Entscheidungsstichwort (Thema)

Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 bzw. § 103 BetrVG. Beleidigungen als Kündigungsgrund. Kündigung wegen Beleidigung. Betriebsratsmitglied. Zustimmung des Betriebsrats

 

Leitsatz (redaktionell)

Die erheblichen Unterschiede zwischen dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG und dem Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG lassen eine Übertragung der sogenannten Sphärentheorie auf das Zustimmungsverfahren des § 103 BetrVG nicht zu. Der Arbeitgeber darf jedoch nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes auf die Wirksamkeit einer ihm vom Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilten Zustimmung vertrauen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 102-103; BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 15.05.2003; Aktenzeichen 4 Ca 11952/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom15. Mai 2003 – Az.: 4 Ca 11952/01 – teilweise abgeändert:

Das Versäumnisurteil vom 16. Mai 2002 wird insoweit aufrechterhalten, als festgestellt worden ist, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 30. November 2001 aufgelöst worden.

2. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt die Beklagte 4/5 und der Kläger 1/5. Die durch die Säumnis der Beklagten im ersten Rechtszug entstandenen Kosten trägt diese allein.

4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 30. November 2001 erklärten außerordentlichen Kündigung.

Der am 22. November 1942 geborene Kläger ist verheiratet und drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Das jüngste Kind ist schwerbehindert. Er ist mit Wirkung vom 05. Juli 1990 als Flugzeugreiniger in die Dienste der Beklagten getreten und erzielt einen durchschnittlichen Monatsverdienst in Höhe von 1.789,52 EUR. Bei der Beklagten ist im Jahre 2001 ein aus fünf Personen bestehender Betriebsrat gebildet worden. Der Kläger hat als Ersatzmitglied des Betriebsrats an Betriebsratssitzungen teilgenommen. Zwischen ihm und dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden, welcher vom Kläger bei seiner Wahl unterstützt worden ist, kam es im Laufe der Zeit zu Spannungen. Auf Grund einer Ausschreibung fasste die Beklagte den Entschluss, einen Herrn D…, der vom Betriebsrat zum Vorsitzenden gewählt worden war, zum Einsatzleiter mit Wirkung zum 01. Oktober 2001 zu befördern. Der Kläger verfasste ein dagegen gerichtetes, von einer Vielzahl von Arbeitnehmern unterzeichnetes Schreiben (ABl. 20). Aus diesem Grund ist der Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 (ABl. 19) abgemahnt worden. Am 27. November 2001 kam es, als der neue Einsatzleiter auf Weisung der Geschäftsführung der Beklagten dabei war, mit einer sog. Blockmaschine die Halle zu reinigen, was zumindest teilweise mit der Ableistung von Überstunden verbunden war, zu einem Streit mit dem Kläger. Der mit der Reinigung beauftragte Mitarbeiter fertigte am 27. November 2001 (ABl. 76) eine Notiz über den Vorfall. Eine weitere Notiz (ABl. 77) wurde gefertigt über einen weiteren Vorfall vom 29. November 2001, der im Zusammenhang damit stand, dass sich ein Herr W… geweigert haben soll, mit dem Kläger Karten zu spielen.

Mit ihrem Schreiben vom 29. November 2001 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung aus „personalbedingten” Gründen an und nannte als Kündigungstermin den 03.12.2001. Als Gründe wurden die wiederholte Störung des Betriebsfriedens und die wiederholte Beleidigung des Betriebsratsvorsitzenden angeführt. Der Betriebsrat bestätigte das Schreiben am 29. November 2001 erhalten zu haben und stimmte unter demselben Datum der Kündigung zu. Mit einem weiteren Schreiben vom selben Tag (BBl. 41) lud der Betriebsratsvorsitzende zu einer außerordentlichen Betriebsratssitzung auf Freitag, den 30. November 2001 ein. Als Tagesordnungspunkt war darin enthalten: Verhalten von Herrn T… und seine Abwahl aus dem Betriebsrat wegen Vertrauensbruch. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. November 2001 fristlos gekündigt. Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 18. Dezember 2001 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage gewandt.

Der Kläger hat geltend gemacht, er habe weder am 27. noch am 29. November 2001 Herrn D… bzw. Herrn W… beleidigt oder beschimpft. Er habe am 27. November auf Englisch zu dem Mitarbeiter D… gesagt, „du hast uns betrogen” im Hinblick auf sein Verhalten vor bzw. nach der Betriebsratswahl. Er habe sich mit diesem über die schlechte Arbeit als Betriebsratsvorsitzender unterhalten. Er, der Kläger, habe sich für die Einführung eines Betriebsrats stark gemacht und sich insbesondere für Herrn D… eingesetzt, damit dieser zum Betriebsrat gewählt werde. Nach der Wahl habe sich gezeigt, dass Herr D… seine Einstellung grundlegend geändert habe und als verlängerter Arm der Unternehmensleitung und nicht als Arbeitnehmervertreter aufgetreten sei. Er, der Kläger...

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