Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Bäcker. Verletztenrente. Übergangsleistung. Rentenanteil. wirtschaftliche Nachteile. Vorteilsausgleichung. Ermessen. abstrakte Schadensberechnung. konkreter Schaden. allergisierende Atemwegserkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verletztenrente, die der Versicherte wegen der durch die Berufskrankheit verursachten MdE erhält, darf bei der Höhe einer Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO nicht berücksichtigt werden (Weiterentwicklung von BSG SozR 3-5670 § 3 Nr 1).

 

Normenkette

BKVO Anl 1 Nr. 4301; BKVO § 3 Abs. 2-3; SGB IV § 18a Abs. 3 Nr. 4; SGG § 96

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10.05.1995; Aktenzeichen L 17 U 197/94)

SG Düsseldorf (Urteil vom 14.07.1994; Aktenzeichen S 6 U 227/90)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 1995 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die wegen der Folgen einer Berufskrankheit (BK) der Nr 4301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) gewährte Verletztenrente bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO leistungsmindernd Berücksichtigung finden darf.

Der am 1. Juni 1932 geborene Kläger war seit 1969 als selbständiger Bäckermeister tätig. Er ist seit 1975 Inhaber eines ca 500 qm großen Lebensmittelmarktes einer Handelskette, dem die Bäckerei des Klägers angeschlossen ist. Dort wurden seit 1980 ausschließlich Backwaren zum Verkauf im Lebensmittelmarkt des Klägers hergestellt. Er leidet an einer beruflich durch allergisierende Stoffe bedingten obstruktiven Atemwegserkrankung.

Zum 1. Oktober 1987 stellte der Kläger im Hinblick auf die von ihm wegen der Atemwegserkrankung angestrebte Aufgabe seiner Tätigkeit im Produktionsbereich der Backstube einen zusätzlichen Gesellen ein. Zum 10. Juli 1988 gab der Kläger wegen seiner asthmatischen Beschwerden seine Tätigkeit in der Backstube auf.

Mit Bescheid vom 9. Mai 1989 erkannte die Beklagte an, daß beim Kläger eine BK der Nr 4301 der Anlage 1 zur BKVO vorliegt, und gewährte wegen einer Emphysembronchitis mit unterschiedlich auftretender spastischer Komponente als Folge dieser BK ab dem 10. Juli 1988 eine (zunächst vorläufige) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe um 20 vH, die später wegen eintretender berufskrankheitsbedingter Verschlimmerungen nach einer MdE um 30 vH und schließlich nach einer MdE um 60 vH jeweils neu festgestellt wurde. Der monatliche Betrag der Verletztenrente betrug ab dem 10. Juli 1988 666,70 DM und ab dem 1. Juli 1989 682,70 DM.

Im Juni 1989 stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKVO, weil er infolge der Aufgabe seines Berufes als Bäcker einen jährlichen Minderverdienst von ca 36.000,00 DM erlitten habe. Mit Bescheid vom 6. April 1990 bewilligte die Beklagte dem Kläger zum Ausgleich eines wirtschaftlichen Nachteiles Übergangsleistungen nach § 3 BKVO für das erste Jahr beginnend am 10. Juli 1988 (vollständige Aufgabe der handwerklichen Mitarbeit) bis 9. Juli 1989. Bei der Berechnung der Leistung legte die Beklagte den Lohn des vom Kläger zusätzlich eingestellten Bäckergesellen zuzüglich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zugrunde. Hierauf rechnete sie einen Fiktivverdienst eines kaufmännischen Angestellten auf der Grundlage des gültigen Lohntarifvertrages zu 50 vH wegen der vom Kläger in seinem Unternehmen noch ausgeübten Tätigkeit kaufmännischer Art an. Ferner berücksichtigte sie mindernd den Rentenanteil in Höhe des Betrages, der die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) übersteigt, als Kapitalertragsvorteil. Diesen Rentenanteil errechnete die Beklagte mit 6.654,72 DM für die Zeit vom 10. Juli 1988 bis 9. Juli 1989.

Mit seinem erfolglosen Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 30. August 1990) machte der Kläger ua geltend, die Übergangsleistung sei zu Unrecht um den Rentenanteil gekürzt worden.

Mit Urteil vom 14. Juli 1994 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen, weil es dem Unfallversicherungsträger nicht verwehrt sei, nach pflichtgemäßem Ermessen bei der Entscheidung über die Übergangsleistung ua auch den Bezug der Verletztenrente wegen einer BK angemessen zu berücksichtigen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG geändert und die Beklagte verurteilt, den Kläger bezüglich der ihm aus Anlaß seiner BK gewährten Übergangsleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 10. Mai 1995): Die Beklagte habe zwar den bei der Feststellung der Übergangsleistungen zugrunde zu legenden Minderverdienst zutreffend berechnet. Sie habe aber das ihr bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung eingeräumte Ermessen insoweit fehlerhaft gebraucht, als sie die dem Kläger gewährte Verletztenrente leistungsmindernd berücksichtigt habe. Die Einbeziehung der Verletztenrente sei nach dem Wortlaut, der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 BKVO nicht gerechtfertigt. Obwohl die Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung rechtswidrig sei, sei die Beklagte entsprechend dem Hilfsantrag nur zu einer Neubescheidung des Klägers und nicht zur Auszahlung dieses Betrages zu verurteilen gewesen, so daß die weitergehende Berufung zurückzuweisen sei. Der rechtsfehlerfreie Gebrauch des Ermessens sei durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Es sei vorliegend nicht ausgeschlossen, daß die Beklagte trotz der festgestellten Rechtswidrigkeit ihrer Ermessensentscheidung noch andere Gesichtspunkte in ihre Entscheidung einbeziehen könne, die sie infolge der rechtswidrigen Berücksichtigung der Verletztenrente nicht erwogen habe. Dies gelte hier insbesondere deshalb, weil der Kläger als selbständiger Unternehmer und im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Lebensalter durch die Aufgabe der Tätigkeit als Bäckermeister möglicherweise weitere Vorteile aus der Veränderung seines Aufgabengebietes ziehen könne.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte, daß der Auffassung des LSG, die Einbeziehung der Verletztenrente widerspreche dem Wortlaut und der Systematik des § 3 BKVO, nicht gefolgt werden könne. Dem Unfallversicherungsträger sei es nicht verwehrt, über die Höhe der Übergangsleistung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Rahmen der Ausübung dieses Ermessens könne auch die Verletztenrente berücksichtigt werden. Es könne auch nicht Sinn und Zweck der Vorschrift sein, den Versicherten evtl sogar finanziell besser als während seiner Erwerbstätigkeit zu stellen. Dies könne jedoch der Fall sein, wenn Versicherungsfall und Rentenbezug zeitlich mit einem Arbeitsplatzwechsel zusammentreffen würden. Überdies sei hinsichtlich der Höhe der Übergangsleistung nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu prüfen. Zu Unrecht habe das LSG auch beanstandet, daß die Anrechnung der BK-Rente auf § 18a Abs 3 Nr 4 des Sozialgesetzbuchs – Viertes Buch – (SGB IV) gestützt worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 1995 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 1994 zurückzuweisen;

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 1995 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid der Beklagten vom 6. April 1990 idF des Widerspruchsbescheides vom 30. August 1990, mit dem die Beklagte über Übergangsleistungen für das erste Jahr nach Aufgabe der handwerklichen Mitarbeit des Klägers in seiner Bäckerei entschieden hat. Es kann dahingestellt bleiben, ob auch der Bescheid vom 18. Januar 1995, der die Ablehnung des Anspruches des Klägers auf Übergangsleistungen für den Zeitraum ab dem 10. Juli 1989 betrifft, in entsprechender Anwendung des § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens wurde, weil er das streitige Rechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regelte (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl, § 96 RdNr 5 mwN). Die Beteiligten könnten die Wirkung des § 96 SGG zwar nicht ausschließen. Der Kläger hat im vorliegenden Fall aber im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis die Klage auch im Berufungsverfahren ausdrücklich auf die Anfechtung der Entscheidung über die Übergangsleistung nach § 3 BKVO für das erste Jahr beschränkt (Meyer-Ladewig aaO RdNr 11 mwN), was insbesondere im Rahmen der nur von der Beklagten eingelegten Revision zu beachten ist.

Nach § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO hat der Träger der Unfallversicherung einem Versicherten zum Ausgleich der durch Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente, längstens für die Dauer von fünf Jahren, gewährt (§ 3 Abs 2 Satz 2 BKVO). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des § 3 Abs 2 BKVO gegeben sind. Dagegen steht die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSG SozR Nr 3 zu § 3 der 7. BKVO, SozR 5677 § 3 Nr 3).

Die Beklagte hat – wie das LSG zutreffend entschieden hat – die allein noch streitige – Höhe der Übergangsleistung für das erste Jahr im angefochtenen Bescheid nicht ermessensfehlerfrei festgesetzt, weil sie hierauf die dem Kläger aus Anlaß der BK gewährte Verletztenrente leistungsmindernd angerechnet hat.

Bei der Feststellung des Minderverdienstes oder der sonstigen wirtschaftlichen Nachteile des Klägers hat die Beklagte entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSGE 19, 157; zu Renten wegen Berufsunfähigkeit: BSGE 30, 88; BSG SozR 5670 § 3 Nr 1) beim Einkommensvergleich die dem Kläger wegen der Folgen der BK und seit Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit gewährte Verletztenrente nicht von vornherein angerechnet.

Sie hat aber im Wege der Vorteilsausgleichung diese Verletztenrente bei der Festlegung der Höhe der Übergangsleistungen mindernd berücksichtigt. Diese Berücksichtigung verstößt gegen § 3 Abs 3 BKVO. Danach ist die Rente wegen einer MdF neben einer Übergangsleistung zu gewähren. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bisher noch nicht ausdrücklich die Frage entschieden, ob bei Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung auch eine Verletztenrente zu berücksichtigen ist, wenn sie wegen der Folgen einer BK gezahlt würde, die auch Anlaß für die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit war (vgl Benz BG 1988, 596, 606, WzS 1990, 161, 165 mwN).

Die Einbeziehung der Verletztenrente bei der Entscheidung über die Höhe der Übergangsleistung widerspricht schon dem Wortlaut des § 3 Abs 3 BKVO. Er enthält keinerlei Einschränkung. Dies bedeutet nicht nur, daß der Unfallversicherungsträger, solange er Übergangsleistungen iS des § 3 BKVO gewährt, die Feststellung der Verletztenrente nicht unterlassen darf, sondern auch, daß die Verletztenrente der bestehenden MdE entsprechend in voller Höhe neben der Übergangsleistung zu gewähren ist. Weshalb die “Berücksichtigung” der Verletztenrente keine zumindest teilweise Anrechnung sein und deshalb nicht gegen § 3 Abs 3 BKVO verstoßen soll (so Wolber BG 1969, 319), ist nicht erklärbar. Ebenso ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, § 3 Abs 3 BKVO beziehe sich – wovon das überwiegende Schrifttum ausgeht – nur auf Verletztenrenten, die wegen anderer Schadensereignisse als dem gewährt werden, das zur Aufgabe der bisherigen Tätigkeit gezwungen hat und die Gewährung einer Übergangsleistung dem Grunde nach rechtfertigt. Daß eine Verletztenrente, die zB wegen des Verlustes eines Beines durch einen früheren Arbeitsunfall gewährt wird, nicht auf eine Übergangsleistung bei Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wegen einer BK angerechnet werden darf, ist so selbstverständlich, daß es keiner besonderen ausdrücklichen Regelung in der BKVO bedarf. Eine Berücksichtigung der Verletztenrente beim Vorteilsausgleich würde bedeuten, daß – entgegen der Vorschrift des § 3 Abs 3 BKVO – die Verletztenrente trotzdem – zumindest wie im vorliegenden Fall, nicht in voller Höhe – neben der Übergangsleistung gewährt werden würde. Im Endergebnis würde dies auch im Widerspruch zur – wie dargelegt – Berechnung des Minderverdienstes faktisch doch auf einen Abzug der Rentenleistung bei der Festlegung der Übergangsleistungen hinauslaufen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 492w).

Die Zulässigkeit einer Kürzung oder eines Wegfalls der Übergangsleistung wegen der Zahlung einer Verletztenrente aufgrund von Folgen einer BK würde auch dem Sinn und Zweck des § 3 BKVO zuwiderlaufen (vgl Brackmann, aaO). Während die Verletztenrente nach dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung unabhängig vom konkreten Schaden wegen der Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens durch die Folgen der BK gezahlt wird und es dabei unerheblich ist, ob der Versicherte tatsächlich wegen der Folgen der BK ein geringeres Einkommen erzielt, soll die Übergangsleistung den konkreten Schaden ersetzen, der darauf beruht, daß der Versicherte die gefährdende Tätigkeit einstellt (vgl Brackmann, aaO; Elster, Berufskrankheitenrecht, 2. Aufl, § 3 Anm 10). Der Zweck der Übergangsleistung im Rahmen der Präventionsmaßnahmen besteht als unterstützende Maßnahme der Vorbeugung (vgl Mehrten/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Februar 1996, G RdNr 5 zu § 3 BKVO) darin, den Versicherten zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu veranlassen (BSGE 40, 146, 150; 50, 40, 42). Zutreffend führt daher das LSG aus, daß diese “Anreizfunktion” der Übergangsleistung nur sehr abgeschwächt zum Tragen käme, wenn im Hinblick auf die gleichzeitig zu gewährende Verletztenrente eine Kürzung erfolgen dürfte. Eine derartige Kürzung könnte auch zu nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Ergebnissen führen. Denn einem Versicherten, der die ihn gefährdende Tätigkeit zwar aufgegeben, aber sogleich eine finanziell gleichwertige (nicht gefährdende) gefunden hat, wäre die Verletztenrente neben dem Verdienst aus der neuen Tätigkeit zu gewähren. Dagegen wäre der Versicherte, der die Übergangsleistung erhält, um einen Minderverdienst oder sonstige wirtschaftliche Nachteile auszugleichen, dadurch schlechter gestellt, daß die Verletztenrente ganz oder teilweise auf die Übergangsleistung angerechnet werden würde (vgl Brackmann, aaO). Deshalb führt die auch vom Senat vertretene Ansicht nicht, wie die Revision meint, zu einer Besserstellung der Versicherten. Sie erhalten ihre Verletztenrenten auch dann, wenn sie keinen Entgelt- oder Einkommensverlust haben. In diesem Fall steht ihnen aber auch keine Übergangsleistung zum Ausgleich eines – nicht vorhandenen – entsprechenden Verlustes zu.

Die Berücksichtigung der Verletztenrente bei der Entscheidung über die Höhe der Übergangsleistung widerspricht somit auch der unfallversicherungsrechtlichen Systematik (ebenso Drexel BG 1977, 271, 274; Specht BG 1979, 42). Die Verletztenrente einerseits und die Übergangsleistung andererseits haben unterschiedliche Voraussetzungen und beruhen jeweils auf den unterschiedlichen Grundsätzen der abstrakten Schadensberechnung einerseits und dem Ausgleich eines wirtschaftlichen Nachteils als konkreter Schaden andererseits. Im Hinblick darauf teilt der Senat nicht die Ansicht, daß bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung die Verletztenrente zu berücksichtigen ist, wenn sie wegen der Folgen der BK gewährt wird, die auch Anlaß zur Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit war (vgl Elster aaO Anm 13; Podzun/Nehls/Platz, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl, Kennzahl 690 S 9; Wolber BG 1969, 314, 315; Noeske/Trachte BG 1970, 107, 110; Morich BG 1988, 616, 617; KassKomm – Ricke, § 551 RVO RdNr 47; Schmidtlein BG 1979, 43). Sie beruht auf dem nach Auffassung des Senats unrichtigen systematischen Ausgangspunkt, daß die Verletztenrente in diesem Falle auch dem Ausgleich eines konkreten Schadens diene. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Ausgestaltung der Verletztenrente als Ergebnis der abstrakten Schadensberechnung ist nicht abhängig davon, ob neben ihr noch eine andere Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt wird. Gesetzliche Regelungen oder solche aufgrund eines Gesetzes, die zu einer vollen oder teilweisen Anrechnung der Verletztenrente auf andere Sozialleistungen führen, sind – wie dargelegt – hier nicht gegeben. Deshalb vermag der Senat auch nicht der Auffassung zu folgen, die Verletztenrente sei, auch wenn sie auf demselben Schadensereignis beruhe, nur dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Versicherte sie bereits vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen hat (s Benz WzS 1990, 161, 165; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung 3. Aufl, Anm 34a Ziff 3.3.3.2 zu § 551 RVO; Mehrtens/Perlebach aaO zu § 3 RdNr 6; Podzun/Nehls/Platz aaO S 9/10). Abgesehen davon, daß nicht begründet wird, warum die MdE nur dann “bereits vor Durchführung des Arbeitsplatzwechsels – zumindest abstrakt – eine Minderung des Arbeitsentgelts bewirkt” haben soll (Benz aaO), zeigt gerade der vorliegende Fall auch das unbillige Ergebnis, zu der diese Auffassung vor allem in den Fällen führen kann, in denen der Verletzte eine Verletztenrente erst nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit erhalten kann. Zum Teil wird dementsprechend davon ausgegangen, daß von der Verletztenrente nur der nach § 587 RVO erhöhte Teil bei Leistungen nach § 3 BKVO anzurechnen ist (Benz BG 1988, 596, 602; Koetzing/Linthe, Die Berufskrankheiten, 2. Aufl, § 3 BKVO Anm 8), woraus zu schließen ist, daß die Verletztenrente grundsätzlich nicht anrechenbar ist.

Die Beklagte hat damit ihr Ermessen bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsleistung fehlerhaft ausgeübt. Der Kläger hat Anspruch auf eine nach dem Ermessen der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles festzusetzenden Übergangsleistung (BSGE 40, 146, 150; Brackmann, aaO 492b).

Die Revision war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 956143

BSGE, 261

Breith. 1997, 209

SozSi 1997, 318

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