Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Der Rechtsstreit betrifft einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994. Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung des Rückkaufwertes einer gemeinsam mit seiner Ehefrau abgeschlossenen Lebensversicherung bei der Feststellung seiner Bedürftigkeit.

Der 1952 geborene Kläger hat mit seiner 1951 geborenen Ehefrau zwei in den Jahren 1976 und 1979 geborene Kinder, die sich in Ausbildung befinden. Er war als kaufmännischer Angestellter beschäftigt, wurde 1993 arbeitslos und bezog vom 1. Juli 1993 bis 29. Juni 1994 Arbeitslosengeld nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.030, 00 DM. Seine Ehefrau erzielt mit einer Halbtagsbeschäftigung ein monatliches Nettoeinkommen von 902, 00 DM. Im Juni 1994 beantragte der Kläger Anschluß-Alhi und gab als Vermögen u.a. ein gemeinsames Sparguthaben der Eheleute in Höhe von 7.467, 60 DM, ein Bausparguthaben von 2.767, 55 DM und eine Kapitallebensversicherung an, die die Eheleute 1976 gemeinsam mit einer Versicherungssumme von 40.000, 00 DM abgeschlossen haben und die im Jahre 2006 fällig wird. Der Rückkaufwert dieser Lebensversicherung betrug am 1. Juli 1994 37.274, 08 DM bei eingezahlten Beiträgen in Höhe von 26.682, 00 DM. Im Falle gleichmäßiger Entwicklung der Überschußbeteiligung wird die Auszahlungssumme zum Fälligkeitsdatum voraussichtlich 112.392, 00 DM betragen. Die Eheleute besitzen ein Eigenheim, das im Mai 1994 wegen eines Bankdarlehens in Höhe von 43.462, 50 DM mit einer Hypothek belastet war.

Den Antrag auf Alhi lehnte die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) für die Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 ab, weil der Kläger wegen verwertbaren Vermögens nicht bedürftig sei. Dabei berücksichtigte sie den Rückkaufwert der Lebensversicherung und das Sparguthaben, setzte zwei Freibeträge in Höhe von 8.000, 00 DM ab und errechnete so ein anrechenbares Vermögen der Eheleute von 28.741, 68 DM (Bescheid vom 19. August 1994). Den Widerspruch, mit dem der Kläger geltend gemacht hatte, die Lebensversicherung diene der Alterssicherung, insbesondere seiner Ehefrau wegen Einkommensverlusten durch Kindererziehung, der Sicherung der Familie und der Rückzahlung der Hausschulden, wies die BA zurück. Sie vertrat die Ansicht, die Lebensversicherung diene nicht der Alterssicherung, weil sie vor dem Rentenalter fällig werde. Der Rückkauf sei zumutbar, weil der Rückkaufwert die eingezahlten Beiträge deutlich überschreite (Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995). Das Sozialgericht (SG) hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seinen Vermögensverhältnissen angehört. Die Vorinstanzen haben die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die BA verurteilt, dem Kläger Alhi auch vom 30. Juni 1994 bis 28. Dezember 1994 "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen" zu zahlen (Urteil des SG vom 14. September 1995 und des Landessozialgerichts [LSG] vom 19. Januar 1996).

Das LSG hat ausgeführt, der Kläger sei auch in der Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 bedürftig gewesen. Die Möglichkeit des Rückkaufs der gemeinsamen Lebensversicherung stehe dem nicht entgegen. Es sei zweifelhaft, ob der Rückkauf nicht offensichtlich unwirtschaftlich sei. Die Verwertung der Lebensversicherung sei dem Kläger nicht zuzumuten, weil sie unter Berücksichtigung seiner und der Lebenshaltung seiner Familie nicht billigerweise erwartet werden könne. Sie diene der Sicherung der allgemeinen Lebensgrundlage und der Alterssicherung. Sie werde im Erlebensfalle im 54. bzw. 55. Lebensjahr der Eheleute fällig und gehöre zu angemessenen Vorsorgeaufwendungen, die vorzeitige Invalidität oder durch wirtschaftliche Verhältnisse bedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in Rechnung stelle. Diese Sicherung und die Absicherung des Ehegatten, der wegen Kindererziehung auf Erwerbseinkommen verzichte, sei anzuerkennen. Die Erwägungen würden in systematischer Hinsicht gestützt, weil Versicherungsbeiträge nicht zum nach § 138 Abs. 2 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anrechenbaren Einkommen zählten, wenn sie nach Grund und Höhe angemessen seien. Es sei widersinnig, wenn gleichzeitig die Verwertung des Rückkaufwertes dem Betroffenen zuzumuten sei. Angemessen sei die Lebensversicherung auch im Hinblick auf den durch die Überschußbeteiligung im Jahre 2006 zu erwartenden Zahlbetrag. Dieser diene der Aufrechterhaltung einer angemessenen Lebensgrundlage. Der Kläger, der als 41-jähriger betriebsbedingt seinen Arbeitsplatz verloren habe, müsse bei der äußerst angespannten Arbeitsmarktlage im kaufmännischen Bereich auch zukünftig mit längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit rechnen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die BA die Verletzung des § 137 Abs. 2 AFG i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV). Sie vertritt die Ansicht, § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV sei hier nicht anzuwenden, weil die Verwertung der Lebensversicherung zumutbar und auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich sei. Der Alterssicherung diene eine Lebensversicherung grundsätzlich nur, wenn diese auf den möglichen Eintritt in das gesetzliche Rentenalter - frühestens mit dem 60. Lebensjahr - abgeschlossen sei. Die Lebensversicherung des Klägers werde erheblich früher fällig, so daß davon auszugehen sei, daß sie nicht der Alterssicherung, sondern lediglich der Kapitalbildung diene. Die Verwertung sei auch nicht unwirtschaftlich, denn nach Abzug der Gebühren übersteige der Rückkaufwert die eingezahlten Beiträge um mehr als 10 vH. Die Erwägungen des LSG reichten nicht aus, um die Verwertung auszuschließen. Die Bildung von Vermögen für den Fall einer möglicherweise zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eintretenden Arbeitslosigkeit entspreche nicht den besonderen Verwertungsbeschränkungen des § 6 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 2 Nr. 3 AlhiV. Mit allgemeinen Billigkeitserwägungen lasse sich die Schonung der kapitalbildenden Lebensversicherung nicht rechtfertigen. Vermögen, das zur Sicherung einer angemessenen Lebenshaltung im Vorfeld der Alterssicherung bestimmt sei, müsse auch im Zeitpunkt einer aktuell eingetretenen Arbeitslosigkeit verwertbar sein. Zu berücksichtigen sei auch, daß bei der Verwertung das wöchentliche Bemessungsentgelt in den Berechnungsfaktor einfließe und nicht etwa der Leistungsbetrag, so daß nur ein Bruchteil des Vermögens tatsächlich verbraucht werde. Schließlich rügt die BA die Verletzung der §§ 130 und 136 Abs. 1 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das LSG habe die BA zur Leistung verurteilt, ohne die Anspruchsvoraussetzungen umfassend zu prüfen. Da bei einem stattgebenden Urteil sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müßten, das LSG diese aber weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen angesprochen habe, sei § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG verletzt. Das Urteil beruhe auch auf diesem Verfahrensfehler, weil nicht auszuschließen sei, daß das LSG bei Nachprüfung der einzelnen Anspruchsvoraussetzungen anders entschieden hätte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 1996 und das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 14. September 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Verwertung der Lebensversicherung für unzumutbar, weil sie offensichtlich unwirtschaftlich sei. Aufgrund der Gewinnerwartung bei dem vorgesehenen Vertragsablauf im Jahre 2006 müßten der Kläger und seine Ehefrau bei vorzeitiger Auflösung unter Berücksichtigung der ersparten Beiträge einen Verlust von rund 58.000, 00 DM hinnehmen. Dies sei insbesondere wegen der engen wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen der Kläger mit seiner Familie lebe, offensichtlich unwirtschaftlich. Immerhin habe die Lebensversicherung 1994 bereits 18 Jahre bestanden, so daß bereits die Hälfte der Laufzeit überschritten gewesen sei. Der Kläger und seine Ehefrau verlören mit der Verwertung auch den Versicherungsschutz. Die Verfahrensrügen der BA seien nicht durchgreifend. Da sich bereits aus dem Bescheid der BA ergebe, daß die Anspruchsvoraussetzungen im übrigen gegeben seien, habe es einer nochmaligen gerichtlichen Überprüfung nicht bedurft.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

II

Die Revision der BA ist nicht begründet, denn die Entscheidung des LSG beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung (§ 170 Abs. 1 SGG). Dem Kläger steht Alhi auch in der Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 zu.

1. Die Revisionsrüge, für diese Zeit sei die Anspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG) wegen des festgestellten Vermögens zu verneinen, greift nicht durch. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs. 2 AFG ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist.

1.1 Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber - ähnlich wie für die Sozialhilfe (§§ 2, 88 Bundessozialhilfegesetz [BSHG]) - zum Ausdruck, daß der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens für seinen Lebensunterhalt zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Alhi in Anspruch nimmt. Allerdings soll der Verbrauch eigenen Vermögens nicht zu einer "wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen" (BVerwGE 23, 149, 158), einem "wirtschaftlichen Ausverkauf" und "einer nachhaltigen sozialen Herabstufung" führen (BVerwG Buchholz 436.0 § 88 Nr. 29). In gesetzestechnisch unterschiedlicher Weise tragen die Vorschriften zur Sozialhilfe (§ 88 Abs. 2 und 3 BSHG) und zur Alhi diesem Gedanken Rechnung. Für die Alhi konkretisieren den Grundsatz des § 137 Abs. 2 AFG die §§ 6ff. AlhiV auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs. 3 AFG. Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist vor Inanspruchnahme von Alhi nur zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000, 00 DM übersteigt. (§ 6 Abs. 1 AlhiV). Diese Voraussetzungen sind im streitigen Zeitraum nach den vom LSG festgestellten Tatsachen, die nicht mit Prozeßrügen angegriffen und deshalb für das Bundessozialgericht (BSG) bindend sind (§ 163 SGG), nicht gegeben.

1.2 Die Lebensversicherung war nach § 6 Abs. 2 AlhiV verwertbar, weil sie verbraucht, übertragen oder belastet werden konnte. Die Auswirkungen zu berücksichtigenden Vermögens auf den Alhi-Anspruch ergeben sich aus § 9 AlhiV. Denkbar ist nicht nur eine Verwertung durch Rückkauf, sondern auch eine Übertragung zur Sicherung oder eine Beleihung. Verfügungsbeschränkungen bestanden nicht, obwohl die Lebensversicherung dem Kläger nicht allein, sondern nur gemeinsam mit seiner Ehefrau zustand. Seine gegenteilige Ansicht übersieht, daß die Bedürftigkeit i.S. des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nach § 137 Abs. 2 AFG nicht nur durch sein eigenes, sondern auch durch das Vermögen seiner Ehefrau ausgeschlossen werden kann. Die Lebensversicherung wäre selbst dann verwertbar, wenn sie der Ehefrau allein zustände. Die Frage, wie die Verwertung im Innenverhältnis zwischen den Eheleuten zu verwirklichen ist, schließt die Verwertbarkeit im Außenverhältnis zur BA nicht aus. Die Berücksichtigung von Vermögensgegenständen des Ehegatten im Rahmen der speziellen Bedürftigkeitsprüfung ist ein Reflex der gegenseitigen Unterhaltspflicht von Eheleuten (§ 1360 Bürgerliches Gesetzbuch). Insofern ist nicht ersichtlich, inwiefern die Verwertbarkeit der gemeinsamen Lebensversicherung bei Meinungsverschiedenheiten nicht mit dem Schutzgedanken des Art 6 Grundgesetz vereinbar seien sollte. Auch aus § 7 AlhiV ergeben sich hier keine Ausnahmen von der Verwertbarkeit.

1.3 Die Berücksichtigung der Lebensversicherung bei der speziellen Bedürftigkeitsprüfung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie dem Kläger und seiner Ehefrau nicht zumutbar ist. Die Belange der Ehefrau sind bei der Zumutbarkeitsprüfung nicht nur erheblich, weil ihr Vermögen geeignet ist, die Bedürftigkeit des Ehemannes auszuschließen, sondern vor allem, weil nach dem allgemeinen Grundsatz des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV die Verwertung von Vermögen nur zumutbar ist, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Die Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögen kann nach den Umständen des Einzelfalles schon nach dem Grundtatbestand des § 6 Abs. 3 Satz 1 AlhiV ausgeschlossen sein (BSGE 72, 248, 250 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 4). Die Grenzen zumutbarer Vermögensverwertung erschließen sich jedoch im allgemeinen leichter über die negativen Regelbeispiele des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nrn 1 bis 7 AlhiV, in denen der Verordnungsgeber typische Fälle unzumutbarer Vermögensverwertung geregelt hat. Einschlägig ist hier Nr. 3 der Vorschrift, wonach die Vermögensverwertung u.a. unzumutbar ist, wenn das Vermögen zum Aufbau oder zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist. Das LSG hat die Lebensversicherung sowohl zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage wie einer angemessenen Alterssicherung bestimmt angesehen. Dabei ist nicht beachtet, daß die eine Zweckbestimmung geeignet sein kann, die andere auszuschließen (vgl. dazu: BSG Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7 RAr 2/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Ob eine Lebensversicherung stets nur alternativ zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage oder Alterssicherung bestimmt sein kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG läßt sich nämlich entnehmen, daß die Lebensversicherung, die der Kläger und seine Ehefrau 1976 anläßlich der Geburt ihres ersten Kindes abgeschlossen haben, jedenfalls der Alterssicherung dient. Aus der Bezugnahme auf die Äußerungen des Klägers im Widerspruchsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 14. September 1995 sowie dem Gesamtzusammenhang seiner tatsächlichen Feststellungen (BSGE 72, 248, 250 = SozR 3-4100 § 137 Nr. 4) hat sich das LSG die Äußerung des Klägers zu eigen gemacht, die Lebensversicherung diene insbesondere dazu, durch Kindererziehung bedingte Lücken im Versicherungsverlauf der Ehefrau des Klägers zu schließen. Diese Darstellung hat das LSG für glaubhaft erachtet und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, wie die objektivierenden Überlegungen zur Zweckmäßigkeit ergänzender Alterssicherung von Frauen zeigen, die ihre Erwerbstätigkeit aus familiären Gründen unterbrochen haben. Der Hinweis der BA, die Lebensversicherung werde schon vor dem Eintritt des Klägers und seiner Ehefrau in das Rentenalter fällig, schließt die festgestellte Zweckbestimmung nicht aus. In diesem Zusammenhang hat schon der 7. Senat des BSG darauf hingewiesen, daß eine ergänzende Alterssicherung auch in Stufen zu verwirklichen ist (Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7 RAr 2/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Die in der Überschußbeteiligung enthaltene Vermögensbildung schließt die Verwertung der Lebensversicherung und den Anspruch auf Alhi nicht aus, weil gerade die Vermögensbildung die Alterssicherung gewährleistet. Dabei verkennt der Senat nicht, daß die Rechtsprechung zur Sozialhilfe und zur Prozeßkostenhilfe die Verwertung von Kapitallebensversicherungen grundsätzlich für zumutbar hält (OVG Lüneburg FEVS 36, 473, 475; OVG Münster FEVS 45, 58, 60 f; BayVGH vom 9. Februar 1994 - 12 C 93.1060 - unveröffentlicht; ArbG Regensburg Rpfleger 1994, 70 f; HessFinanzG EFG 1996, 199 f; AmtsG Höxter FamRZ 1996, 752f. m abl Anm. v Zieroth; differenzierend: VGH Mannheim FEVS 39, 293, 296f.). Diese Rechtsprechung beruht auf der vom Alhi-Recht abweichenden Bestimmung von Schonvermögen im Bereich der Sozialhilfe nach § 88 Abs. 2 und 3 BSHG. Angemessene Altersvorsorge gehört nicht zu den typischen Lebenssachverhalten, für die § 88 Abs. 2 BSHG die Bildung von Schonvermögen gegenüber der Sozialhilfe zuläßt. Eine Kapitallebensversicherung kann deshalb nur über den Ausnahmetatbestand des § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG von der Verwertung ausgeschlossen sein, wenn ein atypischer Sachverhalt für den Betroffenen eine Härte begründet (zur Gesetzessystematik der Bestimmung von Schonvermögen im Sozialhilferecht und der daran anknüpfenden Folgerungen: BVerwGE 23, 149, 158; 47, 103, 111; 92, 254, 257). Ob diese Rechtsprechung angesichts des allgemein anerkannten Bedürfnisses für die gesetzliche Rentenversicherung ergänzende Alterssicherung überzeugen kann, ist hier nicht zu entscheiden. Für die Alhi erklärt § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV Vermögen, das zur Alterssicherung bestimmt ist, ausdrücklich zum Schonvermögen. Die ergänzende Alterssicherung entspricht einem verbreiteten Bedürfnis (vgl. Klebula/Semrau BArbl 1997, 5ff.) und wird - wie der 7. Senat des BSG bereits hervorgehoben hat (Urteil vom 17. Oktober 1996 - 7 RAr 2/96 - zur Veröffentlichung vorgesehen) - auch politisch befürwortet. Das Schrifttum tritt dafür ein, bei Empfängern subsidiärer Sozialleistungen mit dem Einsatz von zur Alterssicherung bestimmtem Vermögen "nicht die allgemeinen Vorstellungen einer vernünftigen Vorsorge für Alter und Invalidität" zu verlassen und mit der Verwertung privaten Vorsorgevermögens für diese Personengruppe eine wünschenswerte Alterssicherung zu vereiteln (Fuchs SGb 1994, 292 f; ebenso Zieroth FamRZ 1996, 753). In die gleiche Richtung weist Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht, die Unterhaltsberechtigten wegen Aufwendungen für zusätzliche Alterssicherung Zuschläge zum sog. großen Selbstbehalt gegenüber Unterhaltsforderungen zugesteht (BGH FamRZ 1992, 795, 797). Mit Recht weist das LSG auf den Widerspruch hin, der darin bestände, angemessene Aufwendungen zu privater Alterssicherung bei der Feststellung von anrechenbarem Einkommen zu berücksichtigen (§ 138 Abs. 2 Nr. 2 AFG; BSG SozR 3-4100 § 138 Nr. 4), das damit gebildete Vermögen aber ohne Rücksicht auf seine Zweckbestimmung zu verwerten. Diese Erwägungen schließen es auch aus, die Zumutbarkeit der Verwertung einer Kapitallebensversicherung allein von einer bestimmten Relation des Rückkaufwerts zur Summe der eingezahlten Beiträge abhängig zu machen.

1.4 Die gemeinsame Kapitallebensversicherung des Klägers und seiner Ehefrau stellt eine angemessene Alterssicherung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV dar. Wegen dieser typisierenden Regelung bedarf es keiner Feststellungen im Einzelfall dazu, ob die Alterssicherung des Arbeitslosen oder seiner Ehefrau auch ohne zusätzliche Sicherung durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet wäre. Eine solche Prüfung, die für den Bereich der Sozial- und Prozeßkostenhilfe zum Teil gefordert wird (vgl. HessFinanzG EFG 1996, 199f.) und für die Hilfe in besonderen Lebenslagen durch § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG nahegelegt wird, wäre mit der typisierenden Regelung des Alhi-Rechts nicht vereinbar. Sie liefe auch Gefahr, die Möglichkeiten der Verwaltung zur Sachaufklärung im Einzelfall zu überfordern (darauf macht die Rechtsprechung zur Feststellung von Schonvermögen i.S. des § 88 Abs. 2 BSHG in verschiedenen Zusammenhängen aufmerksam: BVerwGE 35, 178, 181; 69, 146, 158; BVerwG Buchholz 436.0 § 88 Nr. 28 m.w.N.). Die Angemessenheit der Alterssicherung i.S. des § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AlhiV hängt von der Lebensstellung des Arbeitslosen ab und der Zahl der Angehörigen, deren Sicherung das Vermögen zu dienen bestimmt ist (Gagel/Ebsen, AFG, § 137 RdNr 187 - Stand Mai 1995). Die hier gebotene überschlägige Rechnung ergibt, daß die 2006 fällige Versicherungsleistung von rd 112.000, 00 DM bis zu einer möglichen Verwertung als Alterssicherung bei entsprechender Anlage rd 150.000, 00 DM betragen wird. Die sich aus diesem Kapital ergebende zusätzliche Alterssicherung für zwei Personen hält sich im Rahmen des Angemessenen.

1.5 Da das Spar- und Bausparguthaben des Klägers und seiner Ehefrau sich im Rahmen der Freibeträge des § 6 Abs. 1 AlhiV hält, die Verwertung des von der Familie bewohnten Hausgrundstücks nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 7 AlhiV nicht zumutbar ist und Anhaltspunkte für Einkünfte des Klägers und seiner Ehefrau, die den zugesprochenen Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 dem Grunde nach ausschließen, nicht ersichtlich sind, war der Kläger im genannten Zeitraum i.S. des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG bedürftig.

2. Auch die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi in der Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 sind gegeben.

2.1 Auf ausdrückliche Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Abs. 1 Satz 1 AFG in den Entscheidungsgründen konnte das LSG im vorliegenden Fall verzichten, weil sich die anspruchsbegründenden Tatsachen aus dem unstreitigen Tatbestand ergeben und Anhaltspunkte dafür, daß sie nicht gegeben sein könnten, nicht ersichtlich sind. Danach war der Kläger arbeitslos, er hat bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 29. Juni 1994 Alg bezogen und im Juni 1994 Antrag auf Alhi gestellt. Anhaltspunkte dafür, daß seine Verfügbarkeit oder Erreichbarkeit in diesem Zeitraum nicht vorgelegen haben könnte, ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den Akten. Dem entspricht auch die Fassung des Ausgangsbescheids, der für den streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Alhi nur wegen mangelnder Bedürftigkeit abgelehnt hat. Für die Zeit ab 29. Dezember 1994 leistet die BA Alhi. Unter den hier gegebenen Umständen hatte das LSG keinen Anlaß, nach § 103 SGG Ermittlungen zur Verfügbarkeit anzustellen und ausdrücklich tatsächliche Feststellungen in den Entscheidungsgründen zu unstreitigen Anspruchsvoraussetzungen zu treffen.

Daher greift die Verfahrensrüge, das LSG habe §§ 130, 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG verletzt, weil sich die Entscheidungsgründe lediglich mit der Bedürftigkeit des Klägers im umstrittenen Zeitraum, nicht aber mit den übrigen Anspruchsvoraussetzungen der Alhi auseinandersetzen, nicht durch. Zwar ist § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG nicht nur verletzt, wenn das angefochtene Urteil überhaupt keine Gründe aufweist, sondern auch, wenn es nur zu einzelnen Ansprüchen oder Angriffs- oder Verteidigungsmitteln nicht Stellung nimmt. Über den prozeßrechtlich geforderten Inhalt der Entscheidungsgründe enthält das SGG nichts Näheres. Nach § 313 Abs. 3 Zivilprozeßordnung, der im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 202 SGG entsprechend heranzuziehen ist, enthalten die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Dabei können die Ausführungen auf die Erörterung zweifelhafter Fragen beschränkt werden (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. 1993 § 136 RdNr 7). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil. In solchen Fällen eröffnen aber Tatbestand und Entscheidungsgründe die Überprüfung des Urteils und - wie hier - eine Sachentscheidung des Revisionsgerichts. Ein Begründungsmangel ist deshalb nur gegeben, wenn mangelnde Auseinandersetzung der Entscheidungsgründe mit Angriffs- oder Verteidigungsmitteln geeignet wäre, den mit der Revision erstrebten Erfolg herbeizuführen (BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 19 m.w.N.).

3. Die Verurteilung der BA, dem Kläger Alhi "auch für die Zeit vom 30. Juni bis 28. Dezember 1994 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen", ist danach nicht zu beanstanden. Diese Verurteilung enthält ein Grundurteil i.S. des § 130 SGG. Eine solche Verurteilung schließt die Berücksichtigung von Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau, das nach den Feststellungen des LSG den Anspruch dem Grunde nach nicht berührt, bei der Ausführung des Urteils nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.11 RAr 21/96

BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Haufe-Index 517912

SozSi 1997, 439

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