Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmereigenschaft. Transportfahrerin. Wettbewerbsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird eine Transportfahrerin durch die Vorgabe der Organisation, der Abrechnungsgrundsätze, der Preisgestaltung und der Einbindung in vielfache Ordnungs- und Verhaltensregeln in ihrer Entscheidungsfreiheit stark eingeschränkt, so ist ein vereinbarteSS Wettbewerbsverbot und seine Ausgestaltung letztlich von entscheidender Bedeutung dafür, dass die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit entsteht.

 

Normenkette

BGB § 611; HGB § 418

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 28.05.1997; Aktenzeichen 6 Ca 342/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 28. Mai 1997 – 6 Ca 342/95 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 1995 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte trägt die Kosten des durch dieses Urteil erledigten Teils des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darum, ob das Rechtsverhältnis zwischen ihnen als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.

Die Klägerin war seit dem 15. November 1991 für die Beklagte als „Unternehmerin” Fahrerin beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das für seine Kunden Kurierfahrten erledigt. Die von der Beklagten zu erbringenden Kurierdienstleistungen werden im Rahmen eines, allerdings untypischen, „Franchise-Systems” erbracht: Die Beklagte/die selbst über keinerlei eigene Fahrzeuge im Rahmen ihres Kurierdienstbetriebes verfügt, schließt im Rahmen der ihr von ihren Kunden erteilten Aufträge mit diesen Dienstleistungsverträge über die jeweilige Beförderung von Sachen. Sie selbst vergibt diese Aufträge im eigenen Namen und für eigene Rechnung an „Subunternehmer” (Fahrer), mit denen ein Vertrag wie der nachfolgend dargestellte geschlossen worden ist. Diese „Subunternehmer” erbringen sodann die in Auftrag gegebene Leistung gegenüber der Beklagten im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Die Abrechnung gegenüber dem Kunden erfolgt ausschließlich durch die Beklagte, während dem „Subunternehmer” gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Fuhrlohn zusteht, und zwar in Höhe des Anspruchs der Beklagten gegenüber dem Kunden. Bei der Beklagten sind regelmäßig weit mehr als 5 „Subunternehmer”/Fahrer tätig.

Zwischen den Parteien gilt ein Vertrag nebst Richtlinien, der dem zur Akte gereichten Vertrag des Kurierfahrers … der Beklagten, des Klägers in dem Parallelrechtsstreit 6 Ca 341/95 des Arbeitsgerichts Hamburg, 2 Sa 55/97 des Landesarbeitsgerichts Hamburg entspricht (vgl. Anlage K 1, Blatt 26 bis 37 d. A.). Der Vertrag und die während der Laufzeit des Vertrages gültigen Richtlinien lauten auszugsweise wie folgt:

„Der … befasst sich mit Stadtbotenaufträgen, das heißt Kurierdiensten, die durch die Beauftragung von selbstständigen Kurierunternehmern durchgeführt werden. Diese Unternehmer führen den Transport für den … zu den Konditionen aus, die der … seinerseits mit den Kunden vereinbart hat. Für die Auftragsvergabe und die weiteren damit in Verbindung stehenden Leistungen erhält der … vom Unternehmer eine Vergütung.

Der Unternehmer ist an der Ausführung derartiger vom … zu erteilenden Aufträge interessiert und trifft daher mit dem Stadtboten die folgende Vereinbarung:

§ 1

Beförderungsbedingungen, Richtlinien

  1. Der … übernimmt sämtliche … ausschließlich zu den Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den gewerblichen Güternahverkehr mit Kraftfahrzeugen (AGNB) in der Jeweils neuesten Fassung.
  2. Im Verhältnis zwischen dem … und dem Unternehmer gelten unbeschadet der Ziff. 1 die AGNB sowohl als mit dem Kunden vereinbart als auch im Innenverhältnis zwischen dem … und dem Unternehmer, soweit sich nicht aus diesem Vertrag etwas anderes ergibt.
  3. Der Unternehmer ist verpflichtet, während des Bestehens des Vertragsverhältnisses bei der Durchführung der vom … erteilten Aufträge die diesem Vertrag beigefügten „Richtlinien” (Anlage 1) zu beachten und einzuhalten.

    Diese Richtlinien sind in ihrer jeweils geltenden Fassung Bestandteil dieses Vertrages. Der … ist berechtigt, diese Richtlinien gem. den Erfordernissen nach billigem Ermessen zu ändern und zu ergänzen. Die Änderungen werden dem Unternehmer schriftlich bekannt gegeben. Die Jeweils gültige Fassung der Richtlinien kann im Übrigen beim eingesehen werden.

§ 2

Verantwortlichkeit des Unternehmers

  1. Der Unternehmer führt die vom … erteilten Aufträge unter eigener Regie und Verantwortung bei Beachtung der unter § 1 genannten Bedingungen und Richtlinien aus.
  2. Der Unternehmer ist selbst verantwortlich für die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen und den Abschluss der erforderlichen Versicherungen (z. B. Betriebshaftpflicht), die sein Gewerbe betreffen.

§ 3

Rechnungserteilung, Inkasso, Preise

  1. Die Abrechnung und Rechnungserteilung ebenso wie das Inkasso gegenüber dem Kunden erfolgt ausschließlich im Namen und für Rechnu...

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