Entscheidungsstichwort (Thema)

Pause;. Lohnabzug;. Mitbestimmung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur (Teil-) Nichtigkeit einer Betriebsvereinbarung wegen Überschreitens der den Betriebsparteien nach den §§ 87, 88 BetrVG zustehenden Regelungskompetenzen (hier: pauschale Entgeltkürzung wegen möglicher Kurzpausen von LKW-Fahrern).

 

Normenkette

ArbZG § 4; BetrVG § 77 Abs. 3, §§ 87-88

 

Beteiligte

Herrn Manfred Schönemann

Rechtsanwälte Dr. jur H. H. Schulze-Berge, Michael Schulze-Berge u. a.

Firma Alfred Talke, Spedition GmbH & Co. KG

Alfred Talke Spedition GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Armin Talke und Norbert Talke

Rechtsanwälte von Moers-Schüller, Gläsker & Nielhoff

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 08.02.2001; Aktenzeichen 8 Ca 4688/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.10.2002; Aktenzeichen 1 AZR 603/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 08.02.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 8 Ca 4688/00 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.686,34 DM brutto nebst 4% Zinsen seit dem 08.02.2001 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu ¼ und der Beklagten zu ¾ auferlegt.

4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe von Ansprüchen auf Zahlung von Arbeitsentgelt und Spesen.

Die Beklagte ist ein Speditions- und Lagerungsunternehmen. Der Kläger ist aufgrund Arbeitsvertrages vom 30.03.1992 (Bl. 49 d. A.) seit dem 01.04.1992 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Die Entgeltabrechnung erfolgt auf Stundenbasis.

Am 01.02.2000 schloss die Beklagte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (Bl. 16 – 18 d. A.) ab, die unter Ziffer 4 die folgende Regelung beinhaltet:

„4. Der Betriebsrat und Talke regeln die Pausenzeiten für die von dieser Betriebsvereinbarung erfaßten Fahrer wie folgt:

4.1. Die gesetzlich vorgesehenen Pausenzeiten sind einzuhalten.

4.2. Gegenstand der vorliegenden Betriebsvereinbarung sind die den Fahrern zustehenden Pausen während und im Zusammenhang mit Be- und Entladung.

4.3. Ist der Fahrer nicht verpflichtet bei dem Be- und Entladevorgang, bei der Produktanalyse oder ähnlichen unproduktiven Zeiten anwesend zu sein, so hat der Fahrer eine Pause einzulegen, sofern der Zeitraum mindestens 15 Minuten beträgt.

Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Einlegung einer Pause ist insbesondere auch dann gegeben, wenn der Lademeister der angefahrenen Be- und Entladestelle dem Fahrer mitteilt, er müsse nicht beim Fahrzeug verbleiben, sondern könne sich in die Kantine oder den Aufenthaltsraum begeben oder auch – im Rahmen der Sicherheitsbestimmung der angefahrenen Stelle – frei in oder außerhalb des Geländes bewegen. Die Möglichkeit und Notwendigkeit der Einlegung einer Pause wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Lademeister dem Fahrer einen „Piepser” zum Aufruf mitgibt oder ihm mitteilt, er werde über Lautsprecher auf dem Gelände, in der Kantine, dem Aufenthaltsraum o. ä. aufgerufen.

4.4. Um den durch die Aufzeichnung verursachten erheblichen Verwaltungsaufwand – insbesondere für die Fahrer und die Lohnabrechnung – zu reduzieren, treffen der Betriebsrat und Talke folgende Vereinbarung:

Eine Langzeituntersuchung der anfallenden Pausen hat ergeben, dass die Pausen, die aus den vorgenannten Gründen entstehen – nachfolgend „Kurzpausen” genannt-, im Durchschnitt 5,5% der geleisteten Stunden betragen. Der Betriebsrat und Talke kommen daher überein, dass die Pausen den Fahrern mit einer pauschalen Summe in Höhe von 5,5% der von ihnen geleisteten Stunden in Abzug gebracht werden.

Die Berechnung erfolgt monatlich.

Beispiel: …”

Aufgrund dieser Regelung zog die Beklagte bei der Berechnung des monatlichen Entgelts des Klägers von dessen insgesamt geleisteten Arbeitsstunden einen Anteil von 5,5% ab, bevor sie die Stundenzahl mit dem von ihr gezahlten tariflichen Stundenlohn multiplizierte, und behielt infolge dieser Kürzung und eines auf den Monat März 2000 bezogenen zusätzlichen Berechnungsfehlers in den Monaten Februar und März 2000 einen Betrag von DM 995,02 ein.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dieser Einbehalt – auch soweit er nicht lediglich irrtumsbedingt erfolgte – sei zu Unrecht erfolgt. Die Betriebsvereinbarung sei unwirksam.

Außerdem hat der Kläger die Meinung vertreten, neben dem einbehaltenen Arbeitsentgelt stehe ihm gemäß tarifvertraglicher Bestimmungen für die von ihm zurückgelegten Fahrten, bei denen er den Radius von 50 km um den Standort der Beklagten verlassen habe, ein Spesensatz i. H. v. DM 22,00 pro Tag zu, für die diese Voraussetzungen erfüllenden 27 im Februar und März 2000 durchgeführten Fahrten demnach DM 594,00. Abzgl. unstreitig bereits gezahlter Spesen in Höhe von DM 320,00 verbleibe ein Betrag in Höhe von DM 274,00.

Mit der ursprünglich erhobenen Klage hat der Kläger die Summe aus den für März und Februar 2000 angeblich ausstehenden Entgelt- (DM 995,02) und Spesenbeträgen (DM 274,00...

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