Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösung eines Arbietsverhältnisses durch Urteil

 

Leitsatz (amtlich)

Die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSschG ist auch dann möglich, wenn eine weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien infolge eines objektiven Hindernisses wie dem der Betriebsstilllegung oder infolge einer wirksamen Kündigung ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

KSchG § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 27.07.1988; Aktenzeichen 22 Ca 2079/88)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.03.2002; Aktenzeichen 2 AZR 158/01)

 

Tenor

1. Zur Klarstellung des Urteils des Landesarbeitsgerichts München vom 07.06.1996 – 3 (4) Sa 695/91 – wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 27.07.1988 – 22 Ca 2079/88 – abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 17.02.1988 nicht aufgelöst worden ist.

2. Auf den Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 30.06.1988 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von DM 100.000,– zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug trägt die Beklagte. Von den übrigen Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Revisions- und des Wiederaufnahmeverfahrens tragen der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4.

4. Die Revison gegen dieses Urteil wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nur noch über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht.

Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer juristischen Person nach dem Recht der USA einen Radiosender, der Programme für osteuropäische Länder in deren Nationalsprachen ausstrahlt. Sitz des Senders war bis 1995 München.

Der Kläger ist am … in … geboren. Er war politischer Flüchtling im Sinne des Genfer Flüchtlingsabkommens und erhielt Asyl in Frankreich.

Seit dem 16.03.1983 war der Kläger in der Nachrichtenredaktion (News) der polnischen Abteilung des von der Beklagten betriebenen Senders als Redakteur zu einem Monatsgehalt von zuletzt DM 5.648,– und weiteren Entgeltbestandteilen beschäftigt.

Die Redaktionsarbeit erfolgte in täglich wechselndem Schichtdienst. Die Frühschicht begann um 3.00 Uhr.

Seit 1985 war der Kläger auf Grund verschiedener Erkrankungen nach dem Vortrag des Klägers bzw. der Beklagten für die im Folgenden angegebene Zahl von Tagen arbeitsunfähig krankgeschrieben:

Nach Klägervortrag

Nach Beklagtenvortrag

1985

49 Tage

49 Tage

1986

68 Tage

72 Tage

1987

60 Tage

72 Tage

Bemühungen des Klägers um einen anderen Arbeitsplatz bei der Beklagten waren ohne Erfolg.

Mit Schreiben vom 04.12.1987 legte der Kläger der Beklagten das folgende ärztliche Attest vom 02.12.1987 (Blatt 37 der Akten) vor:

Herr … wohnhaft … steht seit 11.11.87 in meiner Behandlung.

Diagnose:

  • Gehäufte Infektanfälligkeit;
  • Chron. rezidiv. Sinubronchialsyndrom;
  • Chron. rezidiv. Laryngitiden;
  • Allergische Diathese mit Rhinitis allergica;
  • V.a. zelluläres Immundefektsyndrom;
  • Partielle Anosmie (idiopathisch);
  • Vegetative Dysregulation mit Dyshidrosis;
  • Chron. rezidiv. Gastroenteritiden bei Vagusneurose;
  • Dysbiose;
  • Chron. rezidiv. Cervikalsyndrom;
  • Schulter-Arm-Syndrom links;
  • Komb. HWS-LWS-Syndrom;
  • Rheumatoider Symptomenkomplex;
  • Schlafstörungen;
  • Psychosomatischer Symptomenkoplex.

Bei Herrn … liegt ein umfangreiches, psychosomatisches Beschwerdebild vor, das meines Erachtens in erster Linie arbeits- und stressbedingt sein dürfte. Ich fände es angebracht Herrn …innerhalb seines Tätigkeitsbereichs personell zu entlasten und ihn – zumindest vorübergehend – von seinen nächtlichen Schichtdiensten zu befreien.

Jedenfalls ist aus ärztlicher Sicht dringend anzuraten, dem sehr sensitiven Patienten andere, d. h. menschlichere Arbeitsbedingungen zu verschaffen. Eventuell ist auch eine Versetzung anzustreben.

Ansonsten kann die Arbeitskraft des Patienten nicht erhalten werden.

Am 21.12.1987 fand – in Anwesenheit des Vorsitzenden des Betriebsrats – ein Personalgespräch mit dem Kläger statt, bei dem unter anderem über die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers gesprochen wurde.

Der Kläger war auch vom 02. bis 10.01.1988 und vom 13.01. bis 27.03.1988 krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 08.02.1988 (Blatt 34 der Akten) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie die Absicht habe, dem Kläger wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten zu kündigen.

Mit Schreiben vom 17.02.1988 (Blatt: 32 f der Akten), dem Kläger zugestellt durch den Gerichtsvollzieher am 23.02.1988, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1988, weil beim Kläger „auch in Zukunft mit weiteren Ausfallzeiten durch Krankheit zu rechnen” sei.

Mit Schreiben vom 23.03.1988, das der Beklagten noch am selben Tag zuging, teilte der Kläger folgendes mit:

Unter Bezugnahme auf das Kündigungsschreiben vom 17.02.1988, …, teile ich innerhalb offener Frist mit, dass ich bereits im Dezember 1987 beim Versorgungsamt München II Antrag auf Anerkennung als Schwerbehinderter gestellt habe und somit Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 SchwbG für den Fall genieße...

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