte auch nicht kraft vertraglicher Vereinbarung. Nach der Einstellun...

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