Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei Konfliktlagen. Keine Anhörungspflicht bei Versetzungen. "Im Bereich" keine Konkretisierung des Arbeitsortes. Keine Festlegung des Arbeitsortes durch jahrelange Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung ist durch Auslegung der Inhalt der vertraglichen Regelungen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Festzustellen ist, ob ein bestimmter Tätigkeitsinhalt und Tätigkeitsort vertraglich festgelegt sind und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.

2. Die Versetzung hat billigem Ermessen zu entsprechen. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit.

In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum.

3. Es ist Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will und zwar unbeschadet des Streits um ihre Ursachen. Der Arbeitgeber muss dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären.

Liegt in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessenspielraum verletzt der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt.

4. Die Verletzung von Anhörungspflichten nach § 4 Abs. 1 S. 2 TVöD führt nicht zur Unwirksamkeit der Versetzung. Letztlich trägt der Arbeitgeber das Risiko, wenn er die - ihm mangels Anhörung nicht bekannten - Interessen des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat und die Versetzung deshalb nicht billigem Ermessen entspricht.

 

Normenkette

GewO § 106; BGB § 315; TVöD § 4; ArbGG § 64 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 20.11.2018; Aktenzeichen 6 Ca 5273/18)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.11.2018 - 6 Ca 5273/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Der im Jahre 1972 geborene, verheiratete und zwei Kindern (6 und 13 Jahre alt) zum Unterhalt verpflichtete Kläger stand seit Juli 1998 mit der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern in einem Arbeitsverhältnis als Orthopädietechniker. Das durchschnittliche Einkommen des Klägers belief sich zuletzt auf 2.958,30 Euro brutto. Die Arbeitszeit betrug 38,5 Stunden pro Woche, wobei ein flexibles Arbeitszeitmodell mit Gleitzeiten zwischen 07:30 Uhr und 18:00 Uhr und Kernzeiten Montag bis Donnerstag von 09:00 Uhr bis 15:30 Uhr und Freitag von 09:00 Uhr bis 15:00 Uhr bestand. Die Ehefrau des Klägers arbeitete als Arbeitsvermittlerin bei der Bundesagentur für Arbeit in der L. Straße in Berlin-M. mit 30 Wochenstunden, verteilt auf 5 Arbeitstage. Es gilt auch dort ein Gleitzeitmodell. Wohnhaft war die Familie des Klägers in Potsdam.

Der Kläger nahm seine Tätigkeit zunächst im O.-H.-Heim in Berlin-Dahlem auf. Nach einem Betriebsübergang auf das H.-Klinikum Emil von B. ging das Arbeitsverhältnis am 1. Oktober 2009 auf die Beklagte über. Ein Personalüberleitungsvertrag vom 25. August 2009 (Bl. 22 ff d. A.) regelte als Folge des Betriebsübergangs zum 1. Oktober 2009 unter anderem die Fortgeltung der bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen. Der einzige noch mit dem O.-H.-Heim schriftlich geschlossene Arbeitsvertrag vom 1. Juli 1998 (Bl. 19 d. A.) enthielt auszugsweise folgende Regelungen:

"Herr Z. (der Kläger) wird am 1. Juli 1998 im Bereich des O..-H.-Heims als Facharbeiter für Orthopädieschuhtechnik in der Tätigkeit als Orthopädietechniker unter Einreihung in die Lohngruppe 7 BTM-G II eingestellt...

...Für das Arbeitsverhältnis sind maßgebend:

b) Der Bundesmanteltarif für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BTM-GII) - mit der Sondervereinbarung (SV) Anlage 9 f.2 Buchstabe i - unter Berücksichtigung der für das O..-H.-Heim geltenden Fassung. (Tarifvertrag für Arbeiter vom 20.12.1968)

c) Sowie die zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in ihrer geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft tretenden Tarifverträge Anwendung..."

Die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerinnen beschäftigten den Kläger bis zur Versetzung ausschließlich in der zuletzt im H. Klinikum Emil von B. an der W.straße 11, 14165 Berlin-Ze...

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