Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des örtlichen Betriebsrats auf innerbetriebliche Ausschreibung von Stellen für Nachwuchskräfte. Fehlende Kompetenz des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats auch bei zentraler Personalplanung und Nachwuchsarbeitsplätzen in mehreren Konzernunternehmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht gem. § 93 BetrVG, -innerhalb des Betriebs_ eine Ausschreibung zu verlangen, bezieht sich auf die Besetzung eines diesem Betrieb zuzuordnenden Arbeitsplatzes. Es steht deshalb regelmäßig dem einzelnen (örtlichen) Betriebsrat zu.

2. Eine Ausschreibung wird nicht schon dadurch zu einer über den örtlichen Betrieb hinausgehenden Angelegenheit, dass die Personalplanung in Bezug auf Nachwuchskräfte in einem Konzern zentral vorgenommen wird und die auszuschreibenden Arbeitsplätze in mehreren Konzernunternehmen bzw. in mehreren Betrieben einzelner Konzernunternehmen vorhanden sind.

3. Für eine Regelung, nach der eine Ausschreibung von Arbeitsplätzen, die für Nachwuchskräfte vorgesehen sind, in bestimmten Fällen stets unterbleibt, fehlt dem Gesamt- bzw. dem Konzernbetriebsrat die nach § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1 BetrVG erforderliche Kompetenz.

 

Normenkette

BetrVG § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 1, § 93

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Entscheidung vom 07.03.2018; Aktenzeichen 11 BV 21/17)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 29.09.2020; Aktenzeichen 1 ABR 17/19)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 07.03.2018 (11 BV 21/17) abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet ist, auf Verlangen des Antragstellers im Geschäftskundenvertrieb Betrieb Nord/Ost auch solche Arbeitsplätze auszuschreiben, die mit Ausgebildeten/Nachwuchskräften besetzt werden sollen. 2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Antragstellers, innerbetriebliche Ausschreibungen zu verlangen.

Die Beteiligte zu 2, bei der ein Gesamtbetriebsrat (GBR) existiert, ist Teil eines Konzerns, für den ein Konzernbetriebsrat (KBR) gebildet ist. Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2 am Standort H-Stadt bestehende Betriebsrat.

Im Konzern werden regelmäßig mehrere tausend Nachwuchskräfte an einer Vielzahl von Standorten ausgebildet. Um Praxiseinsätze übergreifend in unterschiedlichen Tochtergesellschaften zu ermöglichen, hat die D. AG den Betrieb T. gegründet. Jährlich werden im Konzern Übernahmequoten für Nachwuchskräfte festgelegt. Um diese Quoten zu sichern werden die auf die Betriebe der Konzerngesellschaften verteilten und zu besetzenden Stellen zunächst nicht ausgeschrieben, sondern den Nachwuchskräften im sogenannten "private Posting Verfahren" nach einem jährlich vorgegebenen Zeitplan unmittelbar angeboten. Die nicht auf diese Weise besetzten Stellen werden in einem zweiten Schritt allein in der Jobbörse für Nachwuchskräfte und nicht in der konzernweiten Jobbörse ausgeschrieben. Hierzu bestehen innerhalb des Konzerns verschiedene Regelungen:

In dem seit 01.01.2005 geltenden Manteltarifvertrag für die Auszubildenden der D. AG (kurz MTV-Azb; Bl. 52 - 59 d.A.) heißt es:

"§ 23 Übernahme in ein Arbeitsverhältnis

Die Übernahme der Ausgebildeten in ein Arbeitsverhältnis erfolgt jährlich aufgrund des konkreten Bedarfs der Konzerngesellschaften (d.h. auf Basis der jeweiligen IPF-Budgetplanungen). Die Ausgestaltung des Übernahmeverfahrens bleibt den Betriebsparteien auf Konzernebene (Arbeitgeber und Konzernbetriebsrat) vorbehalten."

In der Konzernbetriebsvereinbarung zur Stellenbesetzung vom 12.12.2003 (Bl. 138 f d.A.; kurz KBV Stellenbesetzung) ist geregelt:

§ 1 Leitgedanke

Die D. und der Konzernbetriebsrat sind sich darin einig, dass das Verfahren zur Ausschreibung und Besetzung von Arbeitsplätzen bei den inländischen Konzernunternehmen mit Zugang zum T.-Intranet durch unternehmensübergreifende verbindliche Rahmenregeln harmonisiert werden soll. Ziel ist ein transparenter und durchgängiger Arbeitsmarkt, der die konzerninterne Personalgewinnung erleichtert und den internen Personaltransfer fördert.

(...)

§ 3 Konzernrichtlinie Stellenbesetzung

1. Die anliegende Konzernrichtlinie Stellenbesetzung ist Bestandteil dieser Vereinbarung und enthält die weiteren Einzelheiten zum Verfahren.

2. Zur Änderung der Konzernrichtlinie Stellenbesetzung bedarf es nicht der Kündigung dieser Vereinbarung. Vor jeder beabsichtigten Änderung wird der Konzernbetriebsrat informiert. Änderungen erfolgen unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte gemäß BetrVG.

§ 4 Schlußbestimmungen

(...)

3. Unberührt bleibt die Möglichkeit, auf der Basis dieser Konzernbetriebsvereinbarung unternehmensinterne Regelungen zu schaffen. Diese dürfen der Konzernbetriebsvereinbarung nicht entgegenstehen.

(...)

Die Konzernrichtlinie Stellenbesetzung in der Fassung vom 29.10.2010 (Bl. 140 - 151 d.A.) enthält Rahmenregelungen zur Ausschreibung und Besetzung von Stellen bei den inländischen Konzernunternehmen. Dort heißt es:

2. Umfang der Ausschreibung

2.1 Grundsatz

Freie und besetzbare Arbeitsplätze bei i...

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