BSG, Urteil vom 7.6.2019, B 12 R 6/18 R u. a.

Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, sind in dieser Tätigkeit grds. keine Selbstständigen, sondern stehen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis.

Sachverhalt

Das Gericht hatte vorliegend über Verfahren im Rahmen von Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV und Betriebsprüfungsverfahren nach § 28p SGB IV über die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei verschiedenen Gesundheitsberufen zu entscheiden. Insbesondere ging es auch um Tätigkeiten staatlich anerkannter Altenpfleger im Bereich der stationären Pflege in zur Versorgung durch die Pflegekassen zugelassenen Pflegeheimen, die sowohl im Tag- als auch im Nacht- oder Wochenenddienst ausgeübt worden waren.

Der Begriff der Honorarpflegekraft ist nicht gesetzlich definiert. Häufig werden jedoch Pflegefachkräfte auf Honorarbasis im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung sowie im Rahmen stationärer oder ambulanter Pflege eingesetzt. Die Einsätze und Dienste sind hierbei meist individuell vereinbart. Sie arbeiten häufig für mehrere Auftraggeber sowie zeitlich auf Tage oder wenige Wochen befristet. Die Vermittlung erfolgt oft über Agenturen, der Stundensatz ist hierbei im Voraus festgelegt und liegt üblicherweise deutlich über dem Arbeitsentgelt einer vergleichbar eingesetzten angestellten Pflegefachkraft.

Die Entscheidung

Das Gericht hat das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und das Bestehen von Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung bejaht und geurteilt, dass Pflegekräfte, die als Honorarpflegekräfte in stationären Pflegeeinrichtungen tätig sind, in dieser Tätigkeit regelmäßig nicht als Selbstständige anzusehen sind, sondern als Beschäftigte der Sozialversicherungspflicht unterliegen.

Das Gericht führte in seinen Gründen zunächst aus, dass zwar weder der Versorgungsauftrag einer stationären Pflegeeinrichtung noch die Regelungen über die Erbringung stationärer Pflegeleistungen nach dem SGB XI oder das Heimrecht des jeweiligen Landes eine zwingende übergeordnete Wirkung auf den sozialversicherungsrechtlichen Status von in stationären Einrichtungen tätigen Pflegefachkräften hätten; regulatorische Vorgaben seien jedoch bei der Gewichtung der Indizien zur Beurteilung der Versicherungspflicht zu berücksichtigen. Und diese führten im Regelfall zur Annahme einer Eingliederung der Pflegefachkräfte in die Organisations- und Weisungsstruktur der stationären Pflegeeinrichtung.

Unternehmerische Freiheiten seien nach Auffassung des BSG bei der konkreten Tätigkeit in einer stationären Pflegeeinrichtung kaum denkbar und eine Selbstständigkeit könne nur ausnahmsweise angenommen werden, wofür jedoch gewichtige Indizien sprechen müssten. Nicht ausreichend seien bloße Freiräume bei der Aufgabenerledigung, etwa ein Auswahlrecht der zu pflegenden Personen oder bei der Reihenfolge der einzelnen Pflegemaßnahmen.

Die beigeladene Pflegefachkraft im Leitfall (B 12 R 6/18 R) war somit beim Pflegeheim beschäftigt; denn sie war nicht unternehmerisch tätig, sondern hat, wie die übrigen beim Pflegeheim angestellte Pflegefachkräfte, ihre Arbeitskraft vollständig eingegliedert in einen fremden Betriebsablauf eingesetzt. An diesem Ergebnis könne auch der vorhandene Mangel an Pflegefachkräften nichts ändern, da die sowohl der Versichertengemeinschaft als auch den einzelnen Versicherten dienenden sozialrechtlichen Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht auch in Mangelberufen nicht zu suspendieren seien, um die Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen "entlastete" und deshalb höhere Entlohnung zu steigern.

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