Entscheidungsstichwort (Thema)

Unionsrechtmäßige Anrechnung von Berufserfahrungszeiten bei der Stufenzuordnung im öffentlichen Dienst. Unbegründete Differenzlohnklage eines Schulpsychologen in einer Beratungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

§ 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L, wonach die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten einschlägigen Berufserfahrungszeiten bei der Stufenzuordnung nur bis maximal zur Stufe 3 angerechnet werden, während die beim selben Arbeitgeber zurückgelegten einschlägigen Berufserfahrungszeiten nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L voll berücksichtigt werden, verstößt nicht gegen die Gewährleistung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV.

 

Normenkette

TV-L § 16 Abs. 2 Sätze 2-3; AEUV Art. 45

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 29.07.2015; Aktenzeichen 29 Ca 1319/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.02.2017; Aktenzeichen 6 AZR 244/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts S. vom 29.07.2015 - 29 Ca 1319/15 - abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Stufenzuordnung des Klägers.

Der am 26.11.1956 geborene Kläger ist seit 1. Oktober 2011 bei dem beklagten Land als Schulpsychologe in einer Beratungsstelle tätig. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 29. September 2011 zugrunde. Hiernach gelten für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie sonstige für den öffentlichen Dienst des Landes einschlägige Tarifverträge. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe E 13 eingruppiert. Bei seiner Einstellung wurde der Kläger der Stufe 3 zugeordnet. Bei einer Teilzeittätigkeit von 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit belief sich das Bruttomonatsentgelt des Klägers auf € 2.952,09. Am 1. Oktober 2014 erreichte der Kläger die Stufe 4. Hiernach belief sich sein Bruttoarbeitsentgelt auf € 3.243,97.

Der Kläger ist Diplom-Psychologe. Vom 1. August 1995 bis 15. November 1995 war er an der R-Universität H. zunächst als studentische Hilfskraft und vom 16. November 1995 bis 30. April 1996 als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Gerontologie in einem Forschungsprojekt tätig. Vom 15. Mai 1996 bis 31. August 2000 war der Kläger mit einer Unterbrechung im Jahr 1997 als geprüfte wissenschaftliche Hilfskraft und als wissenschaftlicher Angestellter am Z-Institut in M. beschäftigt. Er war hierbei in die Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert. Vom 1. September 2000 bis 8. Februar 2002 war der Kläger bei den H. Werkstätten mit einer halben Stelle Mitarbeiter eines Projekts; auch hierbei war er in die Vergütungsgruppe IIa BAT eingruppiert. Zeitweise parallel hierzu war der Kläger Einzelbetreuer eines Menschen mit autistischen Zügen; hierbei war er in die Vergütungsgruppe Vc eingruppiert.

Vom 18. März 2002 bis 31. Dezember 2009 war der Kläger als Psychologe bei der Stiftung Haus L. tätig; hierbei war er in die Vergütungsgruppe 2 AVR Caritas eingruppiert. Vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2011 war der Kläger schließlich als Psychologe bei den Werkstätten E/K als Psychologe beschäftigt; hierbei war er in die Entgeltgruppe 13 TVöD-VKA eingruppiert. Wegen der Einzelheiten seiner Tätigkeiten wird auf die vorgelegten Arbeitszeugnisse (Abl. 136 der erstinstanzlichen Akte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 4. August 2014 (Abl. 113 der erstinstanzlichen Akte) teilte der Kläger dem Regierungspräsidium S. mit, er habe 16 Jahre Berufserfahrung bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt. Wäre diese einschlägige Berufserfahrung angerechnet worden, hätte er der Stufe 5 zugeordnet werden müssen. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 - C-514/12 - sei es unzulässig, Zeiten bei anderen Arbeitgebern unberücksichtigt zu lassen. Er sei daher rechtlich seit Beginn seiner Tätigkeit am 1. Oktober 2014 (richtig: 2011) der Stufe 5 zugeordnet. Die Entgeltdifferenz mache er hiermit geltend. Das Regierungspräsidium S. entsprach diesem Anliegen nicht.

Mit seiner am 6. März 2015 eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst die monatlichen Entgeltdifferenzen von Februar 2014 bis Februar 2015 zwischen der Stufe 4 und 5 in Höhe von € 401,03 geltend gemacht. Auf die Mitteilung des beklagten Landes, der Kläger habe erst am 1. Oktober 2014 die Stufe 4 erreicht, hat der Kläger die Klage für den Zeitraum 2014 bis September 2014 dahingehend erweitert, dass die Vergütungsdifferenz zwischen den Stufen 3 und 5 in Höhe von € 692,10 brutto begehrt wird. Der Kläger hat vorgetragen, er verfüge aufgrund der vorherigen Arbeitsverhältnisse über eine einschlägige langjährige Berufserfahrung. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Dezember 2013 sei es unzulässig, die bei anderen Arbeitgebern erworbenen Berufserfahrungszeiten unberücksichtigt zu lassen.

Der Kläger hat beantragt:

  1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 692,10 € brutto Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 01.03.2014 zu bezahlen.
  2. Das beklagte La...

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