Gemäß § 165 Satz 1 SGB IX melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Gemäß § 165 Satz 3 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben haben oder von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden sind, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.[1]"Werden eingeladen" im Sinne dieser Vorschrift bedeutet soviel wie "sind einzuladen". Diese Verpflichtung dient zur Erhöhung der Chancen eines schwerbehinderten Bewerbers. Er hat seine Chance auch dann zu bekommen, wenn seine fachliche Eignung zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist. Selbst wenn sich der Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme, muss er den schwerbehinderten Bewerber einladen. Auch wenn der schwerbehinderte Bewerber mutmaßlich schlechter geeignet ist als ein oder mehrere Mitbewerber, soll er durch die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch die Chance bekommen, den Arbeitgeber trotz der schlechteren "Papierform" von seiner Eignung zu überzeugen.

Nur in dem Fall, dass die fachliche Eignung offensichtlich (d. h. unzweifelhaft) fehlt, ist eine Einladung entbehrlich (§ 165 Satz 4 SGB IX). Ob die fachliche Eignung offensichtlich fehlt, ist an dem vom Arbeitgeber mit der Stellenausschreibung bekannt gemachten Anforderungsprofil zu messen.[2]

Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung lassen die Einladungspflicht nicht entfallen, da die Zweifel ggf. gerade durch bzw. im Vorstellungsgespräch ausgeräumt werden können.[3]

Diese zusätzliche Verpflichtung betrifft alle "öffentlichen Arbeitgeber". Der Begriff des öffentlichen Arbeitgebers ist in § 154 Abs. 2 SGB IX definiert. Darunter fallen u. a. jede Gebietskörperschaft und jeder Verband von Gebietskörperschaften sowie jede sonstige Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts.

 
Praxis-Tipp

Es empfiehlt sich für einen öffentlichen Arbeitgeber dringend, einen schwerbehinderten Bewerber im Zweifel – wenn also eine fachliche Eignung nicht ganz offensichtlich fehlt – zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

Die angeführten Regelungen schützen das Recht des Bewerbers auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren. Dieser Anspruch besteht unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Eine bereits erfolgte Benachteiligung wird durch die (spätere) Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes nicht berührt.[4] Eine erfolgte Benachteiligung und ein eventuell daraus resultierender Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG kann daher nicht dadurch abgewehrt werden, dass das Einstellungsverfahren nicht zu Ende geführt wird.

Aus dem Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren ergibt sich auch, dass die bessere Eignung von Mitbewerbern eine Benachteiligung nicht ausschließt. So ist auch nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG selbst dann eine Entschädigung zu leisten, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Ein Entschädigungsanspruch besteht nach Auffassung des BAG schon dann, wenn "in dem Motivbündel, das die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat, die Schwerbehinderung als negatives Kriterium enthalten ist". Die Behinderung darf bei der Einstellungsentscheidung überhaupt nicht zulasten des schwerbehinderten Bewerbers berücksichtigt werden. Für die Annahme einer Benachteiligung wegen einer Behinderung reicht es aus, dass dieser Benachteiligungsgrund "mit ursächlich" war.[5]

 
Praxis-Beispiel

In diesem Zusammenhang wurde der Entschädigungsklage eines schwerbehinderten Bewerbers stattgegeben, der entgegen § 165 SGB IX (§ 82 a. F.) nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, obwohl er objektiv für die Stelle geeignet war. Der öffentliche Arbeitgeber konnte sich auch nicht dadurch entlasten, dass er unter Beachtung des Grundsatzes der Bestenauslese gem. Art. 33 Abs. 2 GG im Vergleich zu den übrigen Bewerbern überproportional mehr Schwerbehinderte zum Auswahlgespräch eingeladen hatte bzw. dass er in die Vorauswahl die Schwerbehindertenvertretung mit einbezogen hatte; denn § 165 SGB IX (§ 82 a. F.) gibt dem einzelnen schwerbehinderten Bewerber einen Individualanspruch auf Einladung zu einem Vorstellungsgespräch, sodass die Nichteinladung ein Indiz für eine Benachteiligung darstellt.[6]

 
Praxis-Beispiel

Der öffentliche Arbeitgeber kann sich u. U. dadurch entlasten, dass er Tatsachen vorträgt und beweist, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Bewerbers ausschlaggebend waren, um die auf einen Verstoß gegen § 82 Satz 2 a. F. SGB IX gestützte Kausalitätsvermutung zu widerlegen. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn der...

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