Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsvollstreckung des Weiterbeschäftigungsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Verpflichtung des Arbeitsgebers, den Arbeitnehmer tatsächlich weiterzubeschäftigen, ist eine unvertretbare Handlung i. S. von § 888 Abs. 1 ZPO.

2. Der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung kann sich der Arbeitgeber nicht dadurch entziehen, daß er den Arbeitsplatz durch Umorganisation entfallen läßt.

3. Eine erneute Kündigung durch den Arbeitgeber wegen Wegfall des Arbeitsplatzes kann im Vollstreckungsverfahren nach § 888 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden.

4. Es ist nicht zulässig, gegen den Arbeitgeber für jeden Tag der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht ein Zwangsgeld festzusetzen.

 

Normenkette

ZPO § 888 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Beschluss vom 16.08.1993; Aktenzeichen 19 Ca 13511/89)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts München vom 16.8.1993 – 19 Ca 13511/89 wird auf deren Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß gegen die Beklagte zur Erzwingung der in Ziffer II des Urteils des Arbeitsgerichts München vom 25.8.1992 – 19 Ca 13511/89 erfolgte Verurteilung, den Kläger als Lager- und Fuhrparkleiter in ihrer Münchner Niederlassung zu beschäftigen, ein Zwangsgeld von 1.000,– DM, für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, eine an den Vorstand der Beklagten Otto Schmidhauer zu vollstreckende Zwangshaft von einem Tag, festgesetzt wird.

 

Gründe

Das Arbeitsgericht München hat mit Urteil vom 25.8.1992 – 19 Ca 13511/89 festgestellt, daß die Kündigung durch die Beklagte vom 27.11.1989 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 30.11.1989 bzw. 30.6.1990 hinaus fortbesteht, und die Beklagte unter anderem verurteilt, den Kläger über den 30.11.1989 bzw. 30.6.1990 hinaus als Lager- und Fuhrparkleiter tatsächlich fortzubeschäftigen. Gegen das ihr am 1.3.1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 1.4.1993 Berufung eingelegt und beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beschäftigte den Kläger trotz dessen Begehren nicht weiter. Der Kläger hat daher am 6.4.1993 beantragt, gegen die Beklagte, da diese ihn entgegen Ziffer II des Urteils des Arbeitsgerichts vom 25.8.1992 als Lager- und Fuhrparkleiter nicht fortbeschäftige, ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 16.8.1992 gegen die Beklagte, sofern diese den Kläger nicht ab dem 23.8.1993 als Lager- und Fuhrparkleiter tatsächlich weiterbeschäftige, für jeden Tag der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld von 1.000,– DM, im Falle der Uneinbringlichkeit eine an der Person des Vorstandes der Beklagten zu vollstreckende Ersatzzwangshaft von einem Tag für jeden Tag der Zuwiderhandlung, festgesetzt. Dagegen hat die Beklagte am 23.8.1993 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügt, daß ihr zu dem Vollstreckungsantrag kein rechtliches Gehör gewährt worden sei. Sie behauptet, die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Klägers sei ihr unmöglich, da ihr Fuhrpark zwischenzeitlich anderweitig organisiert sei und die Geschäftsschließung in München bevorstehe. Die Funktion des Fuhrparkleiters sei nicht mehr vorhanden. Der Arbeitsplatz des Klägers sei weggefallen. Im übrigen habe sie dem Kläger mit Schreiben vom 4.3.1993 vorsorglich erneut zum 30.9.1993 gekündigt. Die dagegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage sei noch am Arbeitsgericht anhängig. Schließlich sei der Kläger zwischenzeitlich bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt.

Die Beklagte beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Vollstreckungsantrag des Klägers zurückzuweisen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig (§§ 793 Abs. 1, 577, 569 Abs. 2 ZPO), ist aber letztlich unbegründet. Das Zwangsmittel ist nur anders, als vom Arbeitsgericht geschehen, festzusetzen.

Sofern der Schuldner aufgrund eines Vollstreckungstitels zu einer Handlung, die von einem Dritten nicht vorgenommen werden kann und ausschließlich vom Willen das Schuldners abhängt (sogenannte unvertretbare Handlung), verpflichtet ist und dem nicht nachkommt, ist er nach § 888 Abs. 1 ZPO auf den Antrag des Gläubigers vom Prozeßgericht des ersten Rechtszuges durch Zwangsgeld oder Zwangshaft zur Vornahme der Handlung anzuhalten. Dabei ist der Schuldner nach § 891 ZPO vorher anzuhören.

Die Beklagte ist nach Ziffer II des Urteils des Arbeitsgerichts vom 25.8.1992 verpflichtet, den Kläger als Lager- und Fuhrparkleiter tatsächlich fortzubeschäftigen. Der Urteilsausspruch dürfte dahin auszulegen sein, daß das Arbeitsgericht entsprechend der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 27.2.1985 – GS 1/84 (= AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) mit der tatsächlichen Fortbeschäftigung des Klägers dessen vorläufige Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der angegriffenen Kündigung vom 27.11.1989 gemeint hat.

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer tatsächlich weiterzubeschäft...

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