Es gibt keine absoluten Kündigungsgründe, insbesondere keine Fälle, die eo ipso "wichtiger Grund" wären.

Das Arbeitsgericht prüft zunächst, ob Tatsachen vorliegen, die "an sich" einen Grund für einen wichtigen Grund[1] darstellen können. Der Arbeitgeber muss das Vorliegen eines solchen schuldhaften Verstoßes gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten darlegen und beweisen. Ist das gelungen, prüft das Arbeitsgericht, ob im konkreten Einzelfall die Kündigung gerechtfertigt ist. Dabei wird zugleich geprüft, ob unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, weil dem Arbeitgeber das Zuwarten bis zum nächsten Termin einer ordentlichen Kündigung nicht zuzumuten ist. Den Prüfungsmaßstab hat das BAG im Urteil v. 19.7.2012 wieder ausführlich erläutert.[2]

Die Arbeitsgerichte prüfen jeden Einzelfall, da es gerade bei der außerordentlichen Kündigung auf die beiderseitigen Interessen ankommt.

  • Abwerbung von Arbeitskollegen

    Unter besonderen Umständen kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn z. B. der Arbeitnehmer Kollegen zu verleiten sucht, unter Vertragsbruch beim bisherigen Arbeitgeber auszuscheiden, oder wenn er im Auftrag eines Konkurrenzunternehmens handelt.[3]

  • Alkohol

    Fälle von Alkoholmissbrauch am Arbeitsplatz können nach mehrfacher Abmahnung ausreichen.[4] Dies insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer die ihm aufgrund einer Dienstvereinbarung gebotenen Chancen nicht nutzt. Der Entzug der Fahrerlaubnis infolge einer Trunkenheitsfahrt reicht beim Berufskraftfahrer für eine fristlose Kündigung[5] aus, da selbstverschuldete Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

    Im Fall einer Unkündbarkeit nach § 34 Abs. 2 TVöD kann Alkoholismus als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung genügen.[6] Die Wirksamkeit der Kündigung richtet sich dann nach den Grundsätzen der krankheitsbedingten Kündigung.[7]

  • Amok und Suizid

    Ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst hatte im Rahmen eines bEM-Gesprächs Äußerungen gemacht, die als Androhung eines Suizids einerseits und als Ankündigung eines Amoklaufs andererseits verstanden wurden. Der Arbeitgeber kündigte fristlos. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Fall zurückverwiesen. Dabei wurde die Drohung mit einem Amoklauf (unmittelbare Gefahr für den Arbeitgeber und die anderen Arbeitnehmer) als ein "an sich" geeigneter Kündigungsgrund angesehen. Aber auch die Drohung mit einem Suizid als Mittel um den Arbeitgeber zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen zu nötigen, ist aus der Sicht des Bundesarbeitsgerichts ein an sich geeigneter Kündigungsgrund.[8]

  • Beleidigung

    Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder Vorgesetzten können ausreichen, wenn sie durch die konkreten Umstände besonders schwer wiegen.[9]

  • Die Bezeichnung des Vorgesetzten als "Hurensohn" und die Drohung, ihm den Kopf abzuschneiden, rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung.[10]
  • Private beleidigende Äußerungen, von denen der Vorgesetzte durch Dritte Kenntnis erhält, rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung i. d. R. jedoch nicht.[11] Durch die Verbreitung von Nachrichten – auch Beleidigungen – über die Wege des Social Media (z. B. Facebook, Twitter, u. v. a. m.) bekommt die Abgrenzung zwischen betrieblichem und privatem Bereich eine neue Relevanz.[12] Es gibt eine Reihe aktueller Urteile, in denen Beleidigungen von Vorgesetzten und Kollegen Grund einer Kündigung waren und die Gerichte sich mit den fließenden Grenzen der privaten Äußerung und der – weiten – öffentlichen Wahrnehmbarkeit auseinandersetzen mussten. Auch hier ist zu beachten, dass es stets auf die Besonderheiten des Einzelfalls ankommt. Das Arbeitsgericht Hagen[13] hat entschieden, dass grobe Beleidigungen des Chefs mit üblen Formalbeleidigungen auf einem Facebook Account, der Freunden und deren Freunden zugänglich ist, nicht mehr privat sind und wegen ihrer hohen Verbreitung einen Kündigungsgrund darstellen können. Dabei war dann aufgrund der Abwägung die außerordentliche Kündigung unwirksam, aber die zugleich fürsorglich ausgesprochene fristgerechte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung wirksam.[14] Das Arbeitsgericht Duisburg[15] hatte ebenfalls eine Formalbeleidigung zu prüfen, und die grundsätzliche Geeignetheit solcher Art veröffentlichter Beleidigungen als Grund einer Kündigung bejaht. Aufgrund vorangegangener Provokation jedoch im Einzelfall zugunsten des Arbeitnehmers entschieden. Während das Arbeitsgericht Bochum[16] einem Auszubildenden mangelnde Reife zugute hielt und die – in Facebook gepostete – Bezeichnung des Arbeitgebers als Menschenschinder und Ausbeuter nicht für eine außerordentliche Kündigung ausreichend ansah, hat das LAG Hamm[17] in der Berufung die Klage abgewiesen und bei einem immerhin 27 Jahre alten Azubi die Kündigung als wirksam angesehen. In anderen Verfahren wurden Bedienfehler, vorausgegangene Provokationen ...

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