Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufige Regelung. Teilabordnung von Lehrern durch vorläufige Regelung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vorläufige Regelung, mit der ein Lehrer zur Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an einer anderen Schule hinsichtlich eines Teils der von ihm zu gebenden Unterrichtsstunden an diese abgeordnet wird ist ausnahmsweise zulässig, wenn ihre Geltungsdauer bis zum Abschluß des zügig zu gestaltenden Mitbestimmungsverfahrens begrenzt wird und wenn nach Lage des Falles mit diesem Abschluß bis zum Ende des Schulhalbjahres zu rechnen ist (im Anschluß an den Beschluß vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 6 P 6.91 – Buchholz 251.5 § 73 PersVG Nr. 1).

 

Normenkette

BaWüPersVG § 69 Abs. 5; BPersVG § 69 Abs. 5

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 30.06.1992; Aktenzeichen 15 S 1655/91)

VG Stuttgart (Entscheidung vom 27.02.1991; Aktenzeichen PVS 8/90)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 30. Juni 1992 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 6 000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die personalvertretungsrechtliche Frage, ob eine vorläufige Regelung zulässig gewesen ist, mit der eine Lehrerin hinsichtlich eines Teils der von ihr zu gebenden Unterrichtsstunden für die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens von einer Realschule an eine Berufsschule abgeordnet worden ist.

Der antragstellende Bezirkspersonalrat, der seine Zustimmung zu der vom Oberschulamt beabsichtigten Abordnung verweigert hatte, hat im verwaltungsgerichtlichen Beschlußverfahren die Feststellung beantragt, daß die Dienststelle nicht berechtigt gewesen sei, unter dem Datum vom 24. August 1989 die Abordnung der Realschullehrerin Z. im Umfang von zwölf Wochenstunden als vorläufige Regelung im Sinne von § 69 Abs. 5 LPVG BW anzuordnen.

Das Verwaltungsgericht hat am 27. Februar 1991 die vom Antragsteller begehrte Feststellung getroffen. Auf die dagegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten hat der Verwaltungsgerichtshof diesen Beschluß aufgehoben und den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat er im wesentlichen ausgeführt:

Das Oberschulamt sei berechtigt gewesen, die Regelung vom 24. August 1989 zu erlassen. Die zunächst beabsichtigt gewesene Teilabordnung der Realschullehrerin an die gewerbliche Schule mit zwölf Wochenstunden ihres Deputats von insgesamt 25 Wochenstunden für die Dauer von zwei Schuljahren habe der Mitbestimmung unterlegen. Sie gelte nicht als gebilligt, obwohl der Antragsteller lediglich „Einwendungen” erhoben und nicht ausdrücklich seine Zustimmung verweigert habe, denn nach den Gesamtumständen habe eine Zustimmungsverweigerung vorgelegen. Die formellen und sachlichen Voraussetzungen für die am 24. August 1989 vom Beteiligten getroffene vorläufige Regelung seien gegeben gewesen. Die vorgesehene Teilabordnung habe der Natur der Sache nach keinen Aufschub geduldet und sich auf das beschränkt, was als eine solche Regelung habe ergehen dürfen. Bei den beruflichen Schulen habe 1989 im Großraum Stuttgart ein hoher ungedeckter Bedarf an Unterrichtsstunden in den Fächern Deutsch und Gemeinschaftskunde bestanden. Allein im Bereich des Staatlichen Schulamts Stuttgart sei deshalb vorgesehen gewesen, daß die allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr 1989/90 insgesamt 753 Lehrer-Wochenstunden dem beruflichen Bereich überlassen sollten, um diesen Bedarf abzudecken. In diesen Rahmen sei die hier beabsichtigte Teilabordnung der Realschullehrerin eingebettet gewesen, sie habe die Deckungslücke mildern können. Zur Erfüllung der den beruflichen Schulen obliegenden bildungsbezogenen Pflichten sei eine möglichst zu Beginn des Schuljahrs einsetzende Unterrichtserteilung an der Abordnungsschule angezeigt gewesen. Demgegenüber sei für das weitere Mitbestimmungsverfahren bei zügiger Abwicklung eine Zeitspanne von etwa einem halben Jahr anzusetzen gewesen. Bei Unterrichtsaufnahme erst nach einem halben Jahr hätte der den Berufsschülern der Abordnungsschule im Schuljahr zu vermittelnde Unterrichtsstoff nicht mehr im vorgesehenen Maße vermittelt werden können. Die Regelung habe sich auf das zeitlich wie sachlich unbedingt Notwendige beschränkt. Sie sei so gestaltet gewesen, daß sie mit Beendigung des Mitbestimmungsverfahrens aus sich selbst heraus habe außer Kraft treten sollen. Am stundenmäßigen Umfang der Abordnung hätten keine Abstriche gemacht werden können. Die Regelung habe ausreichend Raum für eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch eine die endgültig beabsichtigte Maßnahme verändernde Regelung gelassen. Sie hätte im Rahmen des etwa sechs Monate dauernden Mitbestimmungsverfahrens ohne weiteres auf ein Jahr begrenzt werden können, wie das dann auch geschehen sei. Darüber hinaus hätte die Dienststelle die als vorläufige Regelung erlassene Teilabordnung auch während des Schuljahres am Ende des Mitbestimmungsverfahrens ohne eine ergänzende Regelung auslaufen lassen können, falls dies nach dem Ergebnis dieses Verfahrens geboten gewesen wäre. Die vom Antragsteller befürchtete Verzögerung des Mitbestimmungsverfahrens durch die Verwaltung wäre pflichtwidrig; davon könne nicht ausgegangen werden. Es bedürfe nicht der Klärung, ob bei einer vorläufigen Regelung, die keinen Raum für eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts mehr lasse, das Erfordernis der Abwendung der Gefahr einer Schädigung überragender Gemeinschaftsgüter oder Gemeinschaftsbelange bestehen müsse. Es sei auch nicht geboten, die vorläufige Regelung zunächst auf ein Schulhalbjahr zu begrenzen.

Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er die Wiederherstellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 27. Februar 1991 begehrt. Er macht im wesentlichen geltend, die Teilabordnung habe weder der Natur der Sache nach keinen Aufschub geduldet noch sich auf das beschränkt, was als vorläufige Regelung habe ergehen dürfen. Der Mangel an Unterrichtsstunden an der beruflichen Schule habe genausogut durch andere, sein – des Antragstellers – Mitbestimmungsrecht nicht berührende Maßnahmen ausgeglichen werden können, etwa durch Vertretungsanordnungen an der beruflichen Schule oder durch zeitlich befristete Arbeitsverträge über „nebenberuflichen Unterricht”. Durch die Teilabordnung seien Tag für Tag „vollendete Tatsachen” geschaffen worden.

Der Beteiligte verteidigt den angegriffenen Beschluß und tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, daß der Beteiligte durch die im Wege einer vorläufigen Regelung im Sinne von § 69 Abs. 5 LPVG BW angeordnete Teilabordnung der Realschullehrerin Z. mit Verfügung vom 24. August 1989 das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nicht verletzt hat. Der Beteiligte war unter den konkreten besonderen Umständen des Falles befugt, die Teilabordnung „für die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens”, das nach seiner Einschätzung äußerstenfalls ein halbes Jahr, und zwar das soeben begonnene Schulhalbjahr, in Anspruch nehmen würde, vorzunehmen.

1. Der Verwaltungsgerichtshof ist zwar nicht ausdrücklich, aber in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß der Feststellungsantrag des Antragstellers vom 8. Februar 1990 zulässig geblieben ist, obwohl die umstrittene vorläufige Regelung nach Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens durch die am 22. Februar 1990 verfügte endgültige Teilabordnung der Lehrerin Z. für ein Jahr erledigt worden ist. Der umstrittene konkrete Vorgang, nämlich daß eine Teilabordnung der Lehrerin (erneut) durch eine vorläufige Regelung verfügt wird, wird sich zwar voraussichtlich nicht mehr wiederholen. Wie in dem Beschluß des Senats vom 2. Juni 1993 – BVerwG 6 P 3.92 – im einzelnen ausgeführt worden ist, reicht es aber übergangsweise zur Annahme eines Feststellungsinteresses aus, daß der Beteiligte in anderen Fällen zu Schuljahresbeginn den Unterrichtsbedarf etwa an beruflichen Schulen durch vorläufige Regelungen abdecken muß und dieser Vorgang als solcher sich jederzeit wiederholen kann.

2. Im Ergebnis zutreffend hat der Verwaltungsgerichtshof auch entschieden, daß die strittige Regelung den Anforderungen des § 69 Abs. 5 LPVG BW gerecht geworden ist. Nach dieser Bestimmung, die inhaltlich mit § 69 Abs. 5 BPersVG übereinstimmt, kann die Dienststelle bei Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen treffen. Die zur Auslegung des Bundesrechts entwickelte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auf diese landesrechtliche Bestimmung übertragen werden.

a) Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, daß es sich hier um eine der Natur der Sache nach unaufschiebbare Maßnahme gehandelt hat. Eine solche liegt vor, wenn die konkrete Situation trotz Verweigerung der Zustimmung des zuständigen Personalrats und trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens eine – allerdings nur vorläufige – Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen. Dies hat der Senat in seinem Beschluß vom 16. Dezember 1992 – BVerwG 6 P 6.91 – (Buchholz 251.5 § 73 HPVG Nr. 1 = PersR 1993, 123 = ZBR 1993, 185) für die nach hessischem Personalvertretungsrecht durch vorläufige Regelung verfügte Teilumsetzung einer Lehrerin zwecks Abwendung eines drohenden Unterrichtsausfalls an einer anderen Schule mit der Begründung angenommen, daß es um die Erfüllung des staatlichen Bildungsauftrags im Einzelfall gegangen sei, der den Schulen gegenüber den Eltern und Schülern obliegt. Für den vorliegenden Fall gilt nichts anderes.

b) Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des Beschwerdegerichts, daß die hier strittige Verfügung den speziellen Anforderungen an den Inhalt einer im Grunde statthaften vorläufigen Regelung entspricht.

Allerdings verletzt die Beschwerdeentscheidung § 69 Abs. 5 LPVG BW, soweit die Vorschrift dahin ausgelegt wird, daß die ausdrückliche Begrenzung einer als vorläufige Regelung getroffenen Abordnung (eines Lehrers) auf zunächst ein Schulhalbjahr nicht geboten sei. Eine generelle Auslegung dieses Inhalts widerspricht dem genannten Beschluß des Senats vom 16. Dezember 1992. Dort hat der Senat entschieden, eine vorläufige Regelung, mit der ein Lehrer zur Abdeckung des Unterrichtsbedarfs an eine andere Schule umgesetzt werde, sei regelmäßig in der Weise zu befristen, daß sie spätestens mit Ablauf des jeweiligen Schulhalbjahres ende. Dies hat der Senat für geboten erachtet, weil auf diese Weise noch am ehesten zu gewährleisten ist, daß das Mitbestimmungsverfahren bestmöglich beschleunigt und gefördert wird, und zwar mit dem Ziel, die vorläufige Regelung durch eine endgültige, mitbestimmte Maßnahme zu ersetzen.

Der angefochtene Beschluß ist jedoch deshalb zu bestätigen, weil er auf diesem Rechtsfehler nicht beruht. Aufgrund der Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts erweist sich nämlich die vorläufige Regelung ausnahmsweise auch ohne eine ausdrückliche zeitliche Beschränkung als rechtmäßig. Nach diesen Feststellungen war für das weitere Mitbestimmungsverfahren bei zügiger Abwicklung eine Zeitspanne von etwa einem halben Jahr anzusetzen. Dabei ist das Beschwerdegericht offenbar von einem entsprechenden Erfahrungssatz ausgegangen, dem die Rechtsbeschwerde sachlich nicht entgegengetreten ist. Einen mit diesem Erfahrungssatz vorausgesetzten zügigen Ablauf durfte das Beschwerdegericht seiner Würdigung deshalb zugrunde legen, weil zeitgleich mit der vorläufigen Regelung das Stufenverfahren beim zuständigen Ministerium eingeleitet worden ist. Dafür, daß es sich um eine auf realistischen Annahmen beruhende Prognose handelte, spricht im übrigen, daß die Angelegenheit tatsächlich bereits am 9. November 1989, also weniger als drei Monate nach Erlaß der vorläufigen Regelung, in der Einigungsverhandlung mit dem Hauptpersonalrat erörtert worden ist. Wenn und solange ein derartiger Verfahrensablauf aller Erfahrung nach gewährleistet ist, dürfen Schulverwaltung und Personalrat davon ausgehen, daß eine im Wege einer vorläufigen Regelung für die Dauer des Mitbestimmungsverfahrens angeordnete Abordnung die Zeitspanne von einem Schulhalbjahr nicht überschreiten wird. Bei dieser Sachlage durfte der Verwaltungsgerichtshof ausnahmsweise auch ohne entsprechende Befristung annehmen, daß die „zeitlichen Gegebenheiten” Raum für eine „wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts durch eine die endgültig beabsichtigte Maßnahme verändernde (nämlich: die Abordnungsdauer verkürzende) Regelung” beließen. Da dies nach der Rechtsprechung des Senats hinreichend gewährleistet sein muß, empfiehlt es sich aber gleichwohl, in künftigen vergleichbaren Fällen vorläufige Regelungen nicht allein mit dem Abschluß eines nötigen Mitbestimmungs- und Einigungsverfahrens außer Kraft treten zu lassen, sondern sie außerdem so zu befristen, daß sie spätestens mit Ablauf des jeweiligen Schulhalbjahres enden.

c) Auch die sonstigen Bedenken des Antragstellers gegen den angegriffenen Beschluß und die vom Beteiligten getroffene Regelung greifen nicht durch. Durch diese Regelung sind nicht schon deshalb „vollendete Tatsachen” im Sinne der Rechtsprechung des Senats zur Begrenzung solcher einseitigen Maßnahmen der Dienststelle (vgl. den erwähnten Beschluß vom 16. Dezember 1992 mit weiteren Nachweisen) getroffen worden, weil die – ursprünglich für zwei Jahre beabsichtigte – Teilabordnung der Lehrerin mit jedem Tag der Dienstleistung an der Abordnungsschule vollzogen worden ist. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts duldete die Regelung der Natur der Sache nach keinen Aufschub, weil zum Anfang des Schulhalbjahres mit dem Unterricht begonnen werden mußte. Daher war es notwendig, den Vollzug durch die Aufnahme der Tätigkeit der Lehrerin Z. an der Abordnungsschule unmittelbar beginnen zu lassen. Das zeitlich zulässige Maß einer Abordnung im Wege einer vorläufigen Regelung ist nicht überschritten worden, weil das Mitbestimmungsverfahren ausweislich einer Mitteilung des Ministeriums vom 3. Januar 1990 nach einer Dauer von wesentlich weniger als einem halben Jahr mit einer Einigung abgeschlossen und dabei die vorläufige Regelung durch eine endgültige, mitbestimmte Maßnahme ersetzt worden ist.

Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es darauf, ob die Regelung aus Gründen des Schutzes überragender Gemeinschaftsgüter oder Gemeinschaftsbelange erforderlich war, nicht an, weil noch Raum für eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts war.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 10 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 8 Abs. 2 BRAGO.

 

Unterschriften

Niehues, Ernst, Seibert, Albers, Vogelgesang

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1214131

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