Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB-Kontrolle. Bezugnahmeklausel. Globalverweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Globalverweisung liegt vor, wenn eine Vielzahl tarifvertraglicher Bestimmungen konkret auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangen, die nicht auf einen Regelungskomplex beschränkt sind und im Vergleich mit den speziellen Bestimmungen des Arbeitsvertrags ein deutliches Gewicht haben.

2. Regelt der Arbeitsvertrag nahezu alle wesentlichen rechtserheblichen Bereiche eines Arbeitsverhältnisses durch eigenständige, vom Tarifvertragssystem abweichende Regelungen, wodurch für den Anwendungsbereich der ergänzend in Bezug genommenen Tarifverträge kaum mehr Raum bleibt, fehlt es an einer zur Privilegierung des § 310 Abs. 4 S. 3 BGB führenden Globalverweisung.

 

Normenkette

BGB §§ 305c, 307 Abs. 1 S. 2, § 310 Abs. 4 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 05.02.2010; Aktenzeichen 7 Ca 561/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.02.2010 – 7 Ca 561/09 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Jahressonderzahlung für das Jahr 2005.

Wegen des gesamten erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, Bl. 2 und 3 desselben, Bl. 42 und 43 der Gerichtsakte, verwiesen.

Mit Urteil vom 05.02.2010 hat das Arbeitsgericht Hannover dem Kläger die Jahressonderleistung für das Jahr 2005 in Höhe von 2.516,00 EUR nebst Zinsen zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen. Wegen der genauen Einzelheiten der Tenorierung wird auf den Tenor des angefochtenen Urteils, Bl. 41 und 42 der Gerichtsakte, wegen der Einzelheiten der rechtlichen Würdigung auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils Bl. 4 – 8 desselben, Bl. 44 – 48 der Gerichtakte, verwiesen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 24.03.2010 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 21.04.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 23.06.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem das Landesarbeitsgericht zuvor mit Beschluss vom 25.05.2010 (Dienstag nach Pfingstmontag) antragsgemäß bis zum 24.06.2010 verlängert hatte.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte das erstinstanzliche Ziel der vollumfänglichen Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Auffassung, der schriftliche Arbeitsvertrag vom 15.01.1990 enthalte eine Globalverweisung auf den Rahmentarifvertrag für Angestellte im Gebäudereinigerhandwerk im Land Niedersachsen, sodass in diesem Tarifwerk normierte Ausschlussfrist von 2 Monaten nicht zu beanstanden sei. Im Übrigen macht sie geltend, das arbeitsgerichtliche Urteil habe rechtsfehlerhaft ihre Verjährungseinrede verkannt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 05.02.2010, Az.: 7 Ca 561/09, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 23.06. und 13.07.2010 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG 519, 520 ZPO).

Insbesondere ist der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gemäß § 222 ZPO, 193 BGB fristwahrend beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

B.

Die Berufung ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage insgesamt.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlung der Jahressonderleistung 2005 in Höhe von 2.516,00 EUR brutto nach § 3 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 12 des in Bezug genommenen RTV für Angestellte im Gebäudereinigerhandwerk im Land Niedersachsen. Denn dieser Anspruch ist wegen fehlender rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung gemäß § 15 dieses Tarifvertrages (im Folgenden RTV 2001) verfallen.

1.

Nach § 15 RTV 2001 verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Diese Ausschlussfrist hat der Kläger mit seiner erstmaligen schriftlichen Geltendmachung am 13.08.2009 nicht gewahrt. Denn die Ausschlussfrist begann am 01.01.2006 zu laufen. Insoweit folgt das Berufungsgericht den Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils, denen zufolge aufgrund einer Stundungsabrede jedenfalls das Jahresende 2005 abgewatet werden musste, sodass die Fälligkeit des streitgegenständlichen Anspruches erst am 01.01.2006 begann (so die insoweit überzeugenden Ausführungen zu Bl. 6 des angefochtenen Urteils, Ziff. 1 a bb der Entscheidungsgründ...

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