Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung. Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung. Berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen oder anderen Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht. Religion oder Weltanschauung, die eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Begriff. Art der Tätigkeiten und Umstände ihrer Ausübung

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 10, 21, 47; AEUV Art. 17

 

Beteiligte

Egenberger

Vera Egenberger

Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V

 

Tenor

1. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist in Verbindung mit deren Art. 9 und 10 sowie mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass für den Fall, dass eine Kirche oder eine andere Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, zur Begründung einer Handlung oder Entscheidung wie der Ablehnung einer Bewerbung auf eine bei ihr zu besetzende Stelle geltend macht, die Religion sei nach der Art der betreffenden Tätigkeiten oder den vorgesehenen Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos dieser Kirche oder Organisation, ein solches Vorbringen gegebenenfalls Gegenstand einer wirksamen gerichtlichen Kontrolle sein können muss, damit sichergestellt wird, dass die in Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Kriterien im konkreten Fall erfüllt sind.

2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass es sich bei der dort genannten wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderung um eine Anforderung handelt, die notwendig und angesichts des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten ist und keine sachfremden Erwägungen ohne Bezug zu diesem Ethos oder dem Recht dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie umfassen darf. Die Anforderung muss mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen.

3. Ein mit einem Rechtsstreit zwischen zwei Privatpersonen befasstes nationales Gericht ist, wenn es ihm nicht möglich ist, das einschlägige nationale Recht im Einklang mit Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 auszulegen, verpflichtet, im Rahmen seiner Befugnisse den dem Einzelnen aus den Art. 21 und 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erwachsenden Rechtsschutz zu gewährleisten und für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen zu sorgen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet lässt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 17. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Juli 2016, in dem Verfahren

Vera Egenberger

gegen

Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten T. von Danwitz, J. L. da Cruz Vilaça und A. Rosas, der Richter E. Juhász, M. Safjan und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas, F. Biltgen (Berichterstatter), M. Vilaras und E. Regan,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Frau V. Egenberger, vertreten durch Rechtsanwalt K. Bertelsmann im Beistand von P. Stein,

des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung e. V., vertreten durch Rechtsanwalt M. Sandmaier sowie durch M. Ruffert und G. Thüsing,

der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,

Irlands, vertreten durch E. Creedon, M. Browne, L. Williams und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von C. Toland, SC, und S. Kingston, BL,

der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. November 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Vera Egenberger und dem Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. (im Folgenden: Evangelisches Werk) über eine von Frau Egenberger erhoben...

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