Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf alle sozialen Vergünstigungen für Wanderarbeitnehmer im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten. Vergünstigung durch eine Förderung, die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Durchführung eines Studiums im Bereich der beruflichen Fortbildung gewährt wird. Behinderung der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und im Hoheitsgebiet eines dieser beiden Mitgliedstaaten niedergelassenen Arbeitnehmern der Gemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 hat der Wanderarbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten ebenso wie die inländischen Arbeitnehmer Anspruch auf alle sozialen Vergünstigungen. Eine Förderung, die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zur Durchführung eines Studiums im Bereich der beruflichen Fortbildung gewährt wird, stellt eine solche Vergünstigung dar. Deshalb ist es den Behörden eines Mitgliedstaats nicht erlaubt, die Gewährung eines Stipendiums für ein Studium in einem anderen Mitgliedstaat einem Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats wohnt und dort eine Tätigkeit im Lohn – oder Gehaltsverhältnis ausübt, jedoch die Staatsangehörigkeit eines dritten Mitgliedstaats besitzt, mit der Begründung zu verweigern, daß dieser Arbeitnehmer nicht die Staatsangehörigkeit des Wohnmitgliedstaats besitze. Ein zweiseitiges – auch ausserhalb des Anwendungsbereichs des EWG-Vertrags und vor dessen Inkrafttreten geschlossenes – Abkommen, das die Gewährung der fraglichen Stipendien den Staatsangehörigen der beiden Mitgliedstaaten, die Parteien des Abkommens sind, vorbehält, kann die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und im Hoheitsgebiet eines dieser beiden Mitgliedstaaten niedergelassenen Arbeitnehmern der Gemeinschaft nicht behindern.

2. Nach Artikel 5 EWG-Vertrag treffen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag ergeben. Wenn also die Anwendung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift durch eine Maßnahme behindert werden kann, die im Rahmen der Durchführung eines – auch ausserhalb des Anwendungsbereichs des Vertrages geschlossenen – zweiseitigen Abkommens getroffen worden ist, ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, die Anwendung dieser Vorschrift zu erleichtern und zu diesem Zweck jeden anderen Mitgliedstaat, dem eine Verpflichtung aus dem Gemeinschaftsrecht obliegt, zu unterstützen.

 

Normenkette

EWGV 1612/68 Art. 11; EWGVtr Art. 7, 48, 59, 128; EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2; EWGVtr Art. 5

 

Beteiligte

Annunziata Matteucci

Communauté française de Belgique

Commissariat général aux relations internationales of the Communauté française de Belgique

 

Tenor

Artikel 7 der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ist dahin auszulegen, daß er es den Behörden eines Mitgliedstaats nicht erlaubt, die Gewährung eines Stipendiums für ein Studium in einem anderen Mitgliedstaat einem Arbeitnehmer, der im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats wohnt und dort eine Tätigkeit im Lohn – oder Gehaltsverhältnis ausübt, jedoch die Staatsangehörigkeit eines dritten Mitgliedstaats besitzt, mit der Begründung zu verweigern, daß dieser Arbeitnehmer nicht die Staatsangehörigkeit des Wohnmitgliedstaats besitze. Ein zweiseitiges Abkommen, das die Gewährung der fraglichen Stipendien den Staatsangehörigen der beiden Mitgliedstaaten, die Parteien des Abkommens sind, vorbehält, kann die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von inländischen Arbeitnehmern und im Hoheitsgebiet eines dieser beiden Mitgliedstaaten niedergelassenen Arbeitnehmern der Gemeinschaft nicht behindern.

 

Gründe

1 Der belgische Conseil d' État hat mit Urteil vom 16. Juli 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 7, 48, 59, 60 und 128 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt, um die Vereinbarkeit einer Entscheidung der belgischen Behörden, bestimmte Stipendien nur belgischen Staatsangehörigen zu gewähren, mit diesen Vorschriften beurteilen zu können.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Annunziata Matteucci und dem Commissariat général aux relations internationales de la Communauté française de Belgique (nachstehend: CGRI), in dem es um die Weigerung des CGRI geht, die Klägerin für ein Stipendium vorzuschlagen, das sie beantragt hatte, um Spezialisierungskurse an der Hochschule der Künste in Berlin zu besuchen, die damit begründet worden war, daß die aufgrund des deutsch-belgischen Kulturabkommens gewährten Stipendien ausschließlich Bewerbern belgischer Staatsangehörigkeit vorbehalten seien.

3 Artikel IV des am 24. September 1956 zwischen dem Königreich Belgien und der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Abkommens (United Nations Treaty Series 263, Nr. 3766) si...

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