nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es kann eine – u.U. gemäß § 119 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG mit Strafe bedrohte – Bevorzugung oder Benachteiligung von Mitgliedern einer betrieblichen Einigungsstelle (§ 78 BetrVG) darstellen, wenn dem Vorsitzenden und den nicht betriebsangehörigen weiteren Mitgliedern der Einigungsstelle extrem unterschiedliche Vergütungen gewährt werden, sofern sich die Differenzierung unter keinem der in § 76 a Abs. 4 Sätze 3 bis 5 BetrVG angeführten Gesichtspunkte sachlich rechtfertigen läßt.

2. Vergütet der Arbeitgeber die Tätigkeit eines Vorsitzenden, der durch die Mitwirkung in der Einigungsstelle keinen Verdienstausfall erleidet, mit einem bestimmten Betrag, so ist es dem Arbeitgeber verwehrt, im Streit über die Höhe der Vergütung eines betriebsfremden Mitglieds der Einigungsstelle geltend zu machen, die Vergütung des Vorsitzenden sei weit überhöht, der Bedeutung der Sache sei daher eine wesentlich niedrigere Vergütung der Tätigkeit der Einigungsstellenmitglieder angemessen.

3. Beträgt die Vergütung des anwaltlichen Beisitzers einer Einigungsstelle weniger als 1/3 der dem Vorsitzenden gewährten Vergütung, so besteht eine Vermutung für einen Verstoß gegen § 78 BetrVG.

4. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine sachliche Rechtfertigung einer weitergehenden Differenzierung der Bewertung der Tätigkeit des Vorsitzenden und der weiteren – betriebsfremden – Mitglieder der Einigungsstelle entspricht – in Übereinstimmung mit der seit Jahrzehnten in der privaten Schiedsgerichtsbarkeit weit verbreiteten Übung – ein Verhältnis von 10 zu 7 zwischen Vergütung des Vorsitzenden und derjenigen eines mitwirkenden, nicht betriebsangehörigen Rechtsanwalts im allgemeinen der Billigkeit.

5. Hält der Arbeitgeber für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als nichtbetriebsangehöriges Mitglied einer Einigungsstelle gem. § 76 BetrVG ein Honorar für angemessen, das weniger als 7/10 des dem Vorsitzenden zugestandenen Honorars beträgt, so hat er die dafür maßgeblichen Sachgesichtspunkte im Streitfalle darzulegen. Ob dabei eine Beschränkung auf diejenigen Rechtfertigungsgründe Platz greift, die zunächst angeführt werden, bleibt unentschieden.

6. Eine Differenzierung kann auch im Hinblick auf einen unterschiedlich zu wertenden Beitrag eines von mehreren Mitgliedern der Einigungsstelle gerechtfertigt sein, etwa bei Einbringung außergewöhnlicher Fachkenntnisse nur durch eines der Mitglieder.

7. Mitglieder der Einigungsstelle haben grundsätzlich nur dann Anspruch auf zusätzliche Berechnung von Mehrwertsteuer neben ihrem Honorar, wenn die Übernahme der Mehrwertsteuer vereinbart wurde (im Anschluß an BAG vom 31.07.1986 – 6 ABR 79/83)]

 

Verfahrensgang

ArbG Regensburg (Beschluss vom 17.09.1990; Aktenzeichen 3 BV 16/90 L)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 12.02.1992; Aktenzeichen 7 ABR 9/91)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Regensburg – Kammer Landshut – AZ.: 3 BV 16/90 L – vom 17. September 1990 in seinen Ziffern 1 und 2 abgeändert.

2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller DM 2.800,– (i.W. zweitausendachthundert Deutsche Mark) zu zahlen; im übrigen wird der weitergehende Antrag abgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Betriebsrat des Betriebs … der Antragsgegnerin hatte die Anrufung einer Einigungsstelle zur Beilegung einer Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat dieser Betriebsstätte darüber beschlossen, ob im Hinblick auf Reduzierungen des Personalstands die Freistellung von einem oder von 2 Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 BetrVG geboten sei, nachdem über die maßgebende Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer keine Einigkeit erzielt werden konnte.

In die daraufhin einvernehmlich mit einem Berufsrichter als Vorsitzenden und je 3 Mitgliedern gebildete Einigungsstelle entsandte der Arbeitgeber einen Rechtsanwalt, seinen nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten, der Betriebsrat beauftragte seinerseits mit Beschluß vom 14.5.1990 ebenfalls einen Rechtsanwalt – den Antragsteller des hiesigen Verfahrens – mit seiner Vertretung in der Einigungsstelle und sicherte ihm eine Vergütung in Höhe von 7/10 des zwischen Arbeitgeber und Vorsitzenden der Einigungsstelle zu vereinbarenden Honorars zu. Der Arbeitgeber wies mit Schreiben vom 7.6.1990 darauf hin, daß er eine Vergütung von 7/10 für den Antragsteller nicht für angemessen halte.

Vor der Einigungsstelle konnte – nach Erörterung und unter Zurückstellung von Bedenken wegen ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung der Meinungsverschiedenheit – nach etwa einstündiger Verhandlung – am 18.6.1990 Einigkeit über eine einvernehmliche Beilegung des strittigen Komplexes erzielt werden.

Die Antragsgegnerin vergütete dem Vorsitzenden – neben Erstattung der Fahrtkosten – ein Honorar von DM 4.000,–, nachdem dieser den Wert des Einigungsstellenverfahrens mit dem zweifachen Jahresverdienst eines freigestellten Betriebsratsmitglieds beziffert hatte (Bl. 12 d.A.). Die vom Antragsteller gefo...

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