Das Urteil ist rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Begriff des Unternehmens im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG umfasst jede auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Eine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Sinne liegt bereits vor, wenn dem Betrieb materielle und/oder immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich der menschlichen Arbeitskraft zugeordnet sind, die der Betriebsinhaber für seine Tätigkeit nutzt. Die Erbringung hoheitlicher Aufgaben steht damit der Annahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht entgegen.

2. Eine Übertragung von hoheitlichen Verwaltungsaufgaben, die die Anwendung der Richtlinie 77/187/EWG ausschließt (vgl. EuGH, 15.10.1996, Rs C-298/94, AP Nr. 13 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187), liegt nur dann vor, wenn die Zuständigkeit für eine hoheitliche Aufgabe wechselt, ohne dass dem eine wirtschaftliche Entscheidung zugrunde liegt, die von der Richtlinie erfasst wird. Der gesetzliche Kompetenzwechsel hinsichtlich der Aufgabe der Fleischbeschau nach einer Privatisierung eines öffentlichen Schlachthofs ist daher noch vom Zweck der Richtlinie erfasst und stellt einen Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG dar.

 

Normenkette

BGB § 613a; Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstelle vom 01.04.1969 (TV Ang iöS)

 

Verfahrensgang

ArbG Verden (Aller) (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 2 Ca 451/98)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Verden vom 12.11.1998 – 2 Ca 451/98 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Wert wird auf 33.000,00 DM festgesetzt.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Inhalt des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Der nicht tarifgebundene Kläger war seit 1986 im Fleischhygieneamt der Samtgemeinde Z. beschäftigt. Dieser oblag kraft gesetzlicher Regelung die Fleischbeschau in dem öffentlichen Schlachthof W., in dem der Kläger ausschließlich eingesetzt war. Der Kläger war gemäß Arbeitsvertrag 24. Januar 1986 (Bl. 5 d.A.) als nicht vollbeschäftigter Fleischbeschautierarzt tätig. Das Arbeitsverhältnis richtete sich kraft einzelvertraglicher Vereinbarung nach dem Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten amtlichen Tierärzte und Fleischkontrolleure in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen vom 1. April 1969 (künftig: TV Ang iöS) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Die Arbeitszeit bestimmte sich gemäß § 3 des Arbeitsvertrages nach dem Arbeitsanfall und der Heranziehung zur Arbeitsleistung. Bis einschließlich 1992 wurde der Kläger von der Samtgemeinde Z. durchschnittlich 29 Stunden je Woche, 1993 durchschnittlich 41,30 Stunden und seit 1994 mehr als 48 Stunden je Woche eingesetzt. Er betreibt keine eigene Tierarztpraxis. Vier weitere der im Schlachthof W. eingesetzten Tierärzte unterhielten ebenfalls keine eigene Praxis. Mindestens zwei davon, nämlich die Tierärzte R. und W., wurden ebenfalls mit deutlich mehr als 38,5 Stunden je Woche im Schlachthof W. eingesetzt. Im Vermerk vom 12. Januar 1995, auf den Bezug genommen wird (Bl. 50 f. d.A.), wies die Samtgemeinde Z. darauf hin, dass der Einsatz des Klägers und einiger weiterer Tierärzte über die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes hinausgehe und der Arbeitseinsatz auf eine normale Arbeitszeit zurückzuführen sei.

Der den Schlachthof W. betreibende Zweckverband verkaufte im Jahr 1997 den Schlachthof an die P. AG, die diesen nunmehr seit dem 1. April 1998 als privaten Schlachthof weiter betreibt. Am 22. September 1997 schlossen der Beklagte und die Samtgemeinde Z. unter der „Voraussetzung, dass der Zweckverband zum 31. Dezember 1997 aufgelöst und der Schlachthof ab 1. Januar 1998 privat betrieben wird” einen Vertrag, wonach der Beklagte die im Schlachthof beschäftigten Tierärzte und Fleischkontrolleure einstelle, wobei kein Betriebsübergang vorliege. Der Beklagte verpflichtete sich, die Vordienstzeiten dieser Beschäftigten anzurechnen. Der Zweckverband wurde am 31. Mai 1998 aufgelöst.

Mit Wirkung zum 1. April 1998 ging die gesetzliche Zuständigkeit für die Fleischbeschau auf den Beklagten über, weil der Schlachthof nunmehr privat betrieben wurde. Die Samtgemeinde kündigte das Arbeitsverhältnis am 31. März 1998 zum 30. September 1998, weil mit dem Zuständigkeitswechsel die Möglichkeit zur Beschäftigung von Mitarbeitern im Fleischhygieneamt entfallen sei. Der Kläger wird seit dem 1. April 1998 vom Beklagten in der Fleischbeschau im Schlachthof W. eingesetzt. Nachdem er zunächst von der Samtgemeinde zur Arbeitsleistung an den Schlachthof W. abgeordnet worden war, ist er gemäß Arbeitsvertrag vom 11. März/25. April 1998 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 25. September 1998 seit dem 1. Oktober 1998 beim Beklagten auf un...

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