Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluß aus dem Personalrat. Werbung, Inhalt und Grenzen der gewerkschaftlichen – durch Personalratsmitglieder (Verwendung des Briefkopfes des Personalrats)

 

Leitsatz (amtlich)

Zu Inhalt und Grenzen der gewerkschaftlichen Werbung durch Personalratsmitglieder (Verwendung des Briefkopfes des Personalrats in einem Werbebrief).

Grobe Beschimpfungen oder Verunglimpfungen können den Ausschluß eines Personalratsmitglieds aus dem Personalrat rechtfertigen.

 

Normenkette

BPersVG §§ 28, 67 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Beschluss vom 24.01.1990; Aktenzeichen 18 P 89.03351)

VG München (Beschluss vom 02.10.1989; Aktenzeichen M 14 P 88.4597)

 

Tenor

Der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Januar 1990 wird aufgehoben.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichts München – Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten – vom 2. Oktober 1989 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Beteiligte zu 3 ist freigestelltes Mitglied des Personalrats beim Postamt 3 München, des Beteiligten zu 1. Er gehört dem Personalrat als Vertreter der Arbeiter an und ist nach der internen Geschäftsverteilung des Personalrats für die 350 Beschäftigten des Paketzustelldienstes und der Eingangspackkammer zuständig.

Mit dem Absender „Deutsche Postgewerkschaft, Ortsverwaltung München” übersandte er diesen Beschäftigten am 21. Juli 1988 folgendes Schreiben:

„Deutsche Bundespost Personalrat beim Postamt 3 München

Liebe Kollegin, lieber Kollege!

Schwarz-Schilling und seine Knechte machen ernst.

Sie wollen ein Netz um uns Postier spinnen, aus dem es kein Entkommen geben soll. Die Kapitalisten und Konzerne lauern auf uns wie die Spinne im Netz auf ihr Opfer.

Die Opfer sind in erster Linie wir als Postler und Steuerzahler und nicht zuletzt unsere Postkunden, wenn es zur Spaltung der Post kommt.

Wer wiederum glaubt, was kann man denn schon tun, oder was geht das mich an, steht von vorneherein als Verlierer fest.

Jetzt kommt es darauf an, daß wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen, gemeinsam unsere Interessen wahrnehmen.

Dies kann nur geschehen, wenn wir uns zusammentun, uns einig sind.

Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) mit dem solidarischen Verhalten der Kollegen im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bietet die einzige Chance, nicht aufgefressen zu werden. Die Vertrauensleute und Personalräte der DPG werden anläßlich einer weiteren Aktion ‚Rettet – sichert’ (RESI) zur Z(V)erschlagenheit des Postministers und der Bundesregierung im persönlichen Gespräch Stellung nehmen und auf die Wichtigkeit, gemeinsam unsere Interessen zu wahren, hinweisen.

Daher ist es notwendig, Mitglied in der DPG zu sein oder zu werden, denn ‚nur Einigkeit macht stark’.

Wir müssen stärker werden, wenn wir nicht die Schwächeren sein wollen!

Mit kollegialen Grüßen”

(es folgt der volle Name des Beteiligten zu 3)

Dem Schreiben lagen jeweils ein Vordruck der Deutschen Postgewerkschaft für einen Aufnahmeantrag und ein Briefumschlag bei, auf dem als Absender „DPG, Ortsverwaltung München” und als Adressat „Personalrat 8.000 München 3” vermerkt waren. Schreiben, Aufnahmeantrag und Rückumschlag waren in einem Umschlag mit dem Absender „Deutsche Postgewerkschaft, Ortsverwaltung München”, enthalten, der den Beschäftigten mit aufgeklebtem Anschriftszettel am Arbeitsplatz übergeben wurde.

Am 8. September 1988 leitete der Antragsteller, eine in dem Postamt vertretene Gewerkschaft, das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren ein und stellte den Antrag, den Beteiligten zu 3 gemäß § 28 Abs. 1 BPersVG wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten aus dem Personalrat auszuschließen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag ab. Auf die Beschwerde des Antragstellers hob der Verwaltungsgerichtshof den erstinstanzlichen Beschluß auf und schloß den Beteiligten zu 3 als Mitglied des Personalrats beim Postamt München 3 aus. Die Entscheidung ist im wesentlichen wie folgt begründet:

Der Beteiligte zu 3 habe seine Pflicht als Personalratsmitglied dadurch verletzt, daß er mit dem Briefkopf des Personalrats schriftlich an über 300 Beschäftigte seiner Dienststelle herangetreten sei und sie zum Eintritt in seine Gewerkschaft aufgefordert habe. Auch wenn ein Personalratsmitglied gemäß § 67 Abs. 2 BPersVG in der Betätigung für eine Gewerkschaft in der Dienststelle nicht beschränkt sei, dürfe er nicht unter Verwendung seines Amtes Gewerkschaftswerbung treiben. Er sei vielmehr nach § 67 Abs. 1 Satz 2 BPersVG verpflichtet, sich bei der Ausübung seines Amtes so zu verhalten, daß das Vertrauen der Verwaltungsangehörigen in die Neutralität seiner Amtsführung auch in gewerkschaftlicher Hinsicht nicht beeinträchtigt werde. Der Beteiligte zu 3 habe aber dadurch sein Amt als Mitglied des Personalrats zur Werbung für eine Gewerkschaft benutzt, daß er für den Werbebrief den Briefkopf „Deutsche Bundespost, Personalrat beim Postamt 3 München” verwendet und auf dem beigelegten Briefumschlag, der zur Rücksendung des ausgefüllten Aufnahmeantrages bestimmt gewesen sei, die Adresse „Personalrat 8.000 München 3” angegeben habe. Damit habe der Beteiligte zu 3 den Eindruck erweckt, der Personalrat selbst werbe Mitglieder für eine bestimmte Gewerkschaft.

Ein kundiger Empfänger des Werbebriefes habe allerdings Schlüsse aus der Tatsache ziehen können, daß der Beteiligte zu 3 den Brief selbst unterschrieben hatte, obwohl er nicht Personalratsvorsitzender gewesen sei und der Brief auch keine Angelegenheit der Gruppe der Arbeiter war, deren Gruppensprecher der Beteiligte zu 3 war. Aus diesen Gründen habe der Brief keine rechtmäßige Äußerung des Personalrats sein können. Der Kundige habe vielmehr annehmen können, daß sich der Beteiligte zu 3 das Tätigwerden für den Personalrat angemaßt habe. Man könne aber nicht davon ausgehen, daß der normale Empfänger des Werbebriefes dies durchschaut habe.

Den Ausschluß aus dem Personalrat begründe eine solche Pflicht-Verletzung nur, wenn sie „grob” gewesen sei. Ein Personalratsmitglied sei sehr wohl berechtigt, in der Dienststelle einen Beschäftigten zum Eintritt in eine bestimmte Gewerkschaft zu werben, wenn er dabei nicht in seiner amtlichen Funktion als Personalratsmitglied auftrete und nicht nachhaltig und unter Ausübung von Druck handele. Ein wiederholtes, hartnäckiges Werben für eine bestimmte Gewerkschaft unter Hinweis auf die Möglichkeiten des Personalrats oder gar unter Andeutung, daß diese Möglichkeiten je nach Gewerkschaftszugehörigkeit genutzt würden, habe im vorliegenden Fall gänzlich gefehlt. Die Werbeaktion des Beteiligten zu 3 sei eine einmalige Handlung gewesen. Er habe den Inhalt des Briefes grob formuliert und versucht, bei dem Adressaten eine allgemeine berufliche Zukunftsangst zu erzeugen. Unter persönlichem Druck oder unter Drohung habe er aber damit gleichwohl nicht geworben.

Dennoch sei sein in dieser Werbeaktion liegender Pflichtverstoß im Sinne des Gesetzes grob. Er habe in den Werbebriefen den Personalrat offen als Werbemittel verwendet. Er habe gegenüber einer großen Zahl von Beschäftigten versucht, mit der Autorität und dem Vertrauen, das der Personalrat bei den Beschäftigten genieße, Mitglieder für seine Gewerkschaft zu werben. Jeder unbefangene Leser des Werbebriefes habe den Eindruck bekommen müssen, daß der Personalrat in Sorge um die berufliche Zukunft der Postbediensteten ausschließlich auf die Deutsche Postgewerkschaft setze und alle dränge, in ihrem eigenen Interesse in diese Gewerkschaft einzutreten. Damit habe der Beteiligte zu 3 dem Vertrauen der Beschäftigten in die gewerkschaftliche Neutralität des Personalrats in weit größerem Maße geschadet, als wenn er in einer erkennbar persönlichen Aktion im Einzelfall durch Mißbrauch der Personalvertretung für seine Gewerkschaft geworben hätte. Er habe nämlich nicht nur seine eigene Integrität in Frage gestellt, sondern massive Zweifel an der gewerkschaftlichen Neutralität des gesamten Personalrats hervorgerufen.

Der äußere Geschehensablauf seiner Handlungsweise sei dem Beteiligten zu 3 bewußt gewesen. Er habe nicht übersehen können und habe auch erkannt, daß durch sein Verhalten ein derartiger Vertrauensverlust eintreten werde. Allerdings habe er nicht gezielt mit solcher Absicht gehandelt, sondern diese Folgen nur zur Erreichung seines eigentlichen Ziels, einer Werbung neuer Mitglieder für seine Gewerkschaft, billigend in Kauf genommen. Damit habe er aber gezeigt, daß er sich über die gesetzlichen Grenzen seines Amtes hinwegsetze, wenn diese seinen Bestrebungen im Wege stünden. Er habe somit auch schuldhaft gehandelt.

Gegen diese Entscheidung haben die Beteiligten zu 1 und 3 die vom Beschwerdegericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Sie beantragen,

den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Januar 1990 aufzuheben und die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichts München – Fachkammer für Personalvertretungsangelegenheiten – vom 2. Oktober 1989 zurückzuweisen.

Sie führen aus, es erscheine bereits zweifelhaft, ob das Schreiben des Beteiligten zu 3 als Werbeversuch zu bewerten sei. Dem Beteiligten zu 3 sei es erkennbar im wesentlichen um eine kritische Auseinandersetzung mit dem obersten Dienstherrn gegangen. Dieser habe sich offensichtlich davon nicht beschwert gefühlt. Der Aufruf, in eine Gewerkschaft einzutreten, und das Nennen einer bestimmten Gewerkschaft sei erkennbar nebensächlich gewesen.

Jedenfalls sei die Auffassung des Beschwerdegerichts, durch die Verwendung des Briefkopfes des Personalrats in dem Schreiben sei das Vertrauen der Beschäftigten in die gewerkschaftliche Neutralität des Personalrats in besonders hohem Maße zerstört worden, nicht schlüssig. Dazu müsse man den gesamten Brief lesen, was die Beschäftigten sicher getan hätten. Dann könne man aber nicht auf die Idee kommen, der Beschäftigte habe vermuten müssen, daß der Personalrat seine Verpflichtung zur gewerkschaftlichen Neutralität aufgegeben habe. Weil der Inhalt des Briefes deutlich erkennbar mit den Aufgaben des Personalrats nichts zu tun gehabt habe, habe an sich jedem Leser klar werden müssen, daß die Verwendung des Briefkopfes mehr zufällig erfolgt sei und keineswegs bedeuten solle, daß der Beteiligte zu 1 in Zukunft die Beschäftigten unter Berücksichtigung ihrer Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft unterschiedlich behandeln wolle. Im übrigen wisse ohnehin jeder Beschäftigte, daß der Beteiligte zu 3 Mitglied einer Gewerkschaft sei, so daß er davon nicht überrascht sein könne.

Der Antragsteller beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die – zulässigen – Rechtsbeschwerden sind begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht der Beschwerde des Antragstellers gegen den erstinstanzlichen Beschluß stattgegeben und den Beteiligten zu 3 aus dem Personalrat beim Postamt 3 München ausgeschlossen.

Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG war der Antragsteller als eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft berechtigt, den Antrag auf Ausschluß des Beteiligten zu 3 aus dem Personalrat zu stellen. Das Verwaltungsgericht kann nach dieser Vorschrift den Ausschluß eines Mitgliedes aus dem Personalrat wegen grober Vernachlässigung seiner gesetzlichen Befugnisse oder wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beschließen. Der Beteiligte zu 3 hat zwar durch das Schreiben vom 21. Juli 1988 in mehrfacher Hinsicht eindeutig gegen seine Pflichten als Personalratsmitglied verstoßen. Soweit er in dem Schreiben Werbung für eine Gewerkschaft betrieben hat, kann jedoch die Pflichtverletzung entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht als „grob” im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 BPersVG angesehen werden; die weiter in der groben Formulierung des Schreibens liegende Pflichtverletzung hat der Beteiligte zu 3 nicht schuldhaft begangen.

a) Daß der Beteiligte zu 3 als Mitglied des Personalrats und Gruppenvertreter der Arbeiter Beschäftigte der Dienststelle zum Eintritt in seine Gewerkschaft geworben hat, ist allein noch keine Verletzung seiner Pflicht zu einer objektiven und gewerkschaftlich neutralen Amtsführung. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in BVerfGE 28, 295 ausgeführt, es sei mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar, daß gewerkschaftlich organisierten Personalratsmitgliedern untersagt wird, während der Dienstzeit in ihrer Dienststelle Mitglieder für ihre Gewerkschaft zu werben. In Kenntnis dieser Entscheidung hat jedoch der Bundesgesetzgeber in § 67 Abs. 2 BPersVG bestimmt, daß Beschäftigte, die Aufgaben nach diesem Gesetz wahrnehmen, dadurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch in der Dienststelle nicht beschränkt sind. Mit dieser Vorschrift, die im Personalvertretungsgesetz vom 5. August 1955 (BGBl. I S. 477) noch nicht enthalten war, hat der Gesetzgeber des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) keine Änderung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, unter welchen Voraussetzungen die von einem Personalratsmitglied betriebene Werbung für seine Gewerkschaft pflichtwidrig ist, geschaffen. Er hat damit die Rechtslage nicht geändert, sondern lediglich den bisherigen Rechtszustand bestätigt und ausdrücklich klargestellt (vgl. Beschlüsse vom 6. Februar 1979 – BVerwG 6 P 14.78 – ZBR 1980, 191 = PersV 1980, 196, vom 21. Februar 1979 – BVerwG 6 P 47.78 und 50.78 – und vom 23. Februar 1979 – BVerwG 6 P 90.78 – ZBR 1979, 377 = PersV 1980, 205). Freilich steht die nunmehr ausdrücklich in § 67 Abs. 2 BPersVG normierte Befugnis zur Betätigung für eine Gewerkschaft unter der Einschränkung der in § 67 Abs. 1 BPersVG geregelten Pflichten. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 BPersVG haben Dienststelle und Personalvertretung darüber zu wachen, daß alle Angehörigen der Dienststelle nach Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, daß jede unterschiedliche Behandlung von Personen wegen ihrer Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts unterbleibt. Dabei müssen die Mitglieder des Personalrats sich gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 BPersVG so verhalten, daß das Vertrauen der Verwaltungsangehörigen in die Objektivität und Neutralität ihrer Amtsführung nicht beeinträchtigt wird. Der Personalrat und seine Mitglieder müssen alles vermeiden, was geeignet ist, die Stellung des Personalrats als Repräsentant der Gesamtheit der Beschäftigten und als neutraler Sachwalter ihrer Interessen zweifelhaft erscheinen zu lassen. Der Personalrat hat jeden Anschein einer Benachteiligung von Beschäftigten wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung zu vermeiden und die Koalitionsfreiheit, die durch Art. 9 GG garantierte Freiheit, sich aus freiem Entschluß einer Gewerkschaft anzuschließen, auch in ihrer begrenzenden Funktion als sog. negative Koalitionsfreiheit zu wahren. Diese besteht insbesondere auch darin, nicht mit dem Ziel des Anschlusses an eine Gewerkschaft unter Druck gesetzt zu werden.

Im vorliegenden Fall hat das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt, daß der Beteiligte zu 3 seine Verpflichtung zu einer gewerkschaftlich neutralen Amtsführung dadurch verletzt hat, daß er bei dem Rundschreiben vom 21. Juli 1988 den Briefkopf des Personalrats verwendet und außerdem den Personalrat als Adressaten der Aufnahmeanträge zu der Deutschen Postgewerkschaft angegeben hat. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts handelte es sich um Werbebriefe, auch wenn sich ihr Inhalt in erster Linie kritisch mit den organisatorischen Plänen des obersten Dienstherrn befaßte.

Durch sein Verhalten hat der Beteiligte zu 3 zumindest teilweise bei den Beschäftigten den Eindruck erweckt, als würde der Personalrat selbst Mitglieder für eine bestimmte Gewerkschaft, nämlich die Deutsche Postgewerkschaft, werben. Damit hat er das Vertrauen der Beschäftigten in seine gewerkschaftlich neutrale Amtsführung wie auch in die des gesamten Personalrats erheblich verletzt. Dem steht nicht entgegen, daß der Inhalt des Schreibens mit den gesetzlichen Aufgaben des Personalrats erkennbar nichts zu tun hatte. Allerdings konnte, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hinweist, das Rundschreiben keine rechtmäßige Äußerung des Personalrats sein, weil der Beteiligte zu 3 den Brief selbst unterschrieben hatte, obwohl er nicht Personalratsvorsitzender war und der Brief auch keine Angelegenheit der Arbeiter war, die der Beteiligte zu 3 im Personalrat vertrat. Unabhängig jedoch von der Frage, ob die Adressaten dies erkennen konnten, stellt das Verhalten des Beteiligten zu 3 schon deshalb eine Pflichtverletzung dar, weil er damit den Anschein erweckt hat, als handele es sich bei der Gewerkschaftswerbung um eine Aktion des Personalrats. Er hat damit widerrechtlich die Autorität des Personalrats für eine persönliche Werbemaßnahme in Anspruch genommen.

b) Aus der Zielsetzung des § 28 BPersVG, ein pflichtbewußtes und gesetzmäßiges Arbeiten des Personalrats sicherzustellen, folgt, daß alle diejenigen Pflichtverletzungen – abgesehen von dem Erfordernis des Verschuldens – als „grob” angesehen werden müssen, die ein mangelndes Pflichtbewußtsein des Mitgliedes erkennen lassen oder auf die gesetzmäßige Tätigkeit des Personalrats von nicht unbedeutendem Einfluß sein können (vgl. BVerwGE 31, 298). Dabei muß es sich einerseits objektiv um eine schwerwiegende Pflichtverletzung handeln, während andererseits die in dieser Pflichtverletzung zum Ausdruck kommende Pflichtvergessenheit auch ein schuldhaftes Verhalten des Personalratsmitgliedes voraussetzt. Der Verstoß gegen die gesetzlichen Pflichten muß von solchem Gewicht sein, daß er das Vertrauen in eine künftige ordnungsgemäße Amtsführung zerstört oder zumindest schwer erschüttert, und zwar vom Standpunkt eines objektiv urteilenden verständigen Beschäftigten aus gesehen. Eine – wie ausgeführt – an sich gemäß § 67 Abs. 2 BPersVG zulässige Werbung eines Personalratsmitgliedes für eine Gewerkschaft ist demnach nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 22, 96 ≪100≫; 36, 177 ≪178≫; Beschlüsse vom 6. Februar 1979 – a.a.O. –, vom 21. Februar 1979 – a.a.O. – und vom 23. Februar 1979 – a.a.O. –) dann eine zum Ausschluß aus dem Personalrat führende Pflichtverletzung, wenn die Werbung nachhaltig war und im Zusammenhang mit ihr Druck auf den Umworbenen ausgeübt worden ist (vgl. auch Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 7. Aufl., § 28 Rdnr. 9; Fischer/Göres in Fürst, GKÖD V, K § 28 Rz 12; Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 28 Rdnr. 34). Diese Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht als mit Art. 9 Abs. 3 GG vereinbar angesehen (BVerfGE 28, 295 ≪309/310≫). Das Merkmal der Nachhaltigkeit ist nach dem Beschluß vom 6. Februar 1979 – a.a.O. – bei einem „wiederholten Zureden und dauernden Einwirken auf den Beschäftigten” erfüllt, während der Beschluß vom 23. Februar 1979 – a.a.O. – das Merkmal wie folgt definiert: „Ein verstärktes, hartnäckiges und unter Umständen längeres Einwirken auf einen noch unentschlossenen Beschäftigten, um ihn zu der gewünschten Entscheidung zu bringen.” Der Begriff des „Drucks” steht in engem Zusammenhang mit der nachhaltigen Werbung und verstärkt diese durch den offenen oder auch versteckten Hinweis auf die Möglichkeiten, die die Ausübung des Amtes eines Personalratsmitgliedes für die Regelung von den einzelnen Beschäftigten betreffenden personellen oder sozialen Angelegenheiten im Rahmen einer mißverstandenen und zu mißbilligenden gewerkschaftlichen Kollegialität bietet (vgl. Beschluß vom 23. Februar 1979 – a.a.O. –).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ist der Auffassung des Beschwerdegerichts zuzustimmen, daß die Werbung des Beteiligten zu 3 für die Deutsche Postgewerkschaft weder nachhaltig war, noch unter Anwendung von Druck erfolgt ist. Der Beteiligte zu 3 hat sein Ziel nicht wiederholt und aufdringlich betrieben, sondern lediglich einmalig einen Werbebrief an zahlreiche Beschäftigte der Dienststelle versandt. Nachhaltig wäre die Werbung nur dann gewesen, wenn der Beteiligte zu 3 diejenigen Beschäftigten, die auf den Werbebrief nicht positiv reagiert hatten, erneut in dieser oder anderer Form angesprochen hätte, sie z.B. an ihrem Arbeitsplatz aufgesucht hätte, um sie unmittelbar zum Eintritt in die Gewerkschaft zu bewegen. Das ist jedoch nicht geschehen. Das Vorbringen des Antragstellers in der Vorinstanz, diese Form der Werbung sei bei der Deutschen Postgewerkschaft „Methode”, ist nicht geeignet, die Nachhaltigkeit der Werbung des Beteiligten zu 3 hinreichend substantiiert darzulegen. Auch wenn ein ähnliches Rundschreiben mit dem Briefkopf des Personalrats von einem anderen Personalratsmitglied unterzeichnet und verteilt worden ist, folgt daraus nicht, daß der Beteiligte zu 3 mit diesem bewußt und gewollt zusammengewirkt hätte, so daß ihm dessen Verhalten zugerechnet werden mußte. Der Antragsteller hat dieses Vorbringen in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht wieder aufgegriffen.

Nach dem Inhalt des Schreibens ist auf die Beschäftigten auch nicht Druck ausgeübt worden. Das Schreiben enthält weder einen offenen oder versteckten Hinweis auf die Möglichkeiten, die die Ausübung des Personalratsamtes für die Regelung der Angelegenheit der Beschäftigten bietet, noch läßt der Beteiligte zu 3 gar in irgendeiner Weise erkennen, daß er in Zukunft die Beschäftigten unter Berücksichtigung ihrer Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft unterschiedlich behandeln will. Die Tatsache allein, daß die Werbung von einem Personalratsmitglied ausging, das als Gruppenvertreter für die beruflichen Angelegenheiten der angesprochenen Beschäftigten zuständig war, ist ohne weitere Umstände nicht geeignet, die Beschäftigten in der Freiheit ihrer Willensentschließung zu beeinträchtigen.

Das Beschwerdegericht hat demnach zu Recht das Verhalten des Beteiligten zu 3 nicht als eine nachhaltige Werbung unter Ausübung von Druck gewertet. Es hat jedoch die Voraussetzungen für einen Ausschluß des Beteiligten zu 3 aus dem Personalrat deshalb für gegeben erachtet, weil sich dessen Pflichtverletzung nicht nur unbedeutend, sondern ganz erheblich nachteilig auf die Tätigkeit des Personalrats ausgewirkt habe. Der Beteiligte zu 3 habe nämlich in dem Werbebrief offen den Personalrat als Werbemittel verwendet und gegenüber einer großen Anzahl von Beschäftigten versucht, mit der Autorität und dem Vertrauen, das der Personalrat bei den Beschäftigten genießt, Mitglieder für seine Gewerkschaft zu werben. Er habe damit nicht nur seine eigene Integrität in Frage gestellt, sondern massive Zweifel an der gewerkschaftlichen Neutralität des gesamten Personalrats hervorgerufen. Diese und die weiteren Feststellungen des Beschwerdegerichts tragen jedoch nicht seine Annahme, der Beteiligte zu 3 habe seine Verpflichtungen grob verletzt. Unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Werbung ergibt sich, daß den Adressaten der Werbebriefe trotz Verwendung des Briefkopfes des Personalrates Zweifel daran kommen mußten, ob der Personalrat tatsächlich hinter der Werbeaktion des Beteiligten zu 3 stand. Auch ein nicht besonders kundiger Leser der Werbebriefe konnte nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß sich der Personalrat unter offenkundiger Überschreitung seiner Befugnisse einseitig für die Deutsche Postgewerkschaft ausspricht und die Beschäftigten auffordert, in diese Gewerkschaft einzutreten. Zweifel waren außerdem deshalb angebracht, weil die Werbebriefe mit Anlagen jeweils in einem Umschlag mit Absender „Deutsche Postgewerkschaft, Ortsverwaltung München” enthalten waren. Da also der Briefkopf des Werbebriefes offenkundig im Widerspruch zur Angabe des Absenders auf dem Umschlag stand, konnte bei den Adressaten der Eindruck entstehen, daß der Beteiligte zu 3 möglicherweise bei seiner Werbeaktion versehentlich den Briefkopf des Personalrats verwendet hat. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, daß das Vertrauen der Beschäftigten in die gewerkschaftliche Neutralität des gesamten Personalrats erheblichen Schaden erlitten hat.

Nach alledem war die Pflichtverletzung des Beteiligten zu 3 durch die Werbeaktion vom 21. Juli 1988 unter Verwendung des Briefkopfes des Personalrats allein nicht so schwerwiegend, daß sie seinen Ausschluß aus dem Personalrat rechtfertigt.

c) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist nicht aus anderen Gründen als richtig zu bestätigen. Zwar stellt das Schreiben vom 21. Juli 1988 unabhängig von der Verwendung des Briefkopfes des Personalrats – worauf die Vorinstanzen nicht näher eingegangen sind – auch wegen der Art und Weise der Kritik an den Plänen zur Neuorganisation der Deutschen Bundespost eine grobe Verletzung der einem Personalratsmitglied obliegenden gesetzlichen Pflichten dar. Auch wenn der Beteiligte zu 3 wegen der unmittelbaren Betroffenheit grundsätzlich berechtigt gewesen sein, mag, die geplante Strukturreform selbst mit harten Ausdrücken anzugreifen, so konnten doch die in dem Schreiben enthaltenen Verunglimpfungen des obersten Dienstherrn („Schwarz-Schilling und seine Knechte”; „die Kapitalisten und Konzerne lauern auf uns wie die Spinne im Netz auf ihre Opfer”; die Mitgliedschaft in der DPG biete die „einzige Chance, nicht aufgefressen zu werden”) entgegen dem in § 2 Abs. 1 BPersVG enthaltenen Gebot zu einer Störung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Dienststelle und Personalvertretung führen. Außerdem verstoßen die Formulierungen gegen § 66 Abs. 2 Satz 1 BPersVG, wonach Dienststelle und Personalvertretung alles zu unterlassen haben, was geeignet ist, die Arbeit und den Frieden der Dienststelle zu beeinträchtigen, und gegen das Gebot der Objektivität und Neutralität der Amtsführung (§ 67 Abs. 1 Satz 2 BPersVG).

Auch diese Pflichtverletzung führt indes nicht zum Ausschluß des Beteiligten zu 3 und mithin nicht zur Bestätigung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs; denn der Verstoß ist dem Beteiligten zu 3 nach den gegebenen Umständen nicht als schuldhaft anzulasten. Das erstinstanzliche Gericht hat dazu bemerkt, daß die Beschäftigten die von dem Beteiligten zu 3 verwendete „starke Sprache” offenbar schon gewohnt seien. Dem hat der Verwaltungsgerichtshof nicht widersprochen. Außerdem hat der Beteiligte zu 2 selbst eingeräumt, er habe eine Beeinträchtigung der Arbeit und des Friedens der Dienststelle nicht feststellen können. Deshalb wäre es verfehlt anzunehmen, der Beteiligte zu 3 hätte wissen müssen, daß Beschimpfungen dieser Art in seinem Fall als eine Pflichtverletzung in dem vorbezeichneten Sinne bewertet werden. Nachdem der Senat hiermit deutlich gemacht hat, daß grobe Beschimpfungen als Pflichtverletzungen im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 66 Abs. 2 Satz 1 und 67 Abs. 1 Satz 2 BPersVG zu betrachten sind, wird das Verschulden künftig nicht mehr damit zu verneinen sein, daß das Personalratsmitglied dies nicht habe wissen können.

Da weitere Gründe, die den Ausschluß des Beteiligten zu 3 aus dem Personalrat rechtfertigen könnten (vgl. § 28 Abs. 1 BPersVG), nicht ersichtlich sind und die Sache entscheidungsreif ist, war nach § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 96 Abs. 1 ArbGG und § 83 Abs. 2 BPersVG abschließend zu entscheiden und mit der Stattgabe der Rechtsbeschwerde der – den Antrag abweisende – erstinstanzliche Beschluß wiederherzustellen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Dr. Niehues, Nettesheim, Ernst, Albers, Dr. Vogelgesang

 

Fundstellen

Haufe-Index 1214344

ZBR 1992, 57

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