1 Einleitung

Das kirchliche Arbeitsrecht erscheint auf den ersten Blick unübersichtlich, weil hier die verfassungsmäßigen Rechte der Kirchen, ihre eigenen Rechtsvorschriften und ihre organisatorische Struktur, das Leitbild der Dienstgemeinschaft und die historische Entwicklung zusammenfließen.

2 Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland haben aufgrund des Artikel 4 Grundgesetz, der die Religionsfreiheit beinhaltet, und aufgrund des Artikel 140 Grundgesetz, durch den die Mehrzahl der Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung als vollgültiges Verfassungsrecht in das Grundgesetz aufgenommen wurde, eine Sonderstellung inne. Nach Artikel 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung besteht für ihre eigenen Angelegenheiten ein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstbestimmungsrecht. Die Kirchen können danach im Rahmen der für alle geltenden Gesetze ihre Angelegenheiten selbst ordnen und verwalten. Dies umfasst auch die Gestaltung derArbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst[1] (Individualarbeitsrecht) und die Beteiligungsrechte der Mitarbeiterschaft in Belangen der Einrichtungen[2] (Kollektives Arbeitsrecht).

Das Selbstbestimmungsrecht erstreckt sich dabei auf alle Einrichtungen, die der Kirche zugeordnet sind.[3] Dies sind neben solchen der Amtskirche und der Ordensgemeinschaften auch die caritativen und diakonischen Einrichtungen, weil sie nach kirchlichem Selbstverständnis eine Wesens- und Lebensäußerung der Kirche darstellen.

3 Leitbild der Dienstgemeinschaft

Der spezifisch religiöse Charakter des kirchlichen Dienstes drückt sich im ebenfalls verfassungsrechtlich[1] geschützten Leitbild der Dienstgemeinschaft aus. Durch die gemeinsame Verantwortung aller Christen für den Auftrag der Kirche zu Verkündigung, Gottesdienst und Nächstenliebe ergibt sich die gemeinsame Verantwortung von Mitarbeitern und Dienstgebern für und in kirchlichen Einrichtungen. Alle Beteiligten sind in gleicher Weise der religiösen Grundlage und Zielrichtung verpflichtet, weil sie als Mitglieder der Kirche an ihrer Sendung in gleicher Weise teilnehmen.

Dieses Leitbild der Dienstgemeinschaft prägt das kirchliche Arbeitsrecht. Es schließt die Existenz und Wahrnehmung unterschiedlicher Interessen von Mitarbeitern und Dienstgebern nicht aus. Alle Beteiligten sind verpflichtet, bei Konflikten den Weg der partnerschaftlichen Lösung zu finden.

4 Kircheneigenes Arbeitsrechtssystem

Die beiden Kirchen einschließlich Caritas und Diakonie haben für ihre Beschäftigungsverhältnisse ein kircheneigenes Arbeitsrechtssystem für den tariflichen Bereich geschaffen, um das Wesen der Kirche, das Leitbild der Dienstgemeinschaft und gleichzeitig die Interessen der Mitarbeiter durch eine Beteiligung an der Gestaltung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts zu wahren.

Dieses kircheneigene Arbeitsrechtssystem wird auch als Dritter Weg der Kirchen bezeichnet. Danach werden die Arbeitsrechtsregelungen für die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse nicht durch Abschluss von Tarifverträgen mittels Verhandlung sowie Streik und Aussperrung nach dem Tarifvertragsgesetz festgelegt, sondern durch paritätisch besetzte Kommissionen nach kircheneigenen Ordnungen beschlossen.

5 Katholische Kirche

Grundlage des Arbeitsrechts der katholischen Kirche ist die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse[1], die in den Bistümern als Kirchengesetz in Kraft gesetzt worden ist. Danach wird die Beteiligung der Mitarbeiter an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen gesichert, indem Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse ausschließlich durch Beschlüsse paritätisch mit der gleichen Anzahl von Vertretern der Mitarbeiter und der Dienstgeber besetzter Kommissionen zustande kommen.

Die Kirche regelt dieses Arbeitsrechtssystem in kircheneigenen Ordnungen. Für alle 27 Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland besteht entweder eine Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts (Bistums-KODA) oder mehrere Bistümer haben sich regional zusammengeschlossen und für ihre Gebiete eine gemeinsame Kommission (Regional-KODA) geschaffen. Um die Einheit des kirchlichen Arbeitsrechts der katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen, besteht außerdem für bestimmte kirchenspezifische Regelungsmaterien auf Bundesebene eine gemeinsame Kommission (Zentral-KODA), die in diesem Rahmen für alle Bistümer verbindliche Beschlüsse fasst.

Die unmittelbaren Rechte und Pflichten der einzelnen Mitarbeiter im kirchlichen Dienst der katholischen Kirche richten sich nach der jeweiligen kirchlichen Arbeitsvertragsordnung und den Regelungen, die durch die Bistums-KODA, durch die Regional-KODA oder durch die Zentral-KODA beschlossen werden. Die Kommissionen fällen ihre Beschlüsse mit einer 3/4-Mehrheit, die vom jeweiligen Bischof als kirchlichem Gesetzgeber für seine Diözese in Kraft ges...

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