Entscheidungsstichwort (Thema)

Umkleidezeit. Vorbereitungszeiten. Vergütungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Nach Inkrafttreten des TVÖ-D besteht im Öffentlichen Dienst grundsätzlich keine Vergütungspflicht für Umkleidezeiten als Vor- bzw. Nachbereitungszeiten. Etwas anderes gilt für Zeiten der Desinfektion bei der der Arbeitnehmer bereits besondere Sorgfaltspflichten zu beachten hat.

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 28.04.2008; Aktenzeichen 2 Ca 6062/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.05.2011; Aktenzeichen 5 AZR 181/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeits gerichts Stuttgart vom 28.04.2008 – 2 Ca 6062/07 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 155,08 EUR brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.08.2007 zu zahlen.
  2. Es wird festgestellt, dass die vergütungspflichtige Arbeits zeit des Klägers mit dem Desinfizieren beginnt.
  3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückge wiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 2/3, die Be klagte zu 1/3 zu tragen.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die vom Kläger aufgewandte Zeit des Umkleidens und des Desinfizierens seiner Hände am Beginn und am Ende seiner Arbeitszeit von der Beklagten zu vergüten ist.

Wegen des erstinstanzlichen unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien einschließlich ihrer Rechtsansichten wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

In der Berufungsinstanz wurde unstreitig, dass in dem bei der Beklagten geltenden Hygieneplan in Nr. 6.2 folgende Regelung enthalten ist:

Personalverhalten

Erregerübertragungen von einem auf den anderen Patienten kommen in einem hohen Prozentsatz über die Hände des Personals zustande. Die wichtigste Maßnahme ist daher auch auf Intensivstationen die Händedesinfektion.

Beim Betreten der Intensivstation ist eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.

Intensivpersonal trägt Bereichskleidung in Form von Kasack und Hose. Täglich bei Arbeitsbeginn wird in der Personalschleuse die private Kleidung oder Arbeitskleidung abgelegt und die Bereichskleidung angezogen. Nach Arbeitsende wird die Bereichskleidung in der Personalschleuse in entsprechende Wäschesäcke abgeworfen.

(…)

Bei der Händedesinfektion ist ein Desinfektionsmittel auf den Händen, einschließlich Fingerzwischenräumen und Unterarmen zu verteilen. Die Hände sind sodann mindestens 30 Sekunden mit dem Desinfektionsmittel feucht zu halten.

Der Kläger hat in dem dem Zahlungsantrag zugrunde liegenden Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.06.2007 bei Dienstantritt jeweils nach Durchschreiten der Tür zur Intensivstation zunächst die Hände desinfiziert, sich danach in dem sich bereits innerhalb der Intensivstation befindlichen Umkleideraum umgezogen und sodann erneut die Hände desinfiziert. Bei Dienstende hat er beim Betreten des Umkleideraums seine Hände desinfiziert und sich danach umgezogen und ohne weitere Desinfektion die Intensivstation verlassen. Hinsichtlich des genauen Ablaufs der Händedesinfektion und des Umkleidens bei Dienstbeginn und Dienstende des Klägers wird auf die unstreitige Schilderung im Schriftsatz der klagenden Partei vom 10.09.2008 (ABl. 71 f.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 28.04.2008 hat das Arbeitsgericht sowohl der auf die Vergütung für eine Umkleidezeit von arbeitstäglich 12 Minuten im Zeitraum vom 01.01.2007 bis 31.07.2007 gerichteten Zahlungsklage als auch dem Antrag auf Feststellung, dass die Zeit des Umkleidens zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört, stattgegeben. Das Arbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, das Umkleiden diene beim Kläger alleine einem fremden Bedürfnis, weil ihm das Tragen von Schutzkleidung, die er nicht nach Hause mitnehmen dürfe, vorgeschrieben sei. Der Umkleidevorgang sei nach der organisatorischen Gestaltung bei der Beklagten so eng mit der Hauptleistung des Klägers als Krankenpfleger auf der Intensivstation verbunden, dass die für das Umkleiden aufgewandte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen sei.

Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts verwiesen.

Gegen das der Beklagten am 16.05.2008 zugestellte Urteil legte diese mit beim Landesarbeitsgericht am 04.06.2008 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein und führte diese mit Schriftsatz vom 08.07.2008 aus.

Die Beklagte rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung des Arbeitsgerichts. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts stelle das Umkleiden des Klägers lediglich eine nicht vergütungspflichtige Vor- und Nachbereitungshandlung dar. Eine objektive Vergütungserwartung für diese Zeit könne aus dem Umstand, dass der Kläger Schutzkleidung zu tragen habe, nicht abgeleitet werden. Dazuhin habe das Arbeitsgericht nicht pauschal von einem Umkleidevorgang von zwei Mal sechs Minuten ausgehen dürfen. Bei der gebote...

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