Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Begriff des Arbeitnehmers. Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung. Amt des Präsidenten einer Hafenbehörde. Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse. Staatsangehörigkeitsvoraussetzung

 

Normenkette

AEUV Art. 45 Abs. 1, 4

 

Beteiligte

Haralambidis

Iraklis Haralambidis

Calogero Casilli

 

Tenor

Unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ist Art. 45 Abs. 4 AEUV dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht gestattet, die Ausübung der Aufgaben des Präsidenten einer Hafenbehörde seinen Staatsangehörigen vorzubehalten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 8. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Mai 2013, in dem Verfahren

Iraklis Haralambidis

gegen

Calogero Casilli,

Beteiligte:

Autorità Portuale di Brindisi,

Ministero delle Infrastrutture e dei Trasporti,

Regione Puglia,

Provincia di Brindisi,

Comune di Brindisi,

Camera di Commercio Industria Artigianato ed Agricoltura di Brindisi,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Haralambidis, vertreten durch G. Giacomini, R. Damonte, G. Scuras und G. Demartini, avvocati,
  • von Herrn Casilli, vertreten durch R. Russo, avvocato,
  • der Autorità Portuale di Brindisi, vertreten durch G. Giacomini und R. Damonte, avvocati,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, D. Martin und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juni 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 45 AEUV, 49 AEUV und 51 AEUV, der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36) und der Art. 15 und 21 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Haralambidis, einem griechischen Staatsangehörigen, und Herrn Casilli wegen der Ernennung von Herrn Haralambidis zum Präsidenten der Autorità Portuale di Brindisi (Hafenbehörde von Brindisi).

Italienisches Recht

Rz. 3

Art. 51 der italienischen Verfassung bestimmt: „Alle Staatsbürger des einen oder des anderen Geschlechts haben nach den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Ämtern oder Wahlämtern”, und: „Das Gesetz kann für die Zulassung zu öffentlichen Ämtern oder Wahlämtern den Staatsbürgern die Italiener gleichstellen, die nicht zur Italienischen Republik gehören.”

Rz. 4

Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass die Wendung „die Italiener, die nicht zur Italienischen Republik gehören” die Bürger italienischer Staatsangehörigkeit meint, die im Ausland ansässig sind.

Rz. 5

Die Art. 38 Abs. 1 und 2 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 165 betreffend die allgemeinen Regeln über die Arbeitsorganisation in der öffentlichen Verwaltung (decreto legislativo n. 165, Norme generali sull'ordinamento del lavoro alle dipendenze delle amministrazioni pubbliche) vom 30. März 2001 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 106 vom 9. Mai 2001, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 165/01) bestimmt:

„(1) Die Bürger der Mitgliedstaaten [der Europäischen Union] haben Zugang zu Ämtern in der öffentlichen Verwaltung, die nicht die unmittelbare oder mittelbare Ausübung öffentlicher Gewalt mit sich bringen und sich nicht auf den Schutz des nationalen Interesses beziehen.

(2) Durch Verordnung des Präsidenten des Ministerrats … werden die Ämter und Aufgaben, für die die italienische Staatsangehörigkeit unverzichtbar ist, sowie die Voraussetzungen festgelegt, die für den Zugang [zu Ämtern], die den in Abs. 1 bezeichneten Bürgern offenstehen, unabdingbar sind.”

Rz. 6

Die Verordnung Nr. 174 des Präsidenten des Ministerrats über die Festlegung der Regeln für den Zugang der Bürger der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu Ämtern in der öffentlichen Verwaltung (Decreto del Presidente del Consiglio dei Ministri, Regolamento recante norme sull'accesso dei cittadini degli Stati membri dell'Unione europea ai posti di lavoro presso le amministrazioni pubbliche) vom 7. Februar 1994 (GURI Nr. 61 vom 15. März 1...

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