Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitnehmer. Gleichbehandlung. Leistungen für Waisen. Wehrdienst

 

Leitsatz (amtlich)

1 Freizuegigkeit – Arbeitnehmer – Gleichbehandlung – Soziale Vergünstigungen – Familienangehörige – Mittelbare Nutznießung – Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Gemeinschaft verstorben ist – Ausschluß

2 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen – Gleichbehandlung – Familienleistungen – Leistungen für Waisen – Anspruch auf die Verlängerung der Gewährung einer Waisenrente, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zugunsten der Rentenberechtigten vorgesehen ist, die ihre Ausbildung wegen Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen haben – Gleichstellung des in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienstes mit dem nationalen Wehrdienst bei der Verlängerung

3 Die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 sind nur mittelbare Nutznießer der Gleichbehandlung, die dem Arbeitnehmer durch Artikel 7 dieser Verordnung zuerkannt wird.

Dem Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der nicht die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne des Artikels 48 des Vertrages und dieser Verordnung besitzt, da er vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Gemeinschaft verstorben ist, kann daher der in dieser Vorschrift niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in der Eigenschaft eines Familienangehörigen eines Gemeinschaftsarbeitnehmers zugute kommen.

4 Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

Der in dieser Vorschrift niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nämlich nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der aus den Systemen der sozialen Sicherheit leistungsberechtigten Personen, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen. Die Ablehnung der Gleichstellung des in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienstes mit dem nationalen Wehrdienst kann aber tatsächlich zu dem Ergebnis führen, daß den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten das Recht, daß die Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus für einen der Dauer des Wehrdienstes entsprechenden Zeitraum weitergewährt wird, wenn die Ausbildung des Rentenempfängers durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, nicht in Anspruch nehmen können.

 

Normenkette

EGVtr Art. 48 (jetzt Art. 39 EG); EWGV 1612/68 Art. 7 Abs. 2, 10; EWGV 1408/71 Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

Mora Romero

Carlos Mora Romero

Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz

 

Tenor

Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

 

Gründe

1 Das Bundessozialgericht hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 8. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 6, 48 und 51 EG-Vertrag sowie des Artikels 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Mora Romero (im folgenden: Kläger) und der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (im folgenden: Beklagte) über die Gewährung einer Waisenrente nach der Reichsversicherungsordnung (RVO).

3 § 1267 Absatz 1 Sätze 2 und 3 RVO lautet wie folgt:

„Die Waisenrente wird längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet … I...

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