Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Niederlassungsberaters bei Teilung einer Nebentätigkeit für allgemeine Bürotätigkeiten in der Arztpraxis seiner Lebensgefährtin

 

Leitsatz (amtlich)

Berechtigte Interessen des Arbeitgebers können schon dann beeinträchtigt sein und der Ausübung einer Nebentätigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L entgegenstehen, wenn nicht auszuschließen ist, dass sie eine negative Wirkung u. a. auf die Öffentlichkeit hat.

 

Normenkette

TV-L § 3 Abs. 4 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 21.06.2018; Aktenzeichen 2 Ca 3089/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.12.2019; Aktenzeichen 6 AZR 23/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 21.06.2018 - 2 Ca 3089/18 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Berechtigung des Klägers, einer bezahlten Nebentätigkeit nachzugehen.

Der Kläger, geboren am 08.08.1983, ist seit dem 01.08.2011 für die Beklagte, zuletzt als Niederlassungsberater, zu einem Bruttomonatsgehalt von EUR 4.715,55 tätig. Nach § 2 Abs. 2 des von den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags vom 29.06.2011 (Bl. 7 ff. dA.) findet der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder (iF.: "TV-L") auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie soll die ambulante medizinische und psychotherapeutische Versorgung von rund 9,5 Millionen Einwohnern im Gebiet Nordrhein sicherstellen. Zu ihren Aufgaben gehört es, die Qualität der ärztlichen Leistungen zu sichern, das Honorar unter den Vertragsärzten, psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie den zur ambulanten Behandlung ermächtigten Krankenhausärzten zu verteilen, deren Interessen gegenüber Krankenkassen zu vertreten sowie den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu organisieren.

Der Kläger ist als Niederlassungsberater örtlich zuständig für die Städte N., E., P. und den Kreis L.. Inhaltlich berät er Ärzte und Psychotherapeuten ua. bei der Existenzgründung oder bei der Übernahme von Praxen. Hierzu nimmt er betriebswirtschaftliche Berechnungen (zB. Liquiditätsanalysen) und Praxisbewertungen vor.

Mit Anzeige vom 16.03.2018 (Bl. 10 ff. dA.) informierte der Kläger die Beklagte über die Aufnahme einer Nebentätigkeit für sechs Stunden wöchentlich zu einer Vergütung von EUR 450,00 brutto monatlich bei seiner Lebensgefährtin Dr. E. V. ab dem 01.06.2018. Frau Dr. V. ist Dermatologin mit Sitz in F.-G.. Sie betreut zumindest auch Kassenpatienten. Die Tätigkeit des Klägers sollte nach Maßgabe der Anzeige "allgemeine Bürotätigkeiten" umfassen. Die Ärzte im Stadtgebiet F. werden von der Kollegin des Klägers, B. C., betreut.

Mit Schreiben vom 18.04.2018 (Bl. 14 dA.) untersagte die Beklagte die Nebentätigkeit und berief sich hierzu auf § 3 Abs. 4 Satz 2 TV-L. § 3 Abs. 4 TV-L bestimmt folgendes:

"(4) Nebentätigkeiten gegen Entgelt haben die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen. Der Arbeitgeber kann die Nebentätigkeit untersagen oder mit Auflagen versehen, wenn diese geeignet ist, die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Beschäftigten oder berechtigte Interessen des Arbeitgebers zu beeinträchtigen. Für Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst kann eine Ablieferungspflicht nach den Bestimmungen, die beim Arbeitgeber gelten, zur Auflage gemacht werden."

Im Einzelnen berief sich die Beklagte im Schreiben vom 18.04.2018 darauf, dass aus objektiver Sicht eines Dritten durch die Aufnahme der Nebentätigkeit ein Interessenkonflikt mit der Tätigkeit des Klägers als Niederlassungsberater nicht ausgeschlossen werden könne, was wiederum ihre Interessen beeinträchtige.

Bei der Beklagten gilt eine Compliance-Richtlinie vom 01.06.2016 (Bl. 75 ff. dA.), die zu Interessenkonflikten insbesondere folgendes regelt:

"4. Vermeidung und Offenlegung von Interessenkonflikten

Für den Umgang mit möglichen Interessenkonflikten gilt folgendes:

a) Persönliche Beziehungen

Wird dem für eine Sache zuständigen Bearbeiter/der Bearbeiterin ein persönlicher Bezug (z.B. Verwandtschaftsverhältnis, Freundschaft, Bekanntschaft) bekannt, teilt er/sie dies gegenüber dem/der jeweiligen Vorgesetzten mit, so dass die Zuständigkeit auf eine/n andere/n Mitarbeiter/in übertragen werden kann.

[…]

c) Nebentätigkeit

Die Ausübung einer Nebentätigkeit ist anzuzeigen. Hierbei wird das Bestehen eines Interessenkonfliktes geprüft. […]"

Der bei der Beklagten gebildete Personalrat hatte der Untersagung der Nebentätigkeit des Klägers am 17.04.2018 zugestimmt (vgl. Bl. 54 dA.).

Nachdem der Kläger mitteilte, dass seine Lebensgefährtin aus gesundheitlichen Gründen auf seine Mithilfe, etwa bei der Ablage, angewiesen sei, hielt die Beklagte mit E-Mail vom 08.05.2018 (Bl. 15 ff. dA.) an ihrer Untersagung fest.

Mit seiner am 18.05.2018 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klage hat der Kläger die Erteilung einer Nebentä...

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